24.08.2023 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
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Sowohl in Betriebsprüfungen als auch in Lohnsteueraußenprüfungen ist das Thema Dienstwagenbesteuerung immer wieder ein großes Thema. Wenn ein Dienstwagen privat genutzt wird, entsteht ein geldwerter Vorteil, der entweder pauschal im Rahmen der 1-%-Regelung oder individuell auf Grundlage eines ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuches bemessen wird.
Die Finanzämter und die Finanzgerichte müssen sich zunehmend mit sog. atypischen Sachverhalten auseinandersetzen. Ein atypischer Sachverhalt liegt z. B. vor, wenn behauptet wird, ein Dienstwagen sei ausschließlich dienstlich und niemals, auch nicht gelegentlich, privat genutzt worden.
Die Finanzverwaltung macht in derartigen Zweifelsfällen regelmäßig vom sog. Anscheinsbeweis Gebrauch. Nach dem Beweis des ersten Anscheins kann davon ausgegangen werden, dass ein Dienstwagen, der zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt wird, auch privat genutzt wird. Dieser Anscheinsbeweis ist in der Rechtsprechung nicht unumstritten. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung darf der Anscheinsbeweis nur dann angewandt werden, wenn tatsächlich ein Dienstwagen zur Privatnutzung überlassen wird. Wenn ein Dienstwagen lediglich für betriebliche Zwecke, nicht aber zur privaten Nutzung überlassen wird, darf das Finanzamt den Anscheinsbeweis nicht anwenden und davon ausgehen, der Dienstwagen sei auch privat genutzt worden.
Wenn ein Dienstwagen aufgrund eines vertraglich vereinbarten privaten Nutzungsverbotes nicht privat genutzt werden darf, also kein Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung überlassen wird, darf das Finanzamt ebenso nicht unterstellen, der Dienstwagen sei privat genutzt worden.
Die Rechtsprechung differenziert bei der Anwendung des Anscheinsbeweises zwischen Arbeitnehmerfällen und Fällen, in denen ein Dienstwagen einem (beherrschenden) Gesellschafter-Geschäftsführer bzw. einem Unternehmer überlassen wird.
Ein Nutzungsverbot ist nachvollziehbar bei Werkstattwagen, LKW oder vergleichbaren Fahrzeugen. Wenig überzeugend und grundsätzlich wider die allgemeine Lebenserfahrung ist die Darlegung, dass hochwertige Luxuslimousinen und Luxussportwagen sowie Oldtimer mit einer eingeschränkten Alltagstauglichkeit aufgrund eines vertraglich vereinbarten Nutzungsverbotes von (beherrschenden) Gesellschafter-Geschäftsführern oder Unternehmern ausschließlich beruflich genutzt werden und daher kein geldwerter Vorteil zu versteuern sei. Soweit entsprechende Nachweise erbracht werden können, kann eine Versteuerung des geldwerten Vorteils unterbleiben. Schwierig wird es, wenn weder Nachweise erbracht noch der Sachverhalt glaubwürdig dargelegt werden kann.
Wenn die private Nutzung des Dienstwagens zwar behauptet, nicht aber nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht wird, kann das Finanzamt nicht überprüfen, ob das Nutzungsverbot ernsthaft gewollt oder nur zum Schein ausgesprochen wurde. Das Finanzamt kann entsprechend den Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln. Nach Maßgabe von § 162 AO hat das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn es diese nicht ermitteln kann. Hierbei handelt es sich um eine gesetzliche Verpflichtung und nicht um eine Ermessensentscheidung.
Mit zunehmender Tendenz wenden die Gerichte das Prinzip der Beweislastumkehr an. Die Rechtsprechung ist hier noch uneinheitlich. Insbesondere bei Darlegung atypischer Sachverhalte muss nicht das Finanzamt, sondern der Steuerpflichtige nachweisen, dass sich der Sachverhalt so wie behauptet zugetragen hat.
Fortsetzung folgt in der nächsten Ausgabe.
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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Bild: Sebastian Pichard (Pexels, Pexels Lizenz)