Die Europäische Zentralbank hat ihren Zins um 50 Basispunkte (Bps) angehoben. Eine Entwicklung, die es seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gegeben hat.
Was bedeutet die Zinswende nun für Banken und Bankkunden? Gibt es wieder Zinsen auf das Sparkonto, werden Kontogebühren sinken? Philipp Kaupke, Partner und Bankexperte bei der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners, kennt die Antwort:
Zinsen werden nicht direkt auf das Sparkonto übertragen. Banken werden abwarten, auch um keine übermäßig ansteigenden Kosten zu riskieren. Es ist unklar wie lange die Zinswende anhält, eine mögliche Rezession trübt ebenfalls die Zukunftsaussichten. Endkunden werden also in der Masse nicht so schnell in den Genuss von Zinsen auf ihre Einlagen kommen. Darüber hinaus werden einige Marktteilnehmer, insbesondere Neobanken und agile Player wie beispielsweise die ING, die Chance nutzen und neue Produkte neben dem existierenden Produktportfolio einzuführen und so ihr Angebot differenzieren. Dieses Vorgehen empfiehlt sich ebenfalls für traditionelle Banken:
-
Die Zinswende verlangt ein differenziertes und größeres Angebotsportfolio an Einlagenprodukten, um Kunden die Wahl zwischen mehreren Optionen zu bieten. Eine jetzt notwendige „neue Einlagenstrategie“ sollte Überlegungen mit Nutzen für beide Seiten – Kunde und Bank – beinhalten.
-
Aus Kundensicht ist das ausschlaggebende Argument für eine Bank ein gutes Verhältnis zwischen Verzinsung und Verfügbarkeiten der Einlagen. Konkret bedeutet dies, dass nicht nur attraktive Zinsen das Kundensegment ansprechen müssen, sondern auch eine passende Verfügbarkeit von Liquidität sichergestellt werden muss. Diese Balance bietet die Chance neue Produkte in den Markt zu bringen.
-
Die Schaffung „interner Notausgänge“ sind essenzielle Hebel, um zins-/preissensible Kunden zu halten. Dadurch können beispielsweise neuaufgelegte Produkte, in denen sich ein tiefes Bestandsvolumen befindet, mit wettbewerbsfähigen, attraktiven Verzinsungen eine attraktive Alternative für preissensible Kunden bilden.
-
Die Preissensitivität unterschiedlicher Kunden, sollte allgemein im Rahmen einer Preisdifferenzierung beim Zins aktiv genutzt werden – einerseits um Einlagenabflüsse zu minimieren, und andererseits um bestmögliche Konditionen kommunizieren zu können. So werden preissensible Kunden aktiv in neue Produkte umbuchen und weniger preissensible Kunden durch in unverzinsten Bestands- bzw. Altprodukten gehalten.
-
Banken sollten aus den Erfahrungen der Negativzinsphase lernen und diese in die eigene Strategie für Einlagenprodukte aktiv miteinbeziehen. Beispielweise können Bonussparpläne durch ihre inflexiblen Anpassungen schnell wieder zu einer Belastung werden. Aufgrund der makroökonomischen und politischen Situation weltweit und speziell in Europa, sind Banken nämlich mittel- und langfristig nicht von neuerlichen Zinssenkungen und einer weiteren Negativzinsphase befreit.