13.01.2021 — Greta Groffy. Quelle: ESCHE SCHÜMANN COMMICHAU.
Dabei stellt sich u. a. die Frage, ob Arbeitgeber von ihren Beschäftigten eine Impfung verlangen dürfen und sog. „Impf-Prämien“ für geimpfte Beschäftigte das Mittel der Wahl sind.
Kurz vor dem Jahreswechsel haben die Covid-19-Impfungen begonnen. Bis alle Bürger, die nicht zu den Risikogruppen gehören, geimpft werden können, werden noch Monate vergehen. Die Covid-19-Impfung reduziert nach den Angaben des RKI und des Gesundheitsministeriums die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu erkranken, um bis zu 95 %. Über welchen Zeitraum eine geimpfte Person vor der Covid-19 Erkrankung geschützt ist, ist noch nicht bekannt. Ebenso ist noch nicht erwiesen, ob und in welchem Maße die Erregerübertragung (Transmission) durch geimpfte Personen verringert oder verhindert wird.
Die Impfung gegen Covid-19 ist freiwillig; eine gesetzliche Impfpflicht soll es laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn nicht geben. § 20 Abs. 6 des Infektionsschutzgesetzes sieht zwar vor, dass das Bundesministerium für Gesundheit Impfungen anordnen darf. Ziel der Bundesregierung ist es jedoch, durch eine freiwillige Impfung von zwei Dritteln der Bevölkerung die sog. “Herdenimmunität” zu erreichen.
Eine gesetzliche Impfpflicht wurde bislang allein für die Masernkrankheit durch das Masernschutzgesetz am 01.03.2020 eingeführt. Diese betrifft nur bestimmte Arbeitnehmergruppen (z. B. Erzieher, Lehrer und medizinisches Personal). Im Falle einer Impfverweigerung wird ein Tätigkeitsverbot durch das Gesundheitsamt ausgesprochen. Der Arbeitnehmer darf in Folge nicht mehr eingesetzt werden. Der Arbeitgeber wird gegenüber dem Arbeitnehmer eine personenbedingte Kündigung in Erwägung ziehen, da dessen Eignung für die arbeitsvertragliche Tätigkeit weggefallen ist.
Arbeitgeber haben ein großes Interesse daran, dass ihre Beschäftigten gesund bleiben und sich einer Impfung gegen Covid-19 unterziehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Impfung tatsächlich andere Beschäftigte und Dritte im Betrieb davor schützen sollte, die Krankheit weiter zu verbreiten. Da dies aktuell noch nicht erwiesen ist, ergibt sich eine Impfpflicht weder unmittelbar noch mittelbar aus dem Arbeitsverhältnis. Zunächst ist eine Verpflichtung zur Vornahme der Impfung und damit des körperlichen Eingriffs vom bestehenden arbeitgeberseitigen Direktionsrecht nicht gedeckt. Eine solche Pflicht könnte auch nicht wirksam im Arbeitsvertrag vereinbart werden, da sie gemäß der AGB-Kontrolle eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen würde. Das Interesse des Arbeitgebers, das momentan lediglich darin besteht, dass der Beschäftigte selbst nicht schwer erkrankt, überwiegt gegenüber der Selbstbestimmung und körperlichen Integrität des Beschäftigten nicht. Den Beschäftigten trifft grundsätzlich eine Treue- und Rücksichtnahmepflicht, infolgedessen er die Rechtsgüter des Arbeitgebers und seiner Kollegen zu schützen hat.
Die bislang angebotene Impfung schützt allerdings unmittelbar nur den geimpften Arbeitnehmer selbst, sodass sich hieraus keine Impfpflicht ergeben kann. Sollte die Impfung nachweislich davor schützen, andere zu infizieren, so müsste im Einzelfall geprüft werden, ob es mildere Mittel zur Erreichung des betrieblichen Schutzes vor Covid-19 gibt. Darunter fallen etwa das Homeoffice und das AHAL-Konzept (Abstand – Hygiene – Alltagsmaske – Lüften). Da aktuell keine arbeitnehmerseitige Pflicht zur Impfung gegen Covid-19 besteht, sind auch arbeitsrechtliche Konsequenzen wie eine Abmahnung oder personenbedingte Kündigung aufgrund einer Impfverweigerung nicht zulässig.
Genauso wenig wie Arbeitnehmer zur Impfung verpflichtet sind, müssen Arbeitgeber Corona-Impfungen anbieten oder gar bezahlen. Ihnen steht es jedoch frei, Anreize zur freiwilligen Impfung ihrer Arbeitnehmer zu setzen. Dies kann z. B. durch die Bereitstellung eines freiwilligen betrieblichen kostenlosen Impfprogramms – wie für den Grippeschutz bekannt – oder durch die Zahlung einer „Impfprämie“ erfolgen. Hierbei ist das ggf. bestehende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einführung solcher Anreize zu beachten. Auch datenschutz- und steuerrechtlich sollten solche Maßnahmen geprüft werden. Arbeitsrechtlich nicht geklärt ist, ob die Zusage von Prämien gegenüber einzelnen Arbeitnehmern von dessen Einverständnis mit der Impfung und damit einer an sich privaten Entscheidung abhängig gemacht werden darf. Es besteht z. B. das Risiko, dass sich ungeimpfte Arbeitnehmer (darunter solche, die sich aufgrund von Kontraindikationen nicht impfen lassen dürfen) auf den Gleichbehandlungsgrundsatz berufen und die Prämie beanspruchen.
Davon unabhängig sollten Arbeitgeber einen Covid-19-Fahrplan erarbeiten, diesen regelmäßig aktualisieren und gegenüber den Beschäftigten kommunizieren. Dieser sollte Covid-19-(Verdachts-)Fällen vorbeugen und den Umgang mit solchen Fällen regeln – von Homeoffice bis zur telefonischen Krankmeldung, Covid-19-Test, Quarantäne, Spezialfall Reiserückkehrer etc. Die Einhaltung der Normen des Covid-19-Arbeitsschutzstandards und der Covid-19-Arbeitsschutzregel sichern ab, dass der Betrieb aufrechterhalten wird und behördliche Maßnahmen sowie eine Haftung gegenüber den Beschäftigten vermieden werden.
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