30.09.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: McKinsey & Company.
Nachhaltiges Wachstum kommt allen zu Gute. Der Wert der deutschen Wirtschaft würde von 12 auf 24 Billionen Euro wachsen, für Haushalte würden das 31.000 EUR mehr jährliches Einkommen bedeuten. Um das zu ermöglichen muss, Deutschland wieder attraktiver für Investitionen werden – die Wachstumswende erfordert zusätzliche Investitionen von 330 Milliarden Euro pro Jahr – 8% des BIP – und eine Doppelstrategie: stärkerer Fokus auf dynamische Zukunftsfelder („Shift“) und höhere Produktivität in allen Industrien und Wertschöpfungsketten („Lift“).
Um für Investitionen attraktiv zu werden, braucht Deutschland laut einer Umfrage unter deutschen Vorständen vor allem einen dynamischeren Arbeitsmarkt, stabile Nachfrageaussichten sowie niedrige Energiekosten.
Mit einem durch höhere Attraktivität für Investitionen getriebenen massiven Investitionsschub und einer Doppelstrategie aus stärkerem Fokus auf Zukunftsfelder und höherer Produktivität kann Deutschland deutlich schneller wachsen. „Wachstumswende Deutschland – das ist möglich und nötig. Wenn alle mit anpacken, können alle von mehr Wachstum profitieren. Alle für Aufstieg und Aufstieg für alle“, so Fabian Billing, Managing Partner von McKinsey für Deutschland und Österreich sowie Co-Autor der Studie „Wachstumswende Deutschland“, die die Unternehmensberatung McKinsey & Company heute veröffentlicht hat.
Schöpft Deutschland sein gesamtes Wachstumspotenzial aus, kann es den Wert seiner Wirtschaft verdoppeln – von heute 12 Bio. Euro auf 24 Bio. Euro im Jahr 2035. Das durchschnittliche Haushaltseinkommen stiege in diesem Szenario von derzeit 72.000 EUR um rund 31.000 EUR und damit auf über 100.000 EUR (2035). Nicht zuletzt hätte der Staat jährlich über 410 Milliarden EUR mehr zur Verfügung, um die die großen Herausforderungen unserer Zeit angehen. „Wirtschaftliches Wachstum ist kein Selbstzweck, sondern die Voraussetzung für individuelle Aufstiegschancen und ein stabiles, leistungsfähiges Gemeinwesen – von verlässlicher Infrastruktur und guten (Aus-)Bildungsmöglichkeiten über Sicherheit bis hin zu Investitionen in die Nachhaltigkeit oder erstklassiger Gesundheitsversorgung für alle. Wachstum kommt allen zugute“, sagt Fabian Billing.
In den vergangenen vier Jahren wuchs das deutsche BIP kaum noch (0,1 Prozent kumulierte jährliche Wachstumsrate), die realen Löhne gingen sogar leicht zurück (-1,3 Prozent kumulierte jährliche Wachstumsrate). Auch 2024 wird das BIP voraussichtlich kaum wachsen. Damit sind die vergangenen fünf Jahre die wachstumsschwächsten in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.
Pro Jahr wären für diese Wachstumswende Investitionen in Höhe von 330 Milliarden Euro erforderlich (8% des Bruttoinlandsprodukts) – zusätzlich zu den 950 Milliarden Euro, die in Deutschland schon heute jährlich investiert werden. Die größten Positionen sind dabei die Energiewende, Forschung und Entwicklung sowie Digitalisierung, KI und Automatisierung. 70 Prozent dieser Investitionen müssten aus privatwirtschaftlichen Quellen kommen.
Deutschland muss wieder attraktiver für Investitionen werden und somit eine höhere Rendite ermöglichen. Voraussetzung dafür ist eine Doppelstrategie mit einem Fokus auf dynamische Zukunftsfelder der Wirtschaft („Shift“) und eine höhere Produktivität in allen Bereichen („Lift“). Mit einer solchen Strategie, die einheimischen und internationalen Investoren höhere Umsätze und Erträge in Aussicht stellt, könnte deutlich mehr Kapital für notwendige Investitionen in Deutschland mobilisiert werden.
Aktuell fließt jedes Jahr Kapital aus Deutschland ab – 2023 waren es netto fast 250 Milliarden EUR, nicht zuletzt, weil die erzielbaren Renditen hierzulande nicht wettbewerbsfähig sind. In den USA erzielen Investoren beispielsweise 30 Prozent höhere Renditen als in Deutschland.
Eine Umfrage unter mehr als 130 Vorstandsmitgliedern in Deutschland tätiger Unternehmen, die McKinsey für die Studie befragt hat, zeigt die Herausforderungen: 33 Prozent der Befragten erwarten zwar, dass Ihre Präsenz am Standort Deutschland in den nächsten fünf Jahren wachsen wird. Zwei Drittel rechnen dagegen mit Stagnation (35 Prozent) oder Rückgang (32 Prozent). Besonders Unternehmen im produzierenden Gewerbe planen, ihre Präsenz in Deutschland zu reduzieren (47 Prozent). Diese Tendenz zeigt sich auch beim Investitionsverhalten: Derzeit investieren 65 Prozent der befragten Unternehmen mehr im Ausland als in Deutschland.
Die befragten Vorstände sehen besonders hohen Handlungsbedarf in den Bereichen Arbeitsmarkt, Nachfrageentwicklung und Energiekosten. Als weitere Faktoren nennen die Teilnehmenden europaweit einheitliche, wirtschaftsfreundliche Regulierungen und Gesetze sowie staatliche Förderung von Wachstum und Innovation.
„Bisher geschieht den befragten Vorständen zufolge zu wenig, um Deutschland zu mehr Wachstum zu verhelfen“, sagt Jan Mischke, Partner im Züricher Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie. Eine Mehrheit von 84 Prozent glaubt, dass die Herausforderung zwar verstanden ist, dass bisher aber zu wenige Maßnahmen ergriffen werden oder es bei der Umsetzung der Maßnahmen an Dringlichkeit fehlt. Und 15 Prozent sind der Meinung, dass die bisher gefundenen Lösungen keine ausreichende Wirkung zeigen. Nur 2 Prozent der Befragten glaubt, dass die Erneuerung der deutschen Wirtschaft auf einem guten Weg ist und in den nächsten zwei Jahren Ergebnisse bringen wird. Die wichtigsten Hebel zur schnelleren Erneuerung der deutschen Wirtschaft seien bessere Prozesse in der öffentlichen Verwaltung (von 77 Prozent der Befragten genannt), ein überzeugendes Zielbild, Narrativ und Mentalität (64 Prozent) sowie regulatorische und wirtschaftliche Stabilität (63 Prozent).
Im Zusammenspiel mit den richtigen Rahmenbedingungen kann eine Doppelstrategie aus „Shift“ und „Lift“ dazu beitragen, die Renditeaussichten für Investoren zu verbessern, und so dabei helfen, das für die Wachstumswende erforderliche Kapital zu mobilisieren.
Um der deutschen Wirtschaft neue Wachstumsmöglichkeiten zu erschließen, ist eine Verschiebung des wirtschaftlichen Portfolios hin zu dynamischen Zukunftsfeldern erforderlich („Shift“). Bei der Auswahl solcher Felder sind die globale Wachstumsdynamik und die Passgenauigkeit auf die hiesigen Stärken und die heimische Nachfrage entscheidend. Ein Beispiel für ein international besonders dynamisches Feld ist der Bereich „Deep Tech“. Dazu gehören unter anderem KI, Nanotechnologie und Robotik. Auch die Bereiche Gesundheitswirtschaft (inklusive Nutzung von KI und Biotechnologie), Feststoff-Batterietechnologie und neue Materialien wie Hochleistungslegierungen sind vielversprechend und mit den Gegebenheiten in Deutschland kompatibel. Letztendlich gibt es in fast allen Industrien Segmente, die eine gute Wachstumsdynamik haben. Um einen stärkeren Fokus auf Zukunftsfelder – sowohl in bestehenden Unternehmen als auch durch Neugründungen – zu ermöglichen, sind vier Stoßrichtungen ausschlaggebend:
Beim zweiten Teil der Doppelstrategie („Lift“) geht es um die Erhöhung der Produktivität in allen Sektoren und Wertschöpfungsketten. Der Spielraum für Verbesserungen ist groß, denn Deutschland hat bei der Produktivität in den letzten 20 Jahren nicht mit den USA Schritt halten können. Um die im Rahmen der Doppelstrategie angestrebte Steigerung der Produktivität in Deutschland zu erreichen, sind vier Stoßrichtungen ausschlaggebend:
Damit die Wachstumswende zum Erfolg wird, müssen alle Akteure in Wirtschaft und Gesellschaft ihren Beitrag leisten: Politische Entscheidungsträger, Unternehmen, Wissenschaft, Forschung, Investoren, Banken und Bürger.
Bild: Ryoji Iwata (Unsplash, Unsplash Lizenz)