27.11.2023 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).
Die noch im Frühjahr bestehende Hoffnung auf eine konjunkturelle Belebung hat sich damit zunächst nicht erfüllt.
"Die Anstrengungen der Bundesregierung zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts müssen schnell zu greifbaren Ergebnissen kommen. Neben Maßnahmen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren und zum Bürokratieabbau hat die Stärkung der finanziellen Investitionsanreize eine hohe Priorität. Deutschland braucht massive Investitionen in den Wirtschaftsstandort, in die Dekarbonisierung und die Digitalisierung. Wir stehen als Finanzierungspartner bereit, die Investitionen in die Zukunft auf den Weg zu bringen", kommentiert die BVR-Präsidentin Marija Kolak die jüngsten Umfrageergebnisse.
"Nach den negativen Auswirkungen von Coronakrise, Lieferengpässen, Ukraine-Krieg, Energiekrise, hoher Inflation und Zinswende müssen die Mittelständler jetzt auch noch eine anhaltende Konjunkturschwäche überstehen. Zudem besteht vorerst weiterhin das Risiko einer Eskalation im Nahen Osten. Allerdings stimmen die Erfahrungen der Vergangenheit optimistisch, dass der Mittelstand auch die neuen Herausforderungen gut meistern wird. Die Unternehmen sind sehr wandlungsfähig", sagt Uwe Berghaus, Firmenkundenvorstand der DZ BANK.
Die Stimmungsaufhellung vom Frühjahr ist im Zuge der anhaltenden Belastungen schon wieder Geschichte. Der Saldo der Prozentanteile von optimistischen und pessimistischen Geschäftserwartungen der Mittelständler sank von zuvor plus 7 auf nun minus 15 Punkte. Dies ist das zweitschlechteste Ergebnis seit Beginn der Erhebung im Jahr 1995. Nur zur Hochzeit der Energiekrise vor einem Jahr waren die Mittelständler noch pessimistischer gestimmt als jetzt. Die Erwartungen haben sich in allen Größenklassen und in fast allen Branchen verschlechtert. Im Branchenvergleich am pessimistischsten blicken die mittelständischen Bauunternehmen der Zukunft entgegen, was wegen der Zinswende und der infolgedessen eingebrochenen Wohnungsbaugenehmigungen nicht verwundert.
Der Saldowert der aktuellen Lagebeurteilungen fällt ebenfalls deutlich von 57 auf 34 Punkte und liegt damit unter seinem langjährigen Mittelwert in Höhe von 45,1 Punkten. Ähnlich schlecht bewerteten die Mittelständler ihre Geschäftslage zuletzt im Herbst 2020. Die vergleichsweise schwache Nachfrage der privaten Haushalte in diesem Sommer drückte die Lagebewertungen im Handel und im Dienstleistungsgewerbe merklich. In der Agrarbranche wurde die aktuelle Lage ebenfalls nicht mehr so positiv bewertet. Das Schlusslicht bei den Lagebeurteilungen bilden die Mittelständler der Chemie- und Kunststoffindustrie, bei denen sich der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen angesichts der noch immer erhöhten Energiepreise ungefähr die Waage hält.
Auf den ersten Blick hat sich in diesem Herbst bei den aktuellen Problemfeldern im deutschen Mittelstand nicht viel getan. Das Dauerproblem Fachkräftemangel wird von den mittelständischen Unternehmen erneut als ihr größtes Problem identifiziert. Zuletzt waren hiervon 79 Prozent betroffen. Auf Rang zwei der größten Probleme folgt die Bürokratie. Das war zuletzt vor zwei Jahren der Fall. Mittlerweile bereitet die Bürokratiebelastung immerhin drei Vierteln der Mittelständler Sorgen. Das ist nicht nur ein deutlicher Anstieg gegenüber der Frühjahrsumfrage, sondern bereits der dritte Anstieg in Folge. Die folgenden Plätze teilen sich verschiedene Kostenarten. Dabei steht einer gewissen Entspannung bei den Energiekosten sowie bei den Rohstoff- und Materialkosten eine Verschärfung bei der Lohnkostenbelastung gegenüber.
Die Krisen der vergangenen Jahre und die aktuelle Konjunkturschwäche blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit. Die Investitionsbereitschaft im deutschen Mittelstand hat sich gegenüber der Frühjahrsumfrage nicht verändert. Immerhin wollen weiterhin 68 Prozent der Befragten in den nächsten sechs Monaten in ihr Unternehmen investieren, mehr als noch vor einem Jahr während der Energiekrise. Dennoch wird das langjährige Mittel von knapp 73 Prozent damit weiterhin verfehlt.
Zudem sorgen die wiederholten Krisen und die daraus resultierende anhaltende Konjunkturschwäche immer mehr dafür, dass der Jobmotor Mittelstand trotz des sich immer weiter verschärfenden Fachkräftemangels immer weniger auf Touren läuft. Der Saldo aus geplantem Personalaufbauplänen und Personalabbauplänen war im Herbst mit vier Zählern nur noch leicht positiv. Er liegt damit weit unter seinem langjährigen Durchschnittswert von fast zehn Zählern.
Positiv stimmt, dass sich der Mittelstand betriebswirtschaftlich noch immer in einer guten Verfassung befindet. Nach aktuellem Datenstand sank der Bilanzqualitätsindex im Jahr 2022 zwar gegenüber dem Vorjahr um 4,2 Punkte auf 146,7 Zähler. Der Rückgang fiel damit aber deutlich schwächer aus als 2021, als der Index im Zuge der Normalisierung nach den steigernd wirkenden Sondereffekten des Coronakrisenjahres 2020 um merkliche 7,7 Punkte zurückgegangen war. Die Bilanzqualität scheint sich damit auf erhöhtem Niveau zu stabilisieren.
Eine Branchenanalyse zeigt, dass die 2022 kriegsbedingt kräftig gestiegenen Energiepreise im Materialaufwand Spuren hinterlassen haben. Im Durchschnitt der betrachteten Mittelständler ist der Materialaufwand gegenüber dem Vorjahr um kräftige 14,1 Prozent gestiegen, wobei sich Unterschiede im Anstieg dieser Aufwandsposition teilweise mit branchenspezifischen Energieintensitäten erklären lassen. In den stärker im internationalen Wettbewerb stehenden Branchen des Verarbeitenden Gewerbes waren viele Unternehmen kaum in der Lage, die gestiegenen Energiekosten an die Kunden weiterzureichen. Hier gingen höhere Energieintensitäten zuweilen mit merklichen Rentabilitätsverschlechterungen einher. Insgesamt scheint die Ertragslage des Mittelstands durch die gestiegenen Energiepreise aber nur wenig beeinträchtigt. Die durchschnittliche Gesamtkapitalrentabilität legte gegenüber 2021 um 0,2 Prozentpunkte auf 10,2 Prozent zu.
Die Daten für die VR Mittelstandsumfrage wurden in der Zeit vom 18. September bis 16. Oktober 2023 über Telefon- und Onlineinterviews erhoben. Die Stichprobe von mehr als 1.000 Unternehmen ist repräsentativ; befragt wurden Inhaber und Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen in Deutschland. Grundlage für die VR Bilanzanalyse sind die Abschlüsse (Bilanzen und Erfolgsrechnungen), welche die mittelständischen Firmenkunden der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rahmen ihrer Kreditantragstellungen für die Jahre 2001 bis 2022 einreichten. Für das Jahr 2022 lagen bisher jedoch nur rund 7.000 Abschlüsse vor (2001 bis 2022: gut 2,4 Millionen).
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