29.03.2022 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Finanzdienstleister geben sich große Mühe, ihre Produkte entsprechend den neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen anzupassen, um für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Maximum an Flexibilität zu gewährleisten. Im Ergebnis sollen die Produkte, z. B. Prepaid-Kreditkarten und elektronische Gutscheine bzw. Gutscheinkarten nach neuem Recht, ähnlich flexibel sein wie Bargeld und dabei gleichzeitig die strengen, einschränkenden Auflagen des Gesetzgebers eingehalten werden. Hintergrund der gesetzlichen Neuregelung war bekanntermaßen die Abgrenzung von Geldzuwendungen und unechten Sachzuwendungen von echten Sachzuwendungen.
Weil bei diversen Finanzdienstleistern bei einzelnen vertraglichen Bedingungen immer noch Rechtssicherheit besteht und aufgrund der damit verbundenen möglichen steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen empfehlen diverse Finanzdienstleister ihren Kunden, sich durch entsprechende Anrufungsauskünfte bei ihrem Betriebsstättenfinanzamt abzusichern. Die Besorgnis ist dabei nicht unbegründet. Wenn das Finanzamt im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung feststellt, dass die vermeintlich gesetzeskonformen Sachzuwendungen tatsächlich als Geldzuwendungen zu qualifizieren sind, geht die Steuerfreiheit für Sachzuwendungen und Aufmerksamkeiten sowie die Pauschalierungsmöglichkeit für Sachzuwendungen nach § 37b EStG verloren. In der Rechtsfolge qualifiziert das Finanzamt den bislang steuerfrei belassenen Arbeitslohn in steuerpflichtigen Arbeitslohn um.
Weil es sich nicht um unbedeutende Einzelfälle, sondern um eine Vielzahl von Fällen handelt, in denen der Arbeitgeber regelmäßig wiederkehrend im Zweifelsfall steuerpflichtige Barlohnzuwendungen anstelle vermeintlich lohnsteuerfreier Sachzuwendungen gewährt, ist das hiermit verbundene Haftungsrisiko für den Arbeitgeber nicht zu unterschätzen.
Aufgrund der gesetzlichen Neuregelung muss der Arbeitgeber bezüglich des Warenangebots eine gewisse Vorauswahl treffen und den Anwendungsbereich der elektronischen Gutscheine einschränken. Im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung sind nur noch sog. Closed-Loop-Karten bzw. Controlled-Loop-Karten mit einem begrenzten Kreis von Akzeptanzstellen steuerlich begünstigt.
Im Gegensatz dazu sind sog. Open-Loop-Karten, die als Geldkarten im Rahmen unabhängiger Systeme des unbaren Zahlungsverkehrs ohne Beschränkung eingesetzt werden können sowie Gutscheine mit unbegrenzten Einlösungsmöglichkeiten seit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung zum 01.01.20 und Auslaufen der Übergangsregelung seit 01.01.22 steuerlich nicht mehr privilegiert.
In der Praxis hat sich herausgestellt, dass Arbeitnehmer mit Gutscheinkarten bestimmter Anbieter auch Fremdwährungen, also gesetzliche Zahlungsmittel, erwerben können. Gesetzliche Zahlungsmittel sind keine Sachzuwendungen und kommen entsprechend für die steuerliche Privilegierung nicht in Betracht. Weil die Kriterien des § 2 Absatz 1 Nummer 10 des Zahlungsdiensteaufsichtsgesetzes (ZAG) nicht erfüllt sind, liegt entsprechend keine Sachzuwendung, sondern eine Geldleistung vor (vgl. BMF-Schreiben vom 13.04.21). Die Sachbezugsfreigrenze sowie die Freigrenze für Aufmerksamkeiten kommen nicht zur Anwendung. Auch eine Pauschalversteuerung nach § 37b EStG darf nicht durchgeführt werden.
Es sind Fälle bekannt geworden, bei denen aufgrund der tatsächlichen Leistungsbeziehungen zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Händler und Gutscheinaussteller tatsächlich keine Sachzuwendungen, sondern Geldzuwendungen vorliegen.
Bei dieser Fallkonstellation erwerben Arbeitgeber bei einem Finanzdienstleister Gutscheine, die sie ihren Arbeitnehmern zur Verfügung stellen. Diese Gutscheine können vom Arbeitnehmer über eine App - indirekt - bei einem Händler eingelöst werden. Tatsächlich erwirbt der Arbeitnehmer die Waren oder Dienstleistungen bei einem Händler im Namen des Gutscheinanbieters auf eigene Rechnung. Zwischen dem Gutscheinanbieter und dem Händler bestehen keinerlei Rechtsbeziehungen. Der Gutscheinanbieter erstattet dem Arbeitnehmer nach Erwerb und Bezahlung der Ware beim Händler aufgrund der vertraglichen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber den vom ihm verauslagten Rechnungsbetrag, höchstens jedoch den Gutscheinwert.
Es handelt sich nicht um einen Gutschein, der die Voraussetzungen des § 2 Absatz 1 Nr. 10 Buchstabe b ZAG erfüllt, da die vom Finanzdienstleister ausgestellten Gutscheine nicht zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen aus einer sehr begrenzten Angebotspalette von Waren oder Dienstleistungen beim Arbeitgeber oder einem Dritten berechtigen. Es liegt kein Gutschein im eigentlichen Sinne vor, weil zwischen dem Finanzdienstleister und dem Händler keinerlei Rechtsbeziehungen bestehen.
Der Arbeitnehmer erwirbt bei Einlösung des vom Arbeitgeber erhaltenen Gutscheins über die App des Finanzdienstleisters aus zivilrechtlicher Sicht lediglich das Recht auf (anteilige) Erstattung seiner Aufwendungen für den Erwerb der Ware oder Dienstleistung vom Finanzdienstleister.
Es handelt sich daher nicht um steuerlich privilegierte Sachzuwendungen, sondern um steuerpflichtigen Barlohn. Nach Maßgabe von § 8 Absatz 1 Satz 2 EStG gehören nachträgliche Kostenerstattungen zu den Einnahmen in Geld.
Fortsetzung folgt
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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Bild: Negative Space (Pexels, Pexels Lizenz)