24.08.2021 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Streitig war, ob die Kosten des Arbeitgebers für die Arbeitnehmer, die ursprünglich an der Betriebsveranstaltung teilnehmen sollten oder die Kosten des Arbeitgebers für die Arbeitnehmer, die tatsächlich an der Betriebsveranstaltung teilgenommen haben, zugrundezulegen sind. Die gesetzliche Neuregelung zum 01.01.15, die im Widerspruch zur damaligen höchstrichterlichen Rechtsprechung stand, sollte eigentlich für Klarheit sorgen.
Nach § 19 Absatz 1 Nr. 1a EStG ist auf die Anzahl der (tatsächlich) teilnehmenden Arbeitnehmer abzuzielen. Im Gegensatz dazu hat das Finanzgericht Köln bereits mit Urteil vom 27.06.18, 3 K 870/17 klargestellt, dass für die Ermittlung des Umfangs der lohnsteuerpflichtigen Zuwendungen auf die Anzahl der tatsächlich angemeldeten Teilnehmer abzustellen ist. Spätere Absagen bzw. Nichterscheinen einzelner Arbeitnehmer führen nach Auffassung des Finanzgerichts zu keiner Bereicherung der verbleibenden Arbeitnehmer, die an der Betriebsveranstaltung teilnehmen und dürften insoweit auch nicht der Lohnversteuerung unterworfen werden.
Der Bundesfinanzhof hat sich mit Urteil vom BFH-Urteil vom 29.04.21 - VI R 31/18 der Auffassung des Finanzgerichts Köln entgegengestellt und vertritt zu Ungunsten des Arbeitgebers eine gänzlich andere Auffassung.
Der Bundesfinanzhof stellte klar, dass alle mit einer Betriebsveranstaltung in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Aufwendungen des Arbeitgebers in die lohnsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Nach Auffassung des Gerichts sind die Gesamtkosten des Arbeitgebers zu gleichen Teilen auf die bei der Betriebsveranstaltung anwesenden Teilnehmer aufzuteilen.
Im hier streitigen Sachverhalt führte ein Arbeitgeber eine Betriebsveranstaltung durch, zu der sich 27 Arbeitnehmer angemeldet haben. Tatsächlich teilgenommen haben jedoch nur 25 Arbeitnehmer. Die Gesamtkosten beliefen sich hierbei auf 3.052,35 Euro. Der Arbeitgeber ermittelte die lohnsteuerliche Bemessungsgrundlage mit 2.826,25 Euro. Dadurch ergab sich pro Arbeitnehmer ein lohnsteuerpflichtiger Betrag in Höhe von 113,05 Euro ./. 110 Euro Freibetrag = 3,05 Euro. Der steuerpflichtige Gesamtbetrag belief sich auf 76,25 Euro.
Das Finanzamt hingegen legte als lohnsteuerliche Bemessungsgrundlage den Gesamtbetrag in Höhe von 3.052,35 Euro zugrunde und ermittelte einen lohnsteuer-pflichtigen Betrag in Höhe von 122,09 Euro ./. 110,00 Euro Freibetrag = 12,09 Euro. Daraus resultiert ein steuerpflichtiger Gesamtbetrag in Höhe von 302,35 Euro.
Der streitige Betrag betrug also 226,10 Euro, welches zu einer steuerlichen Mehrbe-lastung von 56,53 Euro Lohnsteuer zuzüglich 3,11 Euro Solidaritätszuschlag führen sollte.
Der Bundesfinanzhof begründete seine Rechtsauffassung damit, dass es sich bei § 19 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a Satz 5 in Verbindung mit Satz 2 EStG um eine eigenständige Bewertungsvorschrift handelt, die die in ihrem Anwendungsbereich die Bewertung nach § 8 Absatz 2 Satz 1 EStG, also die Bewertung mit dem ortsüblichen Endpreis am Abgabeort, verdrängt.
Sich hierdurch ergebende unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe und daraus folgende unterschiedliche Ergebnisse bei der Bewertung einer Sachzuwendung sind nach Auffassung des Bundesfinanzhofs im Gesetz angelegt und vom Rechtsanwender daher hinzunehmen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes liegt insoweit nicht vor. Die gesetzliche Neuregelung, so der Bundesfinanzhof, dient der Steuervereinfachung. Hierzu darf sich der Gesetzgeber innerhalb eines weiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraums typisierender, generalisierender und pauschalierender Regelungen bedienen. Der Gesetzgeber ist dabei nicht gehalten, allen Besonderheiten des Einzelfalls durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Im Ergebnis ist die in § 19 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1a EStG geregelte Bemessungsgrundlage nicht zu beanstanden.
Leistungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Betriebsveranstaltung stehen, sind hingegen nicht zu berücksichtigen, siehe BFH-Urteil vom 13.05.2020 - VI R 13/18. Danach sind bei Betriebsveranstaltungen nur solche Kosten des Arbeitgebers in die lohnsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen, die geeignet sind, beim Arbeitnehmer einen geldwerten Vorteil auszulösen. Die Aufwendungen für einen Eventmanager sind insoweit nicht als Arbeitslohn zu berücksichtigen. Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Vorteile, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen, nicht als steuerpflichtiger Arbeitslohn anzusehen. Daher sind Leistungen, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Veranstaltung stehen und durch die der Arbeitnehmer deshalb nicht bereichert ist, z. B. Kosten der Buchhaltung oder für die Beschäftigung eines Eventmanagers, nicht in die Bewertung des geldwerten Vorteils einzubeziehen. Derartige Kosten erhöhen zwar die Kosten des Arbeitgebers, nicht aber den Vorteil, der dem Arbeitnehmer zufließt. Die Arbeitnehmer haben durch die Einschaltung eines Eventmanagers keinen Vorteil erlangt. Eine Bereicherung im lohnsteuerlichen Sinne liegt nicht vor. Zwar mögen die Eventmanager für eine professionelle Ausrichtung der jeweiligen Veranstaltungen gesorgt haben. Dies führt aber nicht zu einem geldwerten Vorteil für die Arbeitnehmer, der über die kostenlose Teilnahme an den jeweiligen Veranstaltungen hinausgeht.
Aus gesundheitlichen Gründen können insgesamt fünft Arbeitnehmer nicht am Sommerfest der Firma Sonnenschein teilnehmen. Als Ausgleich dafür entschließt sich der Arbeitgeber, allen Arbeitnehmern jeweils einen Restaurantgutschein zukommen zu lassen.
Der Arbeitgeber ordnet die hierbei entstandenen Kosten der Betriebsveranstaltung zu.
Die Kosten des Arbeitgebers sind keine Aufwendungen in Zusammenhang mit einer Betriebsveranstaltung. Der Arbeitgeber gewährt in diesem Zusammenhang in lohnsteuerlicher Hinsicht keinen Arbeitslohn aufgrund einer Betriebsveranstaltung. Es handelt sich vielmehr um steuerlich nicht privilegierte Ersatz-Zuwendungen. Daher kommen weder der Freibetrag nach § 19 EStG noch die Pauschalversteuerung gemäß § 40 Absatz 2 Nr. 1 in Betracht. Es handelt sich vielmehr um Arbeitslohn, der in vollem Umfang sowohl der Lohnversteuerung als auch der Verbeitragung zur Sozialversicherung zu unterwerfen ist. Etwas anderes gilt, wenn die betroffenen Arbeitnehmer das Essen im Rahmen einer Ersatz-Betriebsveranstaltung gemeinsam einnehmen.
Für den Juristen mag die neue BFH-Rechtsprechung einleuchtend sein. Für Otto und Ilse Normalverbraucher mag es mit gesundem Menschenverstand nur sehr schwer nachvollziehbar sein, warum die Abwesenheit von Arbeitnehmern, die ursprünglich an der Betriebsveranstaltung teilnehmen sollten, dann aber aus gesundheitlichen oder anderen privaten Gründen kurzfristig tatsächlich nicht an der Betriebsveranstaltung teilnehmen konnten, steuerliche Konsequenzen haben soll. Je mehr Arbeitnehmer, für die geplant und eingekauft wurde, erkranken, desto höher soll der Steueranspruch des Finanzamtes sein.
Es mag zutreffend sein, dass sich aufgrund der Corona-Krise und aufgrund des Freibetrags in Höhe von 110 Euro eher geringe steuerliche Auswirkungen ergeben. Gleichwohl zeigt die neue BFH-Rechtsprechung wieder einmal die Grenzen der Steuergerechtigkeit auf. Das ist die Quadratur des Kreises, nämlich der alltägliche Spagat zwischen Verwaltungsvereinfachung und Steuergerechtigkeit.
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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