11.02.2020 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer KG, die über ihre Organgesellschaften im Streitjahr (2004) Spielhallen betrieb, in denen Umsätze mit Geldspielgeräten und Umsätze mit Unterhaltungsspielgeräten ausgeführt wurden. Die konzessionierte Fläche für die Spielhallen betrug insgesamt 83 720 qm, wovon die KG eine Teilnutzfläche von 15 043 qm (17,97 %) für Umsätze mit Geldspielgeräten nutzte und die Restfläche von 82,03 % für Umsätze mit Unterhaltungsspielgeräten verwendete. Die Geldspielgeräte waren in jeder Spielhalle entweder an den Außenwänden oder an den deckenhoch eingezogenen, teilweise aus Gipskartonmetallständerwänden bestehenden Zwischenwänden hängend befestigt. Dem Einbau der Zwischenwände lagen teilweise Baugenehmigungen zugrunde. Der Geldspielgerätebereich hatte keinen separaten unmittelbaren Zugang zum jeweils für das Publikum zugänglichen straßenseitigen Spielhalleneingang. Der allgemeine Eingangsbereich musste passiert werden, um die vom Geldspielgerätebereich wie auch vom Unterhaltungsspielgerätebereich räumlich abgetrennten Abstellräume oder Personalräume zu erreichen. Die Kassenbereiche waren so gestaltet, dass die dort tätige Kraft die Gesamtaufsicht für die Halle einschließlich des Bereichs der Geldspielgeräte wie auch der übrigen Hallenfläche führte und Token für die Unterhaltungsspielgeräte und Erfrischungen verkaufte. Die für das Publikum vorgehaltenen Toiletten konnten die Nutzer der Geldspiel- wie der Unterhaltungsspielgeräte gleichermaßen aufsuchen.
Im Rahmen einer Außenprüfung beantragte die KG, die zuvor versteuerten Umsätze aus dem Betrieb von Geldspielgeräten unter Berufung auf das Unionsrecht steuerfrei zu behandeln. Während der Außenprüfung beantragte die KG zudem, die Vorsteuerbeträge aus den Kosten für die Spielhallen, soweit sie nicht direkt den steuerpflichtigen Umsätzen mit Unterhaltungsspielgeräten oder den steuerfreien Umsätzen mit den Geldspielgeräten zugeordnet werden konnten, nach den Nutzflächen für die Geldspielgeräte im Verhältnis zu den Nutzflächen für die Unterhaltungsspielgeräte aufzuteilen. Dieser Nutzflächenschlüssel sollte insbesondere für Vorsteuerbeträge aus Mietkosten und Mietnebenkosten für das jeweilige Geschäftslokal gelten.
Im Rahmen der Außenprüfung ging der Prüfer davon aus, dass aufgrund der geltend gemachten Steuerfreiheit für die Umsätze mit den Geldspielgeräten eine Vorsteueraufteilung vorzunehmen sei. Er sah dabei nur einen Umsatzschlüssel als sachgerecht an und wies dabei darauf hin, dass in "den Fällen der gemieteten Spielhallen … die Aufteilung nach Nutzungsflächen sowohl an den tatsächlichen Gegebenheiten, als auch an den besonderen (betriebs-)wirtschaftlichen Verhältnissen" scheitere. Die relativ hohen Mieten für die Spielhallen erklärten sich nach seiner Auffassung nur aus den höheren Umsätzen des Geldspielgerätebereichs.
Das beklagte FA setzte die Umsatzsteuer 2004 mit Bescheid vom 01.12.2008 entsprechend den Feststellungen der Außenprüfung auf der Grundlage eines Umsatzschlüssels für die nicht direkt zuordenbaren Vorsteuerbeträge fest. Dabei ging es von einem Umsatzverhältnis von 70 % steuerfreien Umsätzen mit den Geldspielgeräten zu 30 % steuerpflichtigen Umsätzen mit den Unterhaltungsspielgeräten aus, so dass sich eine für die Klägerin ungünstigere Vorsteueraufteilung ergab.
Hiergegen legte die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin der KG Einspruch ein, mit dem sie eine Aufteilung nach dem Flächenschlüssel begehrte und den das FA durch Einspruchsentscheidung vom 15.11.2012 als unbegründet zurückwies. Die Klage zum FG hatte keinen Erfolg. Nach dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2018, 249 veröffentlichten Urteil ist die Vorsteueraufteilung nach Umsätzen und nicht nach Flächen durchzuführen.
Die Revision der Klägerin ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet (BFH Urteil vom 23.10.2019, V R 46/17). Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Das FG hat keine Feststellungen zu der gegenüber der Vorsteueraufteilung vorrangigen Frage getroffen, ob und inwieweit überhaupt eine gesetzlich geschuldete Steuer als Grundvoraussetzung des Vorsteuerabzugs vorliegt. Darin liegt ein Rechtsfehler. Denn nach § 15 Abs. 4 UStG aufteilbar sind nur gesetzlich geschuldete Vorsteuerbeträge.
Die Vorsteueraufteilung i. S. von § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG für von anderen Unternehmern bezogenen Leistungen setzt voraus, dass die Vorsteuerbeträge für diese Leistungen gesetzlich entstanden sind. Verwendet der Unternehmer Eingangsleistungen nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, ist gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG der Teil der Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Der von § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG verwendete Begriff der Vorsteuerbeträge entspricht dem in § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG und setzt daher voraus, dass die in dieser Vorschrift genannten Abzugsvoraussetzungen vorliegen. Hierzu gehört beim Vorsteuerabzug aus von anderen Unternehmern bezogenen Leistungen, dass die für diese Leistungen in Rechnungen ausgewiesene Steuer i. S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG "gesetzlich geschuldet" wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Leistung bereits dem Grunde nach steuerpflichtig ist oder ob sich die Steuerpflicht erst daraus ergibt, dass der leistende Unternehmer im Fall der Steuerfreiheit wirksam auf die Steuerfreiheit nach § 9 UStG verzichtet hat. Ein Steuerausweis für eine steuerfreie Leistung, die zu einer Steuerschuld nach § 14c UStG führt, berechtigt demgegenüber nicht zum Vorsteuerabzug, so dass sich dann auch nicht die Frage nach einer Aufteilung gemäß § 15 Abs. 4 UStG stellt.
Danach ist das Urteil des FG aufzuheben. Im Streitfall fehlen mit Blick auf die von der Klägerin begehrte Steuerfreiheit Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Klägerin eine Vorsteueraufteilung für gesetzlich entstandene Vorsteuerbeträge begehrt. Die Vorsteueraufteilung, die zwischen den Beteiligten streitig ist, bezieht sich insbesondere auf Vorsteuerbeträge aus von anderen Unternehmern bezogenen Vermietungsleistungen, die nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfrei und nur aufgrund eines wirksamen Verzichts gemäß § 9 UStG steuerpflichtig sind. Die von der Klägerin bezogenen Vermietungsleistungen führen nur bei einem wirksamen Verzicht zu einer gesetzlich geschuldeten Steuer und damit zu abzugsfähigen Vorsteuerbeträgen. Deshalb sind vor der Prüfung einer Vorsteueraufteilung Feststellungen darüber zu treffen, ob und inwieweit gesetzlich geschuldete Vorsteuerbeträge überhaupt vorliegen. Denn nach § 9 Abs. 2 Satz 1 UStG ist der Verzicht auf die Steuerfreiheit der Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken (§ 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG) nur zulässig, soweit der Leistungsempfänger das Grundstück ausschließlich für Umsätze verwendet oder zu verwenden beabsichtigt, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Hierauf kommt es im Streitfall an. Denn wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat bestätigt hat, beruhen die Vorsteuerbeträge, um deren Aufteilung es hier geht, im Wesentlichen auf der Anmietung von Räumlichkeiten für den Betrieb der Spielstätten, welche die KG sowohl für die steuerfreien Geldspielautomatenumsätze als auch für die steuerpflichtigen Unterhaltungsspielautomatenumsätze verwendete. Die Parteien der Mietverträge gingen von einem gemäß § 9 Abs. 2 UStG wirksamen Verzicht für die Steuerfreiheit der Vermietung nach § 4 Nr. 12 UStG aus.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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