16.01.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Ernst & Young GmbH.
Auch die Anzahl der Finanzierungsrunden reduzierte sich 2023 im Vergleich zum Vorjahr: 861 Deals bedeuten 15 Prozent weniger Abschlüsse als 2022 (1.008).
Die aktuellen Zahlen erklären sich auch durch den Rückgang großer Deals von mehr als 100 Millionen Euro: Waren es im Jahr 2022 noch 19 Mega-Investments sank die Zahl auf acht Groß-Finanzierungen im vergangenen Jahr. 2021 waren sogar 33 derartig große Finanzierungsrunden gezählt worden.
Hoffnung macht allerdings unter anderem der Blick in die Halbjahreszahlen: So lag das Finanzierungsvolumen im zweiten Halbjahr mit rund 3,0 Milliarden Euro nur noch geringfügig niedriger als im ersten Halbjahr (knapp 3,1 Milliarden Euro).
Das zeigt das Startup-Barometer der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Die Studie basiert auf einer Analyse der Investitionen in deutsche Startups. Als Startups werden dabei grundsätzlich Unternehmen gewertet, die nicht älter als zehn Jahre sind.
Investoren agieren nach wie vor sehr zurückhaltend und legen ihr Geld selektiv an. Das Umfeld ist geprägt durch Inflation, hohe Zinsen, die schwierige geopolitische Weltlage und eine schwache Konjunkturentwicklung. Um auch in diesen schwierigen Zeiten an frisches Kapital zu kommen, reichen für Jungunternehmen gute Ideen allein nicht mehr aus. Solide und gut durchdachte Geschäftsmodelle in Verbindung mit realistischen Umsatzprognosen und der Aussicht auf Profitabilität sind in den Augen der Geldgeberinnen und Geldgeber aktuell das A und O. — Dr. Thomas Prüver, Partner bei EY
Laut Prüver hat die derzeitige Finanzierungsflaute auch etwas Gutes: „Die Startups, die heute entstehen, wachsen und frisches Geld erhalten, haben die erste Bewährungsprobe schon bestanden und sich als widerstandsfähig erwiesen.“
Etliche Startups hätten im vergangenen Jahr gezeigt, dass es durchaus möglich war, große Investitionssummen zu erhalten, erklärt Prüver. So konnte die KI-Schmiede Aleph Alpha aus Baden-Württemberg im November 463 Millionen Euro an Risikokapital sammeln. Damit geht die größte Finanzspritze des Jahres zum ersten Mal seit 2019 und erst zum zweiten Mal seit Erhebungsbeginn nicht nach Berlin. Jungunternehmen aus der Hauptstadt sind vier Mal in den Top-Ten-Finanzierungsrunden des Jahres vertreten, ebenso häufig wie Startups aus Bayern. Komplettiert wird die Liste von einem Unternehmen aus Hamburg.
Dass der Vorsprung Berlins momentan schmilzt, zeigt sich auch bei den Investitionen insgesamt. Zwar erhielten Berliner Startups auch 2023 das meiste Kapital, mit fast 2,4 Milliarden Euro war es allerdings weniger als halb so viel wie noch vor einem Jahr. Berlins Marktanteil fällt von 50 auf nur noch 39 Prozent. Bayerische Startups erhielten etwas mehr als 1,7 Milliarden Euro, das sind zwar gut 600 Millionen Euro weniger als im Vorjahr, dennoch steigt ihr Marktanteil von 24 Prozent im Jahr 2022 auf aktuell 29 Prozent. Als einziges der Top-3-Bundesländer erhielten Startups in Baden-Württemberg 2023 mehr Risikokapital als im Jahr zuvor: Mit Zuflüssen von 736 Millionen Euro steht für 2023 damit ein Marktanteil von zwölf Prozent zu Buche (2022: sieben Prozent).
Doch nicht nur regional betrachtet gibt es zum Teil deutliche Unterschiede, wie gut Deutschlands Jungunternehmen sich in diesen wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten schlagen. Prüver: „Nicht alle Branchen und Bereiche sind gleichermaßen betroffen – einige, wenn auch wenige, konnten sich auch in der angespannten Marktlage stabil am Markt behaupten und Investoren überzeugen.“ So bleiben Energie-Startups mit Einnahmen von 998 Millionen Euro nur knapp unter dem Niveau des Vorjahres. Ähnlich stabil steht der Bereich E-Commerce da, hier wurden im vergangenen Jahr 633 Millionen Euro investiert und damit nur zwei Millionen Euro weniger als 2022.
Dem Topthema Künstliche Intelligenz geschuldet gab es das größte Investitionsvolumen bei Software-Startups: Etwas mehr als zwei Milliarden Euro flossen im vergangenen Jahr in diesen Bereich – 1,2 Milliarden Euro und somit 38 Prozent weniger als noch 2022. Während das Investitionsvolumen im Subsektor Saas (Software as a Service) sich mit einem Rückgang von 1,9 Milliarden auf 918 Millionen Euro fast halbierte, ging es im Subsektor Künstliche Intelligenz kräftig aufwärts: Das Investitionsvolumen stieg von 220 auf 943 Millionen Euro, die Zahl der Deals erhöhte sich dabei allerdings nur leicht: von 55 auf 61 Finanzierungsrunden.
Deutlich weniger Geld wurde in den Bereichen Mobility (538 Millionen Euro, minus 60 Prozent), FinTech (499 Millionen Euro, minus 62 Prozent) und Health (445 Millionen Euro, minus 50 Prozent) investiert.
Das Jahr 2023 war aus Sicht vieler Startups geprägt von Brückenfinanzierungen, bei großen Neuinvestitionen zeigten sich die Geldgeberinnen und Geldgeber im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zurückhaltender. Ein Zustand, der nicht zuletzt durch die anhaltende Ungewissheit mit Blick auf die Zinspolitik und die Konjunkturentwicklung anhalten dürfte. — Prüver
Das Startup-Ökosystem hierzulande sei dabei, sich neu zu sortieren und könne gestärkt aus der aktuellen Krise hervorgehen, so Prüver: „Neben Berlin gewinnen andere Startup-Regionen an Bedeutung und werden auch international immer sichtbarer. Zudem entwickelt sich der Technologie-Sektor zum wichtigen Wachstumsmotor – hier ist Deutschland gut aufgestellt. Übertreibungen aus den Boom-Jahren liegen jetzt hinter uns, Investoren sowie Gründerinnen und Gründer sind vorsichtiger und realistischer geworden. Einiges spricht dafür, dass die Talsohle bei der Startup-Finanzierung inzwischen erreicht ist und es in absehbarer Zeit wieder aufwärts geht.“
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