„Wucher!“ bleibt zulässige Kundenbewertung

10.10.2022  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Kundenbewertungen sind zweischneidig. Sie werden einerseits gerne in der Werbung eingesetzt, vor allem in der Online-Werbung. Andererseits versuchen Unternehmen immer wieder negative Bewertungen zu eliminieren. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs beschäftigt sich erneut mit den Grenzen der Zulässigkeit, erläutert von Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER.

Der BGH (Urt. v. 28.09.2022, VIII ZR 319/20) hatte über einen Unterlassungsanspruch eines Unternehmens zu entscheiden, mit der eine Kundenbewertung angegriffen wurde.
Ein Verbraucher bewertete einen Kauf bei eBay mit folgenden Worten: „Ware gut, Versandkosten Wucher!!“
Das Unternehmen sah darin eine unzulässige Bewertung, weil es in dem Teil „Versandkosten Wucher“ eine unzulässige Schmähkritik sah.

Das AG Weiden i.d. Oberpfalz wies in I. Instanz die Klage ab, weil es die Bewertung als eine von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerung sah. Die Berufungsinstanz des LG Weiden hob diese Entscheidung auf und verurteilte den Verbraucher zur Unterlassung.

Der Verbraucher habe eine nachvertragliche Nebenpflicht verletzt, die das Gericht in den AGB von eBay angesiedelt sah. Insbesondere verstoße die Bewertung gegen das Sachlichkeitsgebot aus § 8 Nr. 2 Satz 2 der eBay-AGB. Hieraus ergäbe sich nicht nur ein Abwehranspruch bei einer Schmähkritik, sondern auch bei „unsachlichen“ Bewertungen.

Grenze nicht überschritten

Dieser Auffassung des LG widersprach der BGH und hob das Urteil auf. Er entschied:

„Anders als das Berufungsgericht es gesehen hat, enthält die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 der eBay-AGB über die bei Werturteilen ohnehin allgemein geltende (deliktsrechtliche) Grenze der Schmähkritik hinaus keine strengeren vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren. […].“

Die Grenze zur Schmähkritik ist durch die Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ nicht überschritten.

Überzogene, ungerechtfertigte und ausfällige Kritik zulässig

„Wegen seiner das Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG beschränkenden Wirkung ist der Begriff der Schmähkritik nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Hinzutreten muss vielmehr, dass bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll.
Daran fehlt es hier. Bei der Bewertung „Versandkosten Wucher!!“ steht eine Diffamierung der Klägerin nicht im Vordergrund. Denn der Beklagte setzt sich – wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form – kritisch mit einem Teilbereich der gewerblichen Leistung der Klägerin auseinander, indem er die Höhe der Versandkosten beanstandet. Die Zulässigkeit eines Werturteils hängt nicht davon ab, ob es mit einer Begründung versehen ist.“

Fazit

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und wird von der Rechtsprechung hochgehalten. Unternehmen müssen auch ungerechtfertigte Meinungen aushalten. Es sind eben Meinungen und keine Tatsachenbehauptungen. Erst bei klaren Beleidigungen greift die Meinungsfreiheit nicht mehr. Bei (falschen) Behauptungen zu Tatsachen kann man erfolgreich Ansprüche durchsetzen. Möglich bleiben immer eigene Kommentare, die sachlich und professionell auf die Kritik eingehen sollten.

Bild: SPOTSOFLIGHT (Pixabay, Pixabay License)

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