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Berlin beschließt Mietendeckel – Verbot für Mieterhöhungen

10.02.2020  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Stiftung Warentest.

Das Abgeordnetenhaus in Berlin hat den sogenannten Mietendeckel beschlossen. Das „Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung“ tritt in den nächsten Tagen in Kraft. Die Senatsverwaltung kann und will den Mietenstopp sofort per Verwaltungsakt durchsetzen.

Vermieterverbände halten das Gesetz für verfassungswidrig. Neu: Vermieter können ihr Recht auf Nachzahlungen sichern, glauben Vermieteranwälte. Voraussetzung: Die Verfassungsrichter erklären das Gesetz von Anfang an für nichtig.

Mietenstopp im laufenden Vertrag

Das Gesetz gilt für fast alle frei vermieteten Berliner Mietwohnungen. Nur Wohnräume, die ab 1. Januar 2014 erstmalig bezogen wurden, bleiben außen vor. Ohnehin klar: Sozialwohnungen mit Mietpreisbindung sind nicht betroffen. Sofortige Folge des Gesetzes: Alle Mieten in Berlin sind auf den Stand vom 18. Juni 2019 eingefroren. An dem Tag hatte der Senat in Berlin Eckpunkte für das geplante Gesetz beschlossen und öffentlich bekannt gemacht. Hat es danach Mieterhöhungen gegeben, gelten diese nicht. Das gilt auch für bereits im Mietvertrag vereinbarte Erhöhungen (Staffelmieten). Mieten bleiben in jedem Fall beim Stand von Juni 2019. Der Mietendeckel gilt für 5 Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes.

Mietabsenkung bei überhöhter Miete

Bei sehr teuren Wohnungen können Mieter sogar die Absenkung von vor Juni 2019 vereinbarten Mieten verlangen. Die Grenze für eine solche überhöhte Miete liegt zwischen 4,37 Euro Miete je Quadratmeter für bis 1918 erbaute Wohnungen ohne Bad und Sammelheizung in einfacher Lage und 13,85 Euro Miete je Quadratmeter für 2003 bis 2013 fertiggestellte Wohnungen mit guter Ausstattung und Lage. Die Absenkung der Miete kann allerdings erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes gefordert werden.

Obergrenzen bei Neuvermietung

Außerdem setzt das Gesetz Obergrenzen für die Neuvermietung fest. Sie liegen zwischen 3,92 Euro Miete je Quadratmeter für Wohnungen, die bis 1918 erbaut wurden und kein Bad und Sammelheizung haben, und 9,80 Euro Miete je Quadratmeter Wohnungen, die zwischen 2003 und 2013 fertiggestellt wurden. Die vollständige Liste gibt es auf der Internetseite der Senatsverwaltung.

Für einfach gelegene Wohnungen gibt es Abschläge, für gut gelegene Wohnungen Aufschläge. Für gut ausgestattete Wohnungen ist pauschal 1 Euro mehr Miete zulässig. Diese Obergrenzen werden relevant, wenn die Miete, die der Vormieter im Juni 2019 gezahlt hat, über der neuen gesetzlichen Obergrenze liegt. Liegt sie tiefer, ist die für Juni 2019 gezahlte Miete die maßgebliche Grenze und auch der neue Mieter muss nicht mehr zahlen. Neumieter sollten die Miete des Vormieters beim Vermieter erfragen

Unterschiedliche Behandlung von Bestands- und Neumietern

Aus Sicht der Juristen bei test.de ist eine Regelung des Gesetzes widersprüchlich: Bei Mietverträgen, wonach schon im Juni 2019 eine Miete jenseits der neuen gesetzlichen Obergrenze zu zahlen war, kommt eine Absenkung der Miete nur auf Höhe der Obergrenze plus 20 Prozent und das auch erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes in Frage. Bei Abschluss eines neuen Mietvertrags nach Inkrafttreten des Gesetzes dagegen gilt sofort die Obergrenze ohne Zuschlag. Mit anderen Worten: Als Altmieter muss ich nach dem Gesetz für die gleiche Wohnung bis zu 20 Prozent mehr zahlen, als der Vermieter von einem neuen Mieter verlangen darf.

Auf Nachfrage von test.de erklärt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen dazu wörtlich: „Die unterschiedliche Behandlung von Bestandsmietverhältnissen und Neuvermietungen trägt dem stärkeren Vertrauensschutz der Vermieterinnen und Vermieter an bereits getroffenen Vereinbarungen Rechnung.“

Durchsetzung des Mietendeckels

Für die Durchsetzung des Mietenstopps und der Mietobergrenzen sind die Bezirksämter und für die Mietabsenkungen die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen verantwortlich. Vermietern, die gegen die Regelungen des neuen Gesetzes verstoßen, drohen hohe Bußgelder.

Berliner Verwaltung will handeln

Mehr noch: Die Berliner Behörden können Vermieter per Verwaltungsakt in die Pflicht nehmen, nicht gegen das Gesetz zu verstoßen. Sie können den Vermieter also zwingen, vom Mieter nicht mehr zu verlangen, als nach Gesetz zulässig. test.de hat bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bauennachgefragt, wie die Behörde das Gesetz versteht. Auszug aus der Antwort: „Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (...) ist danach insbesondere in der Lage, Verwaltungsakte zu erlassen, die das Verbot des § 5 Absatz 1 (Anm. der Redaktion: Mietpreisüberhöhung) bezogen auf den Einzelfall wiederholen, und diese Verwaltungsakte zu vollstrecken. Von dieser Handlungsmöglichkeit wird unser Haus auch Gebrauch machen. Anders als zuletzt vielfach in den Medien verlautbart, wird die Durchsetzung des Verbots überhöhter Mieten also nicht allein von den Mieterinnen und Mietern abhängen.“ Das gleiche gilt dann entsprechend für die Bezirksämter und die Durchsetzung der Miet-Obergrenzen für die Neuvermietung.

Zweifel an Verfassungsmäßigkeit

Allerdings: Vermieterverbände und Teile der Juristen halten das neue Gesetz für verfassungswidrig. Das Einfrieren der Mieten und die staatliche Verordnung von Obergrenzen für die Miete stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff ins Eigentum dar. Außerdem habe das Land Berlin gar nicht die Gesetzgebungskompetenz, nachdem der Bund im Bürgerlichen Gesetzbuch Regelungen über die zulässige Höhe der Miete getroffen habe. test.de hält für offen, wie die Verfassungsrichter entscheiden werden.

Sofortige Zwangsgelder und Zwangshaft möglich

Allerdings: Die Berliner Behörden können Vermieter zwingen, das Gesetz sofort zu beachten. Mietendeckel-Bescheide sind von Gesetzes wegen sofort vollziehbar. Das heißt: Auch wenn Vermieter Widerspruch einlegen und klagen, müssen sie die neuen Mietgrenzen dennoch sofort beachten. Tun sie es nicht, können die Berliner Behörden Zwangsgelder und sogar Zwangshaft verhängen, um Vermieter zur Einhaltung des Gesetzes zu zwingen.

Nachzahlungen bei Verfassungswidrigkeit?

Unklar ist, ob unter welchen Voraussetzungen Vermietern Nachzahlungen zustehen, wenn die Verfassungsrichter das Gesetz für von Anfang an nichtig erklären. Die Juristen der Stiftung Warentest neigen zu der Ansicht: Das geht nicht. Sie sehen Vermieter gezwungen, die Mieten auf Mietendeckelniveau zu senken. Vermieterjuristen und -anwälte wie Hans-Joachim Beck und Tobias Scheidacker sind anderer Meinung. Verboten sei es nur, mehr als im Mietendeckel-Gesetz vorgesehen zu kassieren. Die Mietverträge blieben unberührt. Vermieter dürften sogar wie im Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehen die Zustimmung zu Mieterhöhungen fordern. Wenn die Verfassungsrichter das Mietendeckel-Gesetz aufheben, müssen Mieter danach zahlen und zwar auch rückwirkend.

Welche Auffassung sich durchsetzt, bleibt abzuwarten. Mietern bleibt nur, sicherheitshalber möglichst viel Geld zurückzulegen.

Tipps für Mieter in Berlin

  • Prüfung: Prüfen Sie, ob Sie möglicherweise mehr bezahlen als zulässig. Das geht über die
  • Schreiben an den Vermieter: Warten Sie, bis das neue Gesetz am (aktuell noch nicht bekannten) Tag nach der Verkündung in Kraft tritt. Wenn Sie möglicherweise mehr bezahlen als nach Mietendeckel zulässig, schreiben Sie sofort an Ihren Vermieter: „Ich vermute, dass die Miete, die ich an Sie zahle, nach den neuen gesetzlichen Regelungen in Berlin nicht zulässig ist. Hiermit fordere ich Sie auf, mir gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 2. Fall des Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung die zum Stichtag 18. Juni 2019 vereinbarte oder geschuldete Miete mitzuteilen. Ihre Antwort erwarte ich bis zum (Datum in zwei Wochen). Sollten Sie nicht rechtzeitig antworten, werde ich bei der zuständigen Behörde Unterstützung beantragen. Das gleich gilt, wenn Sie mir nicht entsprechend § 6 Abs. 4 des genannten Gesetzes fristgerecht Auskunft über die zur Berechnung der Mietobergrenze maßgeblichen Umstände erteilten. Ab sofort zahle ich die Miete nur noch unter Vorbehalt. Soweit möglich werde ich Erstattung von Beträgen verlangen, die das nach dem neuen Gesetz zulässige übersteigen.“
  • Schreiben ans Bezirksamt: Schreiben Sie an das für Ihre Wohnadresse zuständige Bezirksamt, wenn die Antwort des Vermieters ausbleibt: „Ich vermute, dass ich mehr Miete zahle, als nach den neuen gesetzlichen Regelungen in Berlin zulässig ist. Ich habe deshalb den Vermieter mit Frist bis zum (im Schreiben an den Vermieter genanntes Datum) aufgefordert, mir gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 2. Fall des Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung die zum Stichtag 18. Juni 2019 vereinbarte oder geschuldete Miete mitzuteilen. Der Vermieter hat darauf nicht geantwortet. Hiermit beantrage ich, mich bei der Durchsetzung der Regelungen in dem neuen Gesetz zu unterstützen und mir die erforderlichen Auskünfte zu verschaffen“. Schreiben Sie auch ans Bezirksamt, wenn der Vermieter zwar antwortet, aber Sie die Antwort für falsch halten. Formulierungsvorschlag: „Der Vermieter hat mir mitgeteilt, dass er nach dem Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung die aktuell von mir zu zahlende Miete in Höhe von NNN Euro (= N,NN Euro je Quadratmeter) für die zum Stichtag geschuldete oder vereinbarte Miete hält. Ich meine jedoch: Ich muss nur NNN Euro (= N,NN Euro je Quadratmeter) zahlen, weil...“. Fügen Sie stets eine Kopie des Mietvertrags sowie von Mieterhöhungsverlangen oder Modernisierungsankündigungen bei.
  • Mietzahlung: test.de rät Ihnen davon ab, die Miete im Hinblick auf den Mietendeckel nicht mehr vollständig zu zahlen. Wird der Mietendeckel für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt, droht Ihnen die Kündigung des Mietvertrags wegen Zahlungsverzugs.
  • Mietabsenkung: Wenn Sie eine Miete von mehr als 20 Prozent über der Mietendeckel-Obergrenze zahlen, haben Sie Anspruch auf Absenkung der Miete – allerdings erst neun Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes. Zuständig ist die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Bauen. Wenn die Verwaltung nach Ihrem Antrag dem Vermieter verbietet, die überhöhte Miete weiterhin zu kassieren, dann kann der Vermieter zwar noch Widerspruch einlegen. Doch das Verbot ist sofort vollziehbar. Er darf eine nach dem Gesetz verbotene Miete nicht weiter kassieren.
  • Sofortige Mietabsenkung: Sie haben theoretisch eine Chance auf sofortige Absenkung von bereits im Juni 2019 gezahlter Miete auf die Mietendeckel-Obergrenze. Dazu müssen Sie allerdings Ihren Mietvertrag kündigen und die Wohnung neu anmieten. Praktisch dürfte das ausgeschlossen sein. Sie haben keinen Anspruch, dass Ihnen Ihr Vermieter die Wohnung neu vermietet. Eine Option ist der Versuch der Mietsenkung per Kündigung allenfalls dann, wenn Sie über eine Ersatzwohnung verfügen.
  • Neuabschluss: Wenn Sie eine Wohnung ab Inkrafttreten des Gesetzes neu anmieten, dann müssen Sie nicht mehr zahlen, als entweder im Juni 2019 für die Wohnung zu zahlen war, oder es der Obergrenze im neuen Gesetz entspricht – je nachdem, welcher Betrag geringer ist.
  • Selbsthilfe: Sie können den Mietendeckel auch selbst durchsetzen. Das geht zivilrechtlich, also über Vereinbarungen mit dem Vermieter oder über das Amtsgericht. Sie müssen dann nicht darauf vertrauen, dass die Berliner Behörden tätig werden. Mit einer geeigneten Vereinbarung oder einem rechtskräftigen Urteil im Rücken sind Sie dann auch vor Nachzahlungsansprüchen sicher, wenn die Verfassungsgerichte das Mietendeckel-Gesetz später für verfassungswidrig erklären. Als Mitglied im Mieterverein oder Kunde einer Rechtsschutz mit Deckung auch für Mietstreitigkeiten müssen Sie dafür nichts zahlen. Kostenlos ist auch die Einschaltung von wenigermiete.de. Das Legaltech-Unternehmen setzt den Mietendeckel für Sie durch, notfalls auch gerichtlich. Sie müssen für die Dienste nur zahlen, wenn Ihre Miete tatsächlich sinkt. Sie zahlen dann ein Drittel der Ersparnis fürs erste Jahr als Provision. Das Mietbrems-Angebot des Unternehmens hatte test.de seinerzeit im Schnelltest Wenigermiete.de: Mietpreisbremse per Inkasso durchsetzen als erfolgversprechend und fair bewertet. Das Mietendeckel-Angebot haben wir nicht untersucht.

Tipps für Vermieter in Berlin

  • Wahrung Ihrer Rechte: Sobald das Gesetz am Tag nach der Verkündung in Kraft tritt, sollten Sie prüfen, ob Sie die Regelungen einhalten. Soweit Sie Mieten jenseits des dort zulässigen kassieren: Prüfen Sie, ob Sie dabei bleiben oder Sie sich mit dem Gesetz abfinden wollen. Falls Sie weiter mehr Miete verlangen möchten und das Gesetz für verfassungswidrig halten, sollten Sie gegen etwaige Bescheide des Bezirksamts oder der Senatsverwaltung stets fristgerecht Widerspruch einlegen und vors Verwaltungsgericht ziehen, wenn die Widerspruchsbehörde den Bescheid bestätigt. Allerdings: Ihr Widerspruch und Ihre Klage haben keine aufschiebende Wirkung. Das heißt: Die jeweils zuständige Behörde kann gegen Sie sofort Zwangsgelder und Zwangshaft verhängen, wenn Sie weiter mehr kassieren als nach dem Mietendeckelgesetz zulässig ist.
  • Chance auf Nachzahlungen: Manche Juristen meinen: Sie können sich als Vermieter das Recht auf Nachzahlungen für den Fall sichern, dass die Verfassungsrichter das Mietendeckel-Gesetz später für verfassungswidrig erklären. Sie können danach sogar neue Verträge mit einer höheren Miete als nach Mietendeckelgesetz zulässig abschließen. Tipps dazu finden sie etwa in einem Blogbeitrag von Rechtsanwalt Tobias Scheidacker und in einem Artikel der Zeitschrift Das Grundeigentum. Lassen Sie sich im Zweifel von einem Rechtsanwalt beraten. Formulierungsfehler können Sie teuer zu stehen kommen.
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