19.11.2019 — Matthias Wermke. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Treue Leser*innen unserer Rubrik „Mietrecht kurios“ werden wissen, dass immer wieder Tiere im Mittelpunkt der Fälle stehen, von denen wir hier erzählen, seien es trojanische Pferde in Katzengestalt oder Wildschweine, die in Vorgärten gehalten werden. Dass das in einer solchen Frequenz Thema ist, liegt nicht am entsprechenden Faible der Redaktion.
Vielmehr sind die Deutschen bekannt dafür, große Begeisterung für Tiere zu hegen. Nicht zuletzt wird Deutschland als Land der Dichter, Denker und Dackel bezeichnet. Doch ist uns nicht nur die Liebe zum Hund zu eigen. So ist das am weitesten verbreitete Haustier mit einer Anzahl von 14,8 Millionen Exemplaren in deutschen Haushalten die Katze.
Doch wann ist eigentlich der Punkt erreicht, dass man von einer hobbymäßigen Haltung nicht mehr sprechen kann? Ab welchem Zeitpunkt sind es einfach zu viele Tiere?
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte sich Mitte des Jahres genau mit dieser Frage auseinanderzusetzen. In dem vorliegenden Fall verkannte der Beklagte sich selbst jedoch nicht als Katzenhirten und Katzen selbst als Herdentiere, sondern wählte einen etwas elaborierteren Ansatz. So verwandelte der Eigentümer dessen Doppelhaushälfte samt Garten in ein wahres Zoogeschäft – frei nach dem Motto: „Von jeder Sorte zwei. Oder drei. Vielleicht auch vier.“ So ist von heimischeren Spezies wie Gänsen oder Hasen bis hin zu exotischeren Arten wie Papageien einiges dabei gewesen, was das Herz von Tierschützern besorgt aussetzen lässt.
Jedoch war es weniger die Artenvielfalt, an der dann die Nachbarn Anstoß nahmen, sondern vielmehr die unverhältnismäßige Anzahl an Tieren. Dadurch habe sich eine nicht hinnehmbare Geräusch- und Geruchsentwicklung ergeben, die sie dann letztlich zu rechtlichen Schritten bewogen.
Man muss kein*e PETA-Aktivist*in sein, um in der beschriebenen Haltung Unrecht zu erkennen. Und so dürfte es niemanden überraschen, dass auch das Verwaltungsrecht Stuttgart die Meinung des Klägers teilte und dem Beklagten die Haltung der Tiere in einem solche Maße untersagte.
Das eigentlich Interessante an diesem Urteil ist jedoch, welchen Maßstab das Gericht definierte, um dieses fällen zu können. So helfen einem hier nämlich keine nummerischen Richtwerte, wie z. B. „Die Anzahl Frettchen pro m² Gartenfläche darf nicht höher als zwei sein“, sondern die subjektive Wahrnehmung am Grundstück vorbeilaufender Passant*innen.
Klärung soll also folgendes Szenario bringen: Wenn Spaziergänger*innen den Garten passieren und währenddessen die jeweilige Haltung der Tiere in Augenschein: Welchen Eindruck haben sie? Wohnen hier Menschen, die den Anschein haben, harmlose Hobby-Kleintierbesitzer*innen zu sein oder sieht man hier bereits das Werk angehender Zoogeschäftsinhaber*innen, die die Tiere statt in reglementierten Unterbringungen bei sich zuhause leben lassen?
Doch welche Meinung vertreten überhaupt Durchschnittsspaziergänger*innen? Lässt sich aus der Tatsache, dass sie ihre Freizeit offenbar gerne damit verbringen, draußen zu sein, eine gewisse Naturverbundenheit schließen, aus der sich wiederum ein besonders strenges und wachsames Auge auf die Belange von Tieren ergibt? Oder lässt das Spazierengehen als eine möglicherweise etwas aus der Zeit gefallene Aktivität den Schluss zu, dass Spaziergänger*innen auch in Hinblick auf das Thema Tierhaltung ein eher konservatives bzw. altmodisches Bild vertreten, das weniger das Wohl der Tiere als den individuellen Nutzen des Menschen in den Mittelpunkt stellt?
Das Verwaltungsgericht Stuttgart scheint sich jedoch erhaben über solch definitorische Kleinigkeiten zu fühlen und bemüht gefühlte Wahrheiten zur Urteilsfindung. Dass dieses Vorgehen kein Scherz ist, zeigt, dass es sich um ein rechtskräftiges Urteil mit Aktenzeichen und allem Drum und Dran handelt.
Man darf gespannt sein, zur Beurteilung welchen Rechts bzw. Unrechts Spaziergänger*innen in Zukunft noch konsultiert werden.
Gericht: Verwaltungsgericht Stuttgart Aktenzeichen: 2 K 6321/18 Urteil vom: 10.05.2019
Bild: skeeze (Pixabay, Pixabay License)
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