11.02.2020 — Matthias Wermke. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Je länger wir ein bestimmtes Verhalten einüben und gewisse Muster wiederholen, desto stärker hängen wir an ihnen. Und je älter wir werden und Zeit hatten, uns zu gewöhnen, desto schwieriger ist es häufig, wenn mit der Gewohnheit gebrochen werden soll.
Manchmal führt eine nahende Veränderung auch dazu, dass die Emotionen hochkochen und wahre Fehden ausbrechen können. Ein Streit dieser Art ging jüngst sogar so weit, dass sich der Bundesgerichtshof als oberstes Gericht der Republik damit zu befassen hatte. Welches Unrecht hatte sich zugetragen, dass diese altehrwürdige Instanz bemüht werden musste?
Ausgangssituation der Streitigkeit waren drei nebeneinander liegende Grundstücke, auf denen aneinandergrenzende Häuser und baurechtlich nicht genehmigte Garagen standen. Um eine dieser Garagen zu erreichen, nahm ein Hauseigentümer stets den Weg über das Nachbargrundstück. Das war nun schon seit Jahrzehnten Praxis und nie störte sich jemand daran.
Doch eines Tages zog eine neue Eigentümerin in das Haus, die im Gegensatz zu den Vorbesitzern die fremde Nutzung ihres neuen Grundstücks nicht akzeptieren wollte. Also kündigte sie ihrem Nachbarn das „über 30 Jahre bestellte, schuldrechtliche Wegerecht“, machte ihre Absichten klar, den Weg fortan zu sperren und ließ ihren Worten Taten folgen, indem sie mit dem Bau einer Toranlage begann.
Die Geschädigten waren von dem Vorgehen ihrer neuen Nachbarin natürlich alles andere als begeistert, hatte es all die Jahre doch nie Probleme mit der bisherigen Lösung gegeben. Daher beriefen sie sich auf zu ihren Gunsten bestehendes Wegerecht, hilfsweise auf ein Notwegerecht, um so die Schließung der Grenze wieder aufzuheben.
Und so kam es, dass sich der BGH mit diesem Fall auseinanderzusetzen hatte. Doch wie entschied er? Gab es wieder freien Weg für freie Nachbarn oder steht nun an der Grenze ein Tor, das als unüberwindliches Sinnbild für Veränderung die „Geschädigten“ zu neuen Gewohnheiten zwingt?
Im Urteilsspruch bezog sich das Gericht zunächst darauf, dass sich die Kläger nicht auf ein Gewohnheitsrecht berufen könnten. Denn nur aufgrund einer schuldrechtlichen Vereinbarung oder als Notwegerecht könne ein Wegerecht außerhalb des Grundbuchs entstehen. Daran ändere auch eine jahrzehntelang bestehende Übung nichts.
Und auch das Notwegerecht scheide in dem Fall aus. Denn die im hinteren Bereich der Grundstücke liegenden Garagen seien nicht baurechtlich genehmigt und mangels Erschließung zudem auch nicht genehmigungsfähig.
So kam es, dass die Entscheidung über den konkreten Fall an das Oberlandesgericht zurückverwiesen wurde und alles danach aussieht, dass die neue Besitzerin die fremde Nutzung ihres Grundstücks nicht mehr hinzunehmen hat, das Tor stehen bleibt und ihre Nachbarn sich auf zu neuen Wegen machen müssen. Doch wie sagte noch der große französische Dichter Molière: „Alle Sinneslust der Liebe liegt in der Veränderung.“
Urteil vom: 24.01.2020, Aktenzeichen: V ZR 155/18
Bild: WelshPixie (Pixabay, Pixabay License)
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