Kreditversicherer Atradius veröffentlicht internationale Umfrageergebnisse zu Auswirkungen einer neuen EU-Richtlinie gegen Zahlungsverzug, die heute [20.10.2010] im Europäischen Parlament verabschiedet werden soll.
- 43 Prozent der deutschen Unternehmen halten Änderung für wirkungslos,
ein Drittel erwartet sogar, dass sie demnächst länger auf ihr Geld warten
müssen
- In Ländern mit längeren Zahlungszielen trifft das Vorhaben auf deutlich
mehr Zustimmung
Deutsche Unternehmen stehen einer neuen EU-Richtlinie skeptisch
gegenüber, die europaweit einheitliche Zahlungsziele von maximal 60 Tagen für
gewerbliche und öffentliche Auftraggeber vorschreiben will. So lautet das
Ergebnis einer Umfrage des Kreditversicherers Atradius unter fast 4.000
Unternehmen in 22 Ländern.
43 Prozent der deutschen Unternehmen halten die Rechtsänderung, die das
Europäische Parlament heute beschliessen will, demnach für wirkungslos, ein
Viertel erwartet sogar negative Konsequenzen. Grund: Deutsche Unternehmen
setzen heute schon deutlich kürzere Zahlungsziele. Knapp ein Drittel der
Deutschen erwartet denn auch, dass ihre Kunden demnächst unter Berufung auf
die EU-Richtlinie versuchen werden, spätere Zahlungen durchzusetzen. "Die
EU-Richtlinie, die eigentlich vor allem kleine und mittelständische
Unternehmen vor säumigen Zahlern schützen soll, könnte einen gegenteiligen
Effekt haben und für eine Verschlechterung der Zahlungsmoral in Deutschland
sorgen", sagt Atradius Deutschland Chef Dr. Thomas Langen. Vorteile können
dabei nur die Unternehmen erzielen, die ihr Forderungsmanagement im Griff
haben. "Diese Unternehmen können längere Zahlungsziele dann auch als
Verkaufsargument nutzen", so Langen weiter.
Um steigende Umsätze im Aufschwung finanzieren zu können, nehmen die
Unternehmen gerne den Lieferantenkredit beim Geschäftspartner in Anspruch.
Laut aktuellem Atradius Zahlungsmoralbarometer wollen deutsche Unternehmen
nach durchschnittlich 19 Tagen bezahlt werden und erhalten nach rund 24 Tagen
ihr Geld. Damit zahlen die inländischen Unternehmen im Durchschnitt zwei Tage
später als noch im Frühjahr 2010. Ein Drittel der Befragten wurde um eine
Ausdehnung des Zahlungsziels gebeten, jedes fünfte Unternehmen bat den
Geschäftspartner um eine höhere Kreditlinie.
Deutsche im europäischen Vergleich pessimistisch
Länderübergreifend zeigten sich grössere Unternehmen (54 Prozent) und
Industriebetriebe (58 Prozent) im Hinblick auf die EU-Richtlinie
optimistischer als kleinere Firmen und Finanz- und
Dienstleistungsunternehmen. Die Deutschen gehören im europäischen Vergleich
in Bezug auf die Richtlinie zu den Pessimisten. Insgesamt erwarten 46 Prozent
aller international befragten Unternehmen positive Auswirkungen der
EU-Richtlinie auf ihr Geschäft. In Deutschland sind es nur 34 Prozent. Am
positivsten gestimmt sind Unternehmen aus Spanien (64 Prozent),
Grossbritannien (61 Prozent) und Italien (59 Prozent). "Spanien und Italien
gehören traditionell zu den Ländern mit den längsten Zahlungszielen", erklärt
Langen von Atradius. Ob die neue Richtlinie hier allerdings tatsächlich zu
schnelleren Zahlungseingängen führen wird, bezweifelt er. "Standardisierte
Zahlungsziele sind noch lange kein Garant dafür, dass Rechnungen auch
wirklich bezahlt werden." Laut aktuellem Atradius Zahlungsmoralbarometer
brauchen italienische Unternehmen durchschnittlich 58 Tage um ihre
Forderungen zu begleichen und damit fast doppelt so lang wie bisher
europaweit geregelt.
Über die EU-Richtlinie
Die neue Richtlinie soll ein EU-Regelwerk aus dem Jahr 2000 modifizieren.
Sie sieht unter anderem vor, dass die bisher geregelte Zahlungsfrist von 30
Tagen vertraglich auf maximal 60 Tage erhöht werden kann. Private Unternehmen
können zudem Zahlungsziele von mehr als 60 Tagen vereinbaren, wenn dabei
keinem der Geschäftspartner ein ungerechtfertigter Schaden entsteht. Um
speziell Handwerksbetriebe vor säumigen Zahlern zu schützen, wurde eine
30-Tage-Frist für die Abnahme von Leistungen eingeführt. Erst danach gilt das
Zahlungsziel von 30 bzw. 60 Tagen.
Über den Lieferantenkredit
In Deutschland ist der Lieferantenkredit eine der wichtigsten
Kreditformen überhaupt. Hierzulande leihen Lieferanten ihren Kunden durch die
Einräumung von Zahlungszielen rund 300 Milliarden Euro. Das ist mehr Geld als
deutsche Banken in Form von kurzfristigen Krediten zur Verfügung stellen.
Über die Studie
Für die aktuelle Studie wurden im Zeitraum Juni bis August 2010 über
3.900 Unternehmen aus allen Branchen in 22 Ländern nach den erwarteten
Auswirkungen der EU-Richtlinie befragt. Die Studie kann kostenlos unter
www.atradius.de heruntergeladen werden.
Über Atradius
Die Atradius-Gruppe bietet weltweit Kreditversicherung, Bürgschaften und
Inkasso-Dienste an und ist in 42 Ländern vertreten. Mit Gesamteinnahmen von
1,7 Milliarden Euro und einem weltweiten Marktanteil von 31 % unterstützt die
Atradius-Gruppe Unternehmen auf der ganzen Welt bei ihrem Wachstum, indem sie
sie vor Zahlungsrisiken aus Verkäufen von Waren und Dienstleistungen auf Ziel
schützt. Atradius hat mit 160 Büros Zugang zu Bonitätsinformationen über 52
Millionen Unternehmen weltweit und trifft täglich mehr als 22.000
Kreditlimitentscheidungen.
Quelle: Atradius / wallstreet:online