12.12.2019 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Stiftung Warentest.
Im Herbst 2017 sucht Manuel Wiegand seine erste eigene Wohnung in München. Der damals 20-Jährige hat seine Ausbildung zum Fachinformatiker abgeschlossen und möchte bei seinen Eltern ausziehen. Im Internet findet er auf dem Anzeigenportal Immobilienscout24 eine kleine Wohnung im Südwesten der bayerischen Hauptstadt. Das Angebot klingt fast zu gut: 42 Quadratmeter mit Balkon für 680 Euro warm. Er nimmt Kontakt mit der Vermieterin auf und besichtigt die Wohnung.
Sie ist noch bewohnt. Der aktuelle Mieter sei im Urlaub und müsse danach ausziehen, erklärt die Eigentümerin. Ein komisches Gefühl hat Wiegand nicht. Erst als die Vermieterin eine Kaution in Höhe von 2 000 Euro in bar verlangt, wird er skeptisch und hakt nach. Sie müsse sich absichern, so die Vermieterin. Sie habe so schlechte Erfahrungen mit dem Vormieter gemacht, er habe so viele Mietschulden bei ihr. Außerdem brauche sie die Kaution, um das Bad sanieren zu können.
Wiegand glaubt ihr und unterschreibt den Mietvertrag. Außerdem zahlt er die Kaution in bar. Ein Fehler, wie sich bald herausstellt. Es gibt gar keine Wohnung, die der junge Mann mieten kann. Die angebliche Eigentümerin hat es allein auf seine Kaution abgesehen. Mietkautionsbetrug heißt diese Masche. Sie nimmt vor allem in Großstädten zu, wo der Wohnungsmarkt extrem angespannt ist. Taten wie die in München gibt es – so berichten zunehmend Medien – auch in Berlin, Köln, Frankfurt und in kleineren Städten wie Göttingen und Gelsenkirchen.
Wochen vergehen, bis Wiegand erkennt, dass er einem Betrug aufgesessen ist. Mehrfach versucht er, seine neue Vermieterin zu erreichen, vergeblich. Auf keine seiner Anrufe und Nachrichten reagiert sie. Kurz vor seinem Umzug möchte Wiegand die Nummer des Stromzählers wissen. Er fährt zu seiner künftigen Wohnung und klingelt an der Tür. Der Mann, der ihm öffnet, weist ihn ab. Er ziehe nicht aus, so der Bewohner. Er habe der Frau, die sich Wiegand gegenüber als Eigentümerin ausgegeben hat, den Schlüssel nur gegeben, damit sie den Briefkasten leeren könne, wenn er im Urlaub ist.
Der Fachinformatiker fällt aus allen Wolken. „Die Frau, die mich empfangen hat, wirkte sehr überzeugend“, sagt der heute 22-Jährige. „Sie hat mir erzählt, dass die Wohnung ihr gehöre und sie sich das Geld dafür vom Munde abgespart hätte. Das habe ich ihr geglaubt.“ Der Münchner zögert nicht und erstattet Anzeige bei der Polizei. Dort ist die Täterin bekannt. Gegen sie liegen schon mehrere Anzeigen wegen Betrugs vor. Ihre Masche ist immer dieselbe. Die Frau bietet Wohnungen im Internet an und verabredet sich mit Interessenten zu Besichtigungen. Sie nutzt drei Adressen in verschiedenen Stadtteilen und gibt sich als Eigentümerin der Wohnungen aus. Tatsächlich gehören sie nicht ihr, sondern Bekannten.
Häufiger ist eine andere Betrugsmasche. Sie ist besonders leicht umzusetzen: Auf Internetportalen wie Immobilienscout24, Immowelt oder Immonet.de werden Mietwohnungen annonciert, die gar nicht existieren. Die Inserate locken mit niedrigen Mieten und gut gemachten Fotos. Wer Interesse hat und Kontakt aufnimmt, erhält meist eine Antwort auf Englisch oder in schlechtem Deutsch. Darin heißt es, die Eigentümer seien berufsbedingt oder aus anderen Gründen im Ausland und können daher nicht für eine Besichtigung vor Ort sein. Stattdessen wird den Interessenten angeboten, entweder direkt Mietvertrag und Schlüssel zugeschickt zu bekommen oder nur den Schlüssel zu erhalten, um sich die Wohnung allein ansehen zu können. Bedingung: Interessenten müssen vorab eine Mietkaution von drei Monatsmieten überweisen, etwa über Zahlungsdienstleister wie Western Union oder Moneygram.
Eine neuere Variante der Masche: Der mutmaßliche Vermieter gibt vor, für eine Besichtigung nach Deutschland reisen zu wollen. Vorab möchte er aber eine Kaution, damit er nicht Gefahr laufe, die Reise umsonst anzutreten.
Noch abgebrühter gehen Täter vor, die auf Internetportalen wie Airbnb Ferienwohnungen anmieten und sie als Mietwohnungen inserieren. Solche Angebote machen einen besonders seriösen Eindruck. Meist sind Bilder, Lageplan und Grundriss beigefügt. Wohnungssuchende, die sich melden, führt ein angeblicher Eigentümer oder Makler vor Ort durch das Objekt. Wenig später erhalten Interessenten eine E-Mail, dass sie die Wohnung bekommen würden. Nun sei die Kaution fällig. In manchen Fällen verlangen die Täter auch noch eine Ablöse für eine Einbauküche. In der Regel soll beides sofort überwiesen werden. Die vermeintlichen Mieter fallen auf die Masche rein und verlieren auf diese Weise oft mehrere Tausend Euro.
Wie Wohnungssuchende sich vor Kautionsbetrug schützen, weiß Claus Deese, Vorsitzender des Deutschen Mieterschutzbunds (Mieterschutzbund.de). Seit 30 Jahren ist er in der Mieterberatung tätig. Sehr günstige Angebote in beliebten Wohnlagen sollten in jedem Fall die Alarmglocken klingeln lassen, sagt der Experte. Schnäppchen auf dem aktuellen Wohnungsmarkt gebe es nicht, so Deese. Allerhöchste Vorsicht sei außerdem geboten, wenn Vorauszahlungen verlangt würden, egal, in welcher Höhe. „Sobald es heißt, vorab Geld auf den Tisch legen, ohne den Schlüssel oder die Wohnung zu haben, sollte man die Finger davon lassen“, sagt der Jurist. „Es gibt keine Vorkasse im Mietrecht.“
Das Bürgerliche Gesetzbuch macht klare Vorgaben zum Thema Mietkaution. Mieter müssen nur dann eine Kaution zahlen, wenn im Mietvertrag eine solche Sicherheit vereinbart worden ist. Sie darf nicht höher als drei Nettokaltmieten (Monatsmiete ohne Betriebskosten) sein. Der Vermieter darf zunächst nur eine Rate verlangen und diese auch erst zu Beginn des Mietverhältnisses, also bei Einzug und Übergabe der Schlüssel.
Manuel Wiegand hat inzwischen eine Wohnung gefunden. Die Frau, die ihn und viele andere Wohnungssuchende geprellt hat, sitzt hinter Gittern. „Das Verfahren gegen die Angeklagte ist rechtskräftig abgeschlossen“, erklärt Anne Leiding, Oberstaatsanwältin und Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft München I, gegenüber Finanztest. „Sie wurde wegen Betrugs in 85 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.“ Den Geschädigten hilft das nur wenig. Ihr Geld werden sie wohl nicht wiedersehen.
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