19.03.2013 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Landgericht München.
Das Urteil des Amtsgerichts München vom 29.12.2011 war aufzuheben und der angefochtene Eigentümerbeschluss 24.2011 vom 5. Mai 2011 für ungültig zu erklären. Dies ergibt sich aus § 22 Abs. 1 WEG, wonach baulich Veränderungen nur beschlossen werden können, wenn alle Eigentümer zustimmen, die durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus benachteiligt werden. Dies ist hier nicht der Fall; die Kläger haben nicht zugestimmt.
Bei dem beschlossenen Farbkonzept hinsichtlich des Neuanstrichs der Fassade handelt es sich um eine unter § 22 Abs. 1 WEG fallende Maßnahme, also um eine bauliche Veränderung, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinaus geht. Zu den baulichen Veränderungen gehören insbesondere Veränderungen an der äußeren Gestaltung des Gebäudes also des architektonisch-ästhetischen Bildes, auch der Farbgebung, jedenfalls soweit diese den Gesamteindruck der Anlage beeinflusst.
Vorliegend haben die Wohnungseigentümer den Neuanstrich dazu genutzt, das Gesamterscheinungsbild des Gebäudes gezielt zu verändern. Damit gehen sie über die bloße Instandhaltung, für die es ausgereicht hätte, die Fassade in der alten Farbe neu zu streichen, hinaus. Die bloße Änderung der Farbgebung kann eine bauliche Veränderung darstellen.
(…)
Die der Kammer vorgelegten Lichtbilder lassen aussagekräftige Schlüsse über den Eindruck, den die streitgegenständliche Fassade in ihrem Zustand vor der Renovierung einerseits und im Zustand nach der Renovierung andererseits vermittelt, zu. Dabei ist festzustellen, dass das Erscheinungsbild der Fassade nach dem Neuanstrich ein deutlich anderes ist. Die ursprüngliche Fassadengestaltung vermittelte ein einheitliches, ruhiges und neutrales Gestaltungsbild. So war die Fassade einheitlich in einem hellgelben Farbton gestrichen. Es handelte sich um eine unauffällige Farbgebung, deren Vorhandensein beim Betrachten der Fassade als solches kaum auffällt.
Ganz anders stellt sich das Erscheinungsbild der nunmehr renovierten Fassade dar. Waren bei der früheren Fassade Balkone, Brüstungen, Fenster und sonstige Hausbestandteile von gleichmäßiger Auffälligkeit bzw. Unauffälligkeit, so stechen nunmehr die orangefarbenen Streifen, die gleichsam als Akzentstreifen bei allen Balkonbrüstungen im unteren Teil angebracht sind hervor und beherrschen das Erscheinungsbild der Fassade. Betrachtet man die Fassade, fällt der Blick sofort auf diese orangefarbenen Streifen, die sich in jedem Stockwerk über 6 Balkone erstrecken. Diese orangefarbenen Kontraststreifen beherrschen das Erscheinungsbild der Fassade und lassen die anderen Hauselemente zurücktreten. Die Schaffung derartig starker Kontraste über die gesamte Fassade stellt eine wesentliche Änderung dar. Diese ist bei objektiver Würdigung durchaus als störend zu bezeichnen, wenn man von der Ausgangssituation einer einheitlich, ruhig gestalteten Fassade ausgeht. Durch diese Veränderung sind nicht nur bloße geschmackliche Empfindlichkeiten betroffen. Wird der Charakter einer Fassade so stark wie durch die hier angebrachten Kontraststreifen verändert, liegt hierin ein nicht nur unerheblicher Nachteil für die nicht zustimmenden Eigentümer.
(…)
LG München, Urteil vom 20.09.2012, AZ 36 S 1982/12 WEG (in Auszügen).
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