03.12.2019 — Matthias Wermke. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Der Mensch ist ein Siedler. Selbst Globetrotter, die die Welt bereisen, freuen sich am Ende des Tages über ein Dach über dem Kopf, unter dem sie die Nacht trocken überdauern können. Freilich sind die Ansprüche an Komfort und Sicherheit unterschiedlich. Und auch das Freiheitsbedürfnis zu wählen, wo und unter welchen Umständen man wohnen möchte, ist nicht bei allen gleich.
Ein Trend, der inzwischen seinen Weg in die Popkultur gefunden hat, ist der Minimalismus. So gibt es bei einschlägigen Streaming-Portalen unzählige Dokumentationen über Menschen, die einen Ausweg aus ihrem ehemals aufwändigen und materiellen Lebensstil suchen und sich eine Zäsur wünschen. So veräußern sie den Großteil ihres Hab und Guts und ziehen z. B. in ein „Tiny House“.
Oftmals macht die kalte Welt der Bürokratie dem Outlaw-Wunsch jedoch einen Strich durch die Rechnung. Im Falle eines ehemaligen Golflehrers, der sich nicht mehr als Teil der Konsumgesellschaft fühlte und sich deswegen für ein autarkes Leben mitten im Wald entschied, war es die städtische Behörde, die seinem Traum ein jähes Ende bereitete. So musste er die Hütte, die er sich in einem Forst zusammengezimmert und schon für einige Zeit bewohnt hatte, aufgrund sicherheitstechnischer Mängel wieder abbrechen .
Für wieder andere ist nicht die Abgeschiedenheit, sondern die Freizügigkeit der Inbegriff von Freiheit. Also die Möglichkeit zu haben, heute hier zu sein und morgen dort. Denn mobil zu sein bedeutet, sich örtlichen Zwängen nicht unterordnen zu müssen. Doch auch hier gibt es Auflagen, die das Leben in vermeintlicher Freiheit reglementieren – z. B. das Steuerrecht.
So nahm das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht jüngst Mobilheime als eben jene Form alternativen Wohnens in den Fokus. Es befasste sich mit der Frage, ob Mobilheime steuerlich als Gebäude qualifiziert werden könnten bzw. welcher Faktoren es hierzu bedürfe.
Offenbar bedarf es der bloßen Erwähnung des Wörtchens „Paragraph“, um jeder kleinen Träumerei von Freiheit den Glanz zu rauben. Und so überrascht es nicht, dass es im Urteilstext nicht sonderlich romantisch hergeht. Vielmehr gelang es dem Finanzgericht, sich in nüchterner Betrachtung auf zwei maßgebliche Grundsätze zu einigen.
Dabei ging es zuerst einmal um eine grundsätzliche definitorische Frage: Was macht eigentlich ein Gebäude zu einem Gebäude? Um an dieser Stelle die Spannung zu erhöhen, soll der gerichtlichen Beantwortung dieser sicher komplizierten Frage durch die Konsultation einer bekannten Internetenzyklopädie Vorschub geleistet werden. Hier wird nämlich behauptet, dass Gebäude Bauwerke seien, die von Mensch und/oder Tier betreten oder für die Lagerung von Dingen genutzt werden könnten.
Zudem sei es unerheblich, ob Wände oder ein Keller vorhanden sind – ein Dach müsse es hingegen zwingend geben. Dieser Definition zufolge entsprechen Mobilheime, wenn wir sie uns just vor das innere Auge führen, vollumfänglich den ihnen gestellten Anforderungen. Andere Dinge jedoch ebenfalls: Man denke dabei z. B. an die überdimensionierten Kartons, in denen Büromobiliar angeliefert wird und eine fünfköpfige Dachsfamilie ausreichend Platz hätte, bis die Jungtiere flügge werden. Es herrscht also offensichtlicher Bedarf nach Trennschärfe: Zeit für das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht.
Im ersten Satz hält es das Gericht mit der inoffiziellen und etwas zweifelhaften Hymne des Nachbarlandes, dem Niedersachenlied. Es gilt für Mobilheime offenbar das Gleiche wie für die Nachfahren Widukinds, der strenggenommen Ost-Westfahle gewesen war: sturmfest und erdverwachsen hätten die Häuser zu sein. Sie sollen also fest mit dem Grund und Boden verbunden sowie beständig und standfest sein.
Im zweiten Satz geht es um den konkreten Fall und Anlass für die Verhandlung eines seit 2004 nicht mehr versetzten Mobilheims. Dieses hat eine Größe von 9 x 3,30 x 3 Meter und verfügt über einen Stromanschluss, eine Gas- und Frischwasserzuleitung sowie eine Schmutzwasserentsorgung. Deshalb darf es nunmehr als Gebäude auf fremdem Grund und Boden eingeordnet werden. Somit ist das Mobilheim nach geltendem Gesetz auch in steuerlicher Hinsicht als Gebäude zu behandeln.
Bürokratie und Rechtsprechung mögen zwar eine gewisse Nüchternheit in die Daseinsberechtigung des eigenen Zuhauses bringen. Sie können jedoch auch für das Fortbestehen desselben gegen den Druck von außen sorgen. So kann auch noch der ein oder andere Sturm kommen.
FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 12.08.2019 - 3 K 55/18
Bild: 27707 (Pixabay, Pixabay License)
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