25.02.2020 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Stiftung Warentest.
Wenn Mieter ihre Wohnfläche ermitteln wollen, reicht es, wenn sie erst einmal mit dem Zollstock nachmessen und unsere Tipps zur Wohnflächenermittlung berücksichtigen.
Nachmessen: Vermessen Sie die Grundfläche Ihrer Wohnung erst einmal selbst mit einem Zollstock oder einem Laser-Messgerät. Das gibt Ihnen eine erste Orientierung.
Miete kürzen: Stellt sich bei einer Mietwohnung heraus, dass die Wohnfläche kleiner ist als vereinbart, können Mieter pro fehlendem Quadratmeter anteilig die Miete mindern – wenn die Abweichung mehr als 10 Prozent beträgt. Auch Vorauszahlungen auf Nebenkosten werden dann günstiger. Zu viel gezahlte Miete können sie für das laufende Kalenderjahr und die drei Jahre davor zurückfordern.
Mieterhöhung und Betriebskostenabrechnung: Erhöht der Vermieter die Miete, muss er das auf Basis der tatsächlichen Quadratmeterzahl tun, sofern die Wohnung kleiner als vereinbart ist, auch wenn die Abweichung unter 10 Prozent liegt. Auch für die Betriebskostenabrechnung ist immer die tatsächliche Wohnfläche maßgeblich.
Immobilienkauf: Ist eine Kaufimmobilie in Wirklichkeit kleiner als verbindlich vereinbart, kann der Käufer den Preis mindern, Schadenersatz verlangen oder das ganze Geschäft wieder rückgängig machen („Rücktritt“). Es hilft, wenn er bei Vertragsabschluss auf einem detaillierten Berechnungsnachweis der Wohnfläche bestanden hatte. Eine Flächenangabe gilt etwa dann as verbindliche „Beschaffenheitsvereinbarung“, wenn sie im notariellen Kaufvertrag erwähnt wird.
Gutachter finden: Insbesondere wenn Sie die Miete wegen einer Wohnflächenabweichung mindern wollen, sollten Sie zuvor einen Sachverständigen die Wohnfläche ermitteln lassen. Viele Mietervereine kooperieren mit Gutachtern. Fragen Sie dort nach Empfehlungen. Mitglieder bekommen mitunter Sonderpreise. Wenn sich Mieter und Vermieter auf einen Gutachter einigen und sein Ergebnis als verbindlich vereinbaren, kann ein teurer Rechtsstreit vor Gericht vermieden werden.
Stellt sich beim Nachmessen der Wohnung heraus, dass die Wohnung um mehr als 10 Prozent kleiner ist als im Mietvertrag vereinbart, können Mieter die Miete mindern.
Beispiel Mietminderung: Eine Frau zieht in eine Dachgeschosswohnung, die laut Mietvertrag 64 Quadratmeter groß ist. Später misst sie die Grundfläche aus und rechnet selbst aus, wie viel der Fläche ihrer Räume mit Dachschrägen und ihr Balkon laut Wohnflächenverordnung rechtlich überhaupt als Wohnfläche zählt. Sie kommt am Ende auf 55 Quadratmeter. Die Differenz zwischen Mietvertrag und Realität beträgt 9 Quadratmeter, das sind rund 14 Prozent bezogen auf die Flächenangabe im Mietvertrag. Bislang bezahlt sie eine Miete in Höhe von 770 Euro warm. Nun senkt sie die Miete um 14 Prozent, auf rund 662 Euro pro Monat.
In einigen Mietverträgen ist die Wohnfläche mit einer „ca.“-Angabe versehen. Das macht die Angabe jedoch nicht weniger verbindlich und entlastet den Vermieter bei einer großen Wohnflächendifferenz daher nicht (Bundesgerichtshof, Az. VIII ZR 33/18).
Steht fest, dass die Flächenabweichung mehr als 10 Prozent beträgt, kann der Mieter nicht nur die Miete für die Zukunft senken, sondern unter Umständen sogar die in der Vergangenheit zuviel gezahlte Miete ersetzt verlangen. Ende 2013 klagte ein Mieter erfolgreich vor dem Landgericht München I die Rückzahlung von rund 11 330 Euro zuviel gezahlter Miete wegen einer erheblichen Flächenabweichung ein (Az. 31 S 6768/13) (Mieter bekommt 11 330 Euro zurück“).
Allerdings können Vermieter eine Flächenangabe im Mietvertrag mit einer ergänzenden Klausel relativiere und dem Mieter damit das Recht auf Mietminderung nehmen. Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2010 folgende Klausel als wirksam erachtet (Az. VIII ZR 306/09): „Vermietet werden (…) folgende Räume: Die Wohnung (…) bestehend aus (…) zur Benutzung als Wohnraum, deren Größe ca. xx Quadratmeter beträgt. Diese Angabe dient wegen möglicher Messfehler nicht zur Festlegung des Mietgegenstandes. Der räumliche Umfang der gemieteten Sache ergibt sich vielmehr aus der Anzahl der vermieteten Räume.“
Diese Klausel steht zum Beispiel in dem Mietvertrags-Formular, das der Berliner Grundeigentum-Verlag verkauft. In vielen älteren Mietverträgen fehlt eine solche Klausel. Auch in neuen Vertragsformularen fehlt sie zum Teil.
Eine Wohnflächenabweichung spielt bei den Betriebskosten eine große Rolle, weil viele Positionen wie Gartenpflege, Hausmeisterkosten, Müllabfuhr und in der Regel sogar ein Teil der Heizkosten eines Mietshauses nach der Wohnfläche auf die Mieter im Haus umgelegt werden. Da hier keine 10-Prozent-Regel gilt, wirkt sich eine kleinere Wohnfläche bei der Betriebskostenabrechnung immer positiv aus.
Beispiel Betriebskosten: Der Hausmeister eines vermieteten Mehrfamilienhauses hat im Jahr 2019 insgesamt 2 000 Euro gekostet. Das Haus hat eine Gesamtfläche von 1 000 Quadratmetern. Der Vermieter hat im Mietvertrag mit seinen Mietern vereinbart, dass die Hausmeisterkosten nach der Wohnfläche auf die Mietparteien umgelegt werden. Jeder Mieter zahlt demnach für das Jahr 2019 pro Quadratmeter 2 Euro. Ist die Wohnung einer Mieterin nicht wie im Mietvertrag angegeben 120 Quadratmeter, sondern tatsächlich nur 100 Quadratmeter groß, kann der Vermieter für den Hausmeister von der Mieterin nur 200 Euro statt 240 Euro verlangen.
Wie im Beispiel angegeben muss der Vermieter bei allen nach Quadratmetern umgelegten Betriebskosten vorgehen. Durch die Berücksichtigung der richtigen Wohnfläche wird die Betriebskostennachzahlung des Mieters geringer oder es ergibt sich sogar ein Erstattungsbetrag.
Jahresfrist für Beschwerden beachten: Eine Betriebskostenabrechnung auf Basis einer falschen Wohnungsgröße ist ein inhaltlicher Fehler der Abrechnung. Diesen muss der Mieter innerhalb eines Jahres nach Zugang der Betriebskostenabrechnung beim Mieter monieren und Korrektur erlangen (mehr zur Betriebskostenabrechnung).
Auch wenn der Vermieter im laufenden Mietverhältnis die Miete auf die ortsübliche Vergleichsmiete anheben will, muss er die tatsächliche Wohnfläche berücksichtigen. Auch hier gibt es keine 10-Prozent-Regel (Bundesgerichtshof, Az. VIII ZR 220/17).
Beispiel Mieterhöhung: Erlaubt die Vergleichsmiete eine Mieterhöhung auf 8 Euro pro Quadratmeter und ist die Wohnung nur 50 statt wie im Mietvertrag angegeben 55 Quadratmeter groß, darf der Vermieter die Miete nur auf 400 Euro, nicht auf 440 erhöhen.
Wenn Mieter die Grundfläche ihrer Wohnung ausgemessen haben, stellt sich die Frage, wie viel davon rechtlich überhaupt als Wohnfläche zählt. Wenn im Mietvertrag nichts Konkretes steht, gilt für Mietverträge, die vor 2004 abgeschlossen wurden, für die Flächenberechnung in der Regel die sogenannte „Zweite Berechnungsverordnung“. Für Verträge ab 2004 gilt in der Regel die Wohnflächenverordnung. Am häufigsten streiten Mieter und Vermieter um die Anrechnung von Freiflächen wie Balkon, Loggia, Dachgarten und Terrasse.
Die Wohnflächenverordnung sieht zum Beispiel vor:
Laut Wohnflächenverordnung ist der freie Raum zwischen zwei Wänden zu messen – auch wenn sie gefliest oder vertäfelt sind. Fuß- und Scheuerleisten zählen zur Wohnfläche, gemessen wird also darüber. Auf dem Balkon gilt das Geländer als Begrenzung. Knifflig sind Dachgeschosswohnungen: Oft treffen Dachschrägen, Gauben, Wandverkleidungen, Pfeiler und Stützen sowie Innentreppen aufeinander. Nach der Zweiten Berechnungsverordnung gelten „lichte“ Maße ohne Wandbekleidung oder die Rohbaumaße minus 3 Prozent „Putzabzug“.
Vorsicht ist geboten, wenn im Mietvertrag vorgegeben ist, dass die Wohnfläche nach Din 277 ermittelt wird: Dann zählen Balkon, Keller und Räume unter Dachschrägen zu 100 Prozent mit. Es ist umstritten, ob ein Vermieter im Mietvertragsformular, dass er bei Einzug dem Mieter zur Unterschrift vorlegt, diesem die für Mieter ungünstige Din 277 als Regelwerk zur Flächenberechnung aufzwingen kann. Das Landgericht Berlin hat das im Jahr 2012 für möglich gehalten (Az. 65 S 94/12).
Mit klassischen Messinstrumenten lässt sich allenfalls die Fläche einfach geschnittener Wohnungen ermitteln. Bereits bei Wandlängen über zwei Meter sind jedoch Fehler programmiert, weil man Zollstock oder Maßband mehrfach ansetzen muss.
Tipp: Millimetergenau messen Laser-Entfernungsmessgeräte. Sie sind ab 50 Euro zu haben, lassen sich aber bei Werkzeugverleihern auch kostengünstig mieten.
Unter Dachschrägen leistet ein Lot gute Dienste. Dazu knoten Hobby-Vermesser einen Faden von mindestens zwei Metern Länge ans Griffloch einer Schere, messen an der hängenden Schnur 1 und 2 Meter ab und markieren die Stellen mit Klebeband. Die Teilmaße für die Räume lassen sich am besten in einer Tabelle festhalten. Wer eine Grundrisszeichnung hat, überprüft die darin vermerkten Maße.
Auch für Immobilienkäufer sind fehlerhafte Quadratmeterangaben ärgerlich. Doch sie können sich wehren. Die besten Chancen besitzt, wer bei Vertragsabschluss auf einem detaillierten Berechnungsnachweis der Wohnfläche bestanden hat. Sind exakt 100 Quadratmeter vereinbart, ist jede Abweichung ein Mangel. Käufer können Schadenersatz verlangen, den Kaufpreis mindern oder vom Kaufvertrag zurücktreten. Eine mutmaßliche Flächenabweichung wird oft nach den Berechnungsregeln der Wohnflächenverordnung überprüft, solange zwischen Käufer und Verkäufer nichts andere vereinbart wurde. Eine Flächendifferenz gilt in der Regel erst dann als rechtlich relevanter Mangel, wenn die Wohnung mehr als 10 Prozent kleiner ist als vereinbart (Bundesgerichtshof, Az. VIII ZR 144/09). Allerdings sehen einige Gerichte etwa schon bei einer Flächenabweichung von 5 Prozent einen Mangel (im Jahr 2018: Oberlandesgericht Stuttgart, Az.14 U 44/18).
Neuere Verträge sehen deshalb oft eine Toleranzgrenze von 2 Prozent vor. Erster Ansprechpartner bei Beanstandungen ist der Verkäufer. Stellt er sich stur, können ein Bauherrenverband oder ein Fachanwalt für Baurecht helfen. Auch Bauträger weisen bei ihren Immobilien nicht immer die richtige Fläche aus. Wer vermutet, dass Quadratmeter fehlen, sollte seinen Verdacht schon bei der Abnahme ins Protokoll schreiben. Kommt es zum Streit, muss der Bauträger beweisen, dass seine Zahlen stimmen. Kann er das nicht, darf der Käufer den Preis anteilig mindern. Nimmt der Käufer die zu kleine Wohnung ab, kehrt sich die Beweislast um und er selbst ist in der Pflicht.