19.10.2022 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Nach dem unmittelbaren Wortlaut des Gesetzes, vgl. § 19 Absatz 1a Satz 3 EStG, gehören die Zuwendungen des Arbeitgebers, soweit sie den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmenden Arbeitnehmer nicht übersteigen, nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht. Nach langjähriger Verwaltungspraxis und gefestigter Rechtsprechung liegt jedoch keine Betriebsveranstaltung vor, wenn es sich um eine Veranstaltung handelt, die nicht allen Arbeitnehmern offen steht und es sich daher um eine Bevorzugung bestimmter Arbeitnehmer(gruppen) handelt, z. B. leitender Angestellter. In diesem Zusammenhang kommen nach Verwaltungsauffassung weder die Freigrenze in Höhe von 110 Euro noch die Pauschalversteuerung mit einem Pauschsteuersatz in Höhe von 25 % in Betracht.
In jüngster Zeit haben sich sowohl das Finanzgericht Münster als auch das Finanzgericht Köln mit der streitigen Rechtsfrage auseinandersetzen müssen, ob die aktuelle Verwaltungspraxis rechtmäßig ist. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit wird der Bundesfinanzhof haben, denn diese Streitfrage ist inzwischen auch beim Bundesfinanzhof anhängig.
Im hier streitigen Sachverhalt führte ein Arbeitgeber eine Jahresabschlussfeier durch, zu der nur angestellte Führungskräfte eingeladen worden waren.
Der Arbeitgeber behandelte die gesamten Aufwendungen ohne Berücksichtigung des Freibetrags in Höhe von 110 Euro je Arbeitnehmer als steuerpflichtigen Arbeitslohn und führte eine Pauschalversteuerung nach § 40 Absatz 2 EStG mit einem Steuersatz in Höhe von 25 % durch. Das Finanzamt bestritt die Möglichkeit der Pauschalversteuerung und das Finanzgericht bestätigte diese Rechtsauffassung.
Im hier streitigen Sachverhalt führte ein Arbeitgeber eine Weihnachtsfeier durch, zu der nur die Mitglieder des Vorstandes eingeladen waren. Darüber hinaus wurde eine weitere Weihnachtsfeier für Arbeitnehmer bestimmter Standorte, die zum sogenannten oberen Führungskreis bzw. Konzernführungskreis gehörten, durchgeführt.
Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung behandelte das Finanzamt die Aufwendungen des Arbeitgebers als steuerpflichtigen Arbeitslohn und führte eine Besteuerung nach § 40 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EStG durch. Hierbei handelt es sich um eine pauschale Nachversteuerung in einer größeren Zahl von Fällen mit einem besonderen zu ermittelnden Pauschsteuersatz. Dabei wurden Pauschsteuersätze auf Nettobasis in Höhe von 81,81 % bzw. 62 % zugrunde gelegt.
1 Zuwendungen des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen anlässlich von Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter (Betriebsveranstaltung).
2 Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind alle Aufwendungen des Arbeitgebers einschließlich Umsatzsteuer unabhängig davon, ob sie einzelnen Arbeitnehmern individuell zurechenbar sind oder ob es sich um einen rechnerischen Anteil an den Kosten der Betriebsveranstaltung handelt, die der Arbeitgeber gegenüber Dritten für den äußeren Rahmen der Betriebsveranstaltung aufwendet.
3 Soweit solche Zuwendungen den Betrag von 110 Euro je Betriebsveranstaltung und teilnehmenden Arbeitnehmer nicht übersteigen, gehören sie nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, wenn die Teilnahme an der Betriebsveranstaltung allen Angehörigen des Betriebs oder eines Betriebsteils offensteht.
4 Satz 3 gilt für bis zu zwei Betriebsveranstaltungen jährlich.
5 Die Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind abweichend von § 8 Absatz 2 mit den anteilig auf den Arbeitnehmer und dessen Begleitpersonen entfallenden Aufwendungen des Arbeitgebers im Sinne des Satzes 2 anzusetzen.
Abweichend von Absatz 1 kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer mit einem Pauschsteuersatz von 25 Prozent erheben, soweit er
(…)
Nr. 2 – Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt.
In den hier strittigen Sachverhalten liegen nach aktueller Rechtslage zweifelsfrei Betriebsveranstaltungen vor. Der Freibetrag in Höhe von 110 Euro je teilnehmenden Arbeitnehmer durfte jeweils nicht abgezogen werden, weil es sich um Betriebsveranstaltungen handelte, die nicht allen Angehörigen des Betriebs offengestanden haben, sondern nur einem bestimmten Personenkreis vorbehalten waren, hier leitenden Angestellten und Führungskräften. Insoweit handelt es sich hinsichtlich der gesamten Aufwendungen des Arbeitgebers unstreitig um steuerpflichtigen Arbeitslohn.
Nach Maßgabe von § 40 Absatz 2 Nr. 2 EStG kann eine Pauschalversteuerung mit einem Steuersatz von 25 % durchgeführt werden, wenn der Arbeitgeber Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt. In den hier streitigen Sachverhalten begehrten die Arbeitgeber entsprechend die Pauschalversteuerung mit einem Steuersatz von 25 %.
Im Rahmen von Lohnsteueraußenprüfungen beriefen sich die Finanzämter auf die zu diesem Thema ergangene gefestigte Rechtsprechung und verweigerten die Anwendung der Pauschalversteuerung mit der Begründung, dass die Betriebsveranstaltung nicht allen Arbeitnehmern offen stand.
Nach altem Recht, welches durch die Regelungen in den Lohnsteuerrichtlinien und der höchstrichterlichen BFH-Rechtsprechung geprägt war, lagen dem Grunde nach keine Betriebsveranstaltungen vor, weil die Veranstaltungen nicht allen Betriebsangehörigen offen standen. In der Rechtsfolge kam auch die Pauschalversteuerung nach § 40 EStG nicht zur Anwendung.
Nach neuem Recht liegen Betriebsveranstaltungen vor, soweit es sich um Veranstaltungen auf betrieblicher Ebene mit gesellschaftlichem Charakter handelt; lediglich die Anwendung des Freibetrags in Höhe von 110 Euro kommt nicht in Betracht, wenn die Teilnahme nicht allen Betriebsangehörigen offen steht. Streitig ist, ob für diese unstreitig steuerpflichtigen Betriebsveranstaltungen die Pauschalversteuerung mit einem Steuersatz in Höhe von 25 % zur Anwendung kommt oder die Regelversteuerung auf Grundlage der persönlichen Besteuerungsgrundlagen bzw. eine Pauschalversteuerung nach § 37b EStG mit einem Steuersatz in Höhe von 30 %.
Beim Bundesfinanzhof ist derzeit ein Verfahren unter dem Aktenzeichen VI R 5/22 anhängig. Der Bundesfinanzhof muss nun höchstrichterlich klären, ob die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anzuwenden ist, wonach die Lohnsteuerpauschalierung nur dann zur Anwendung kommt, wenn die (Betriebs-)Veranstaltung allen Betriebsangehörigen offensteht.
Wir werden Sie selbstverständlich über die weitere Entwicklung in gewohnter Weise auf dem Laufenden halten.
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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