25.11.2021 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Rechtsgrundlage für die Fahrtenbuchmethode ist § 8 Absatz 2 Satz 4 EStG. Danach kann der geldwerte Vorteil für die private Nutzung mit den auf die Privatfahrten entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kraftfahrzeug insgesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden.
Was unter einem ordnungsgemäß geführten Fahrtenbuch zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht definiert. Nach Maßgabe von R 8.1 Absatz 9 LStR sind für ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch folgende Mindestangaben erforderlich:
Wenn ein Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt wird, kann es vom Finanzamt im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung verworfen werden. In diesem Fall kommt zwingend die 1-%-Regelung zur Anwendung.
Mit Urteil vom 16.06.21, 9 K 276/19, wies das das Niedersächsische Finanzgericht das Finanzamt in die Schranken und stellte klar, dass kleinere Mängel und Ungenauigkeiten nicht zu einer Verwerfung des Fahrtenbuchs und zur Anwendung der 1-%-Regelung führen, wenn die Angaben im Fahrtenbuch insgesamt plausibel sind.
Im hier streitigen Sachverhalt wurde das Fahrzeug ausweislich der Eintragungen im Fahrtenbuch im Prüfungszeitraum 2014 bis 2016 zu zwischen 4 und 6 % privat genutzt. Das Finanzamt verwarf das Fahrtenbuch, weil für Kunden und Ortsangaben Abkürzungen verwendet wurden und Ortsangaben bei Übernachtungen im Hotel fehlten. Darüber hinaus ergaben sich Differenzen zwischen den Kilometerangaben im Fahrtenbuch und den vom Finanzamt ermittelten Vergleichswerten laut Routenplaner.
Das Niedersächsische Finanzgericht wies das Finanzamt in die Schranken. Maßgeblich für die Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuchs ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, ob trotz der festgestellten Mängel bei der Führung des Fahrtenbuchs noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.
Dabei ist es dem Finanzamt nach Auffassung des Finanzgerichts zuzumuten, fehlende Angaben zu Hotelübernachtungen aus vorliegenden Reisekostenunterlagen zu ermitteln. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich nur um vereinzelte Fälle handelt (im Gegensatz dazu siehe das anderslautende Urteil Finanzgericht Köln vom 15.09.16, 10 K 2497/15, bei dem eine Vielzahl von Eintragungen vom Finanzamt nicht nachvollzogen werden konnten und das Fahrtenbuch daher zu Recht verworfen wurde.
Die Fahrtenbuchangaben zu den Kilometerständen müssen regelmäßig zeitnah im Sinne von „sofort”, d.h. grundsätzlich am Ende jeder Fahrt gemacht werden. Nur Präzisierungen des beruflichen Zwecks dürfen ggf. noch innerhalb einer Woche nachgeholt werden.
Nach Auffassung des Finanzgerichts sind Abkürzungen im Fahrtenbuch grundsätzlich zulässig. Nur eine große Anzahl von nicht verständlichen und nicht hinreichend erläuterten Abkürzungen darf zu einer Verwerfung des Fahrtenbuches führen. Die Ausgangs- und Endpunkte der jeweiligen Fahrten und die jeweils aufgesuchten Kunden und Geschäftspartner gehören aber zu den unverzichtbaren Angaben, die direkt im Fahrtenbuch gemacht werden müssen. Diese erforderlichen Mindestangaben können nicht durch anderweitige nicht im Fahrtenbuch enthaltene Auflistungen ersetzt werden. Das Finanzgericht unterscheidet in diesem Zusammenhang also zwischen harten und weichen Kriterien im Sinne von den in R 8.1 Absatz 9 LStR von der Finanzverwaltung geforderten Mindestangaben im Fahrtenbuch.
Anhand des äußeren Eindrucks des Fahrtenbuchs kann vom Finanzamt im Einzelfall erkannt werden, ob ein Fahrtenbuch nachträglich erstellt wurde. Die Indizwirkung, die von fehlenden Gebrauchsspuren und einem gleichmäßigen Schriftbild eines Fahrtenbuches in Bezug auf eine unzulässige Nacherstellung ausgeht, kann vom Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Gegenbeweis entkräftet werden.
Das Finanzgericht stellt klar, dass die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch vom Finanzamt nicht überspannt werden dürfen. Anderenfalls könnte es zu einer Übermaßbesteuerung kommen, welche aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zu rechtfertigen wäre.
Fahrtenbücher führen bei Betriebsprüfungen und Lohnsteueraußenprüfungen immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten und unliebsamen Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt. Dies gilt insbesondere in atypischen Sachverhalten, z. B. wenn einem Arbeitnehmer im Rahmen seines Dienstverhältnisses sehr hochpreisige exklusive Luxusfahrzeuge zur Verfügung gestellt werden, die laut Fahrtenbuch so gut wie ausschließlich beruflich und privat nur von sehr untergeordneter Bedeutung bzw. gar nicht privat genutzt werden. Bitte beachten Sie, dass die objektive Beweislast hierbei stets beim Arbeitnehmer liegt.
Daher ist es empfehlenswert, die steuerlichen Spielregeln möglichst einzuhalten. Kleinere Mängel dürfen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zur Verwerfung des Fahrtenbuchs und Anwendung der 1-%-Regelung führen, wenn die Angaben insgesamt plausibel sind. Maßgeblich ist, ob trotz der Mängel noch eine hinreichende Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben gegeben und der Nachweis des zu versteuernden Privatanteils an der Gesamtfahrleistung des Dienstwagens möglich ist.
Bei der Bewertung der Mängel handelt es sich wie in einer Vielzahl von anderen Streitfragen mit dem Finanzamt grundsätzlich um einzelfallbezogene Ermessensentscheidungen der jeweiligen Prüfers.
Dies gilt auch für Abweichungen zwischen den eingetragenen Kilometerständen und Entfernungsangaben. Das Finanzamt kann im Zweifelsfall die Angaben im Fahrtenbuch mit anderen Buchhaltungsbelegen abgleichen, z. B. Werkstattrechnungen, TÜV-Berichten, Reisekostenabrechnungen und Bewirtungsbelegen.
Kleinere vom Finanzamt festgestellte Differenzen sind nach Auffassung des Finanzgerichts unschädlich, z. B. bis zu einer Größenordnung von 1,5 % der jährlichen Gesamtfahrleistung. Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, jeweils die kürzeste Verbindung zu wählen, wenn eine andere Route offensichtlich verkehrsgünstiger ist. Erklärungsbedürftig ist jedoch, wenn bei dienstlichen Fahrten grundsätzlich Umwegstrecken und bei Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte grundsätzlich die kürzeste Verbindung zugrunde gelegt wird. In einem streitigen Sachverhalt maß ein Finanzgericht Abweichungen von der kürzesten Route erst bei einem Umfang von mehr als 20 % Bedeutung zu.
Bitte beachten Sie, dass es in diesem Zusammenhang keine festen Grenzen gibt und es sich bei derartigen Bewertungsfragen grundsätzlich um einzelfallbezogene Ermessensentscheidungen des jeweiligen Prüfers handelt.
Nachträglich erstellte Fahrtenbücher können vom Finanzamt z. B. an einem vergleichsweise sauberen und einheitlichen Schriftbild enttarnt werden. Auffällig ist, wenn das Fahrtenbuch ladenneu erscheint keinerlei Gebrauchsspuren aufweist. Im Gegensatz dazu vermitteln abgegriffene Seiten, Eselsohren und vereinzelte Kaffeeflecken einen eher authentischen Eindruck des Fahrtenbuchs.
Erklärungsbedürftig ist es jedoch, wenn das Fahrtenbuch Eintragungen zu Zeitpunkten enthält, an denen die vorgelegte Auflage des Fahrtenbuchs noch gar nicht im Handel erhältlich war.
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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