13.12.2021 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Horváth AG.
Die Zeiten, in denen Unternehmen in ihren Kerngeschäftsfeldern langfristig alleinstehend erfolgreich waren, sind spätestens seit der Digitalisierung vorbei. Kunden und Kundinnen nehmen Produkte und Services immer mehr situativ an – im Kontext eines ganzheitlichen Informations-, Service- oder Unterhaltungsangebots, das keine Branchengrenzen kennt. Je besser dieses Angebot – datenbasiert – auf individuelle Kundenbedürfnisse abgestimmt ist, desto höher die Absatzchancen. Die dahinterliegende Struktur aus Unternehmen wird Business-Ökosystem genannt, und die Bildung eines solchen Systems wird für die Unternehmen immer wichtiger. Im Markt herrscht Goldgräberstimmung – doch welche Strategien sind am aussichtsreichsten, und auf welche Erfolgsfaktoren kommt es an?
Wie eine aktuelle, branchenübergreifende Horváth-Studie unter mehr als 120 Topmanagern und -managerinnen zeigt, beschäftigen sich 85 Prozent der Unternehmen ganz konkret mit Überlegungen zum Aufbau eines Business-Ökosystems. „Die Profitabilität eines Unternehmens wird zukünftig ganz stark davon abhängen, wie gut es branchenübergreifend und auch mit dem Wettbewerb vernetzt ist – und zwar nicht in losen Kooperationen, sondern in Form gemeinsamer Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsnetzwerke“, sagt Jörg Schönhärl, Partner für Strategie & Innovation bei Horváth.
Bisher ist davon allerdings weniger als jedes dritte Unternehmen über die Konzeptionsphase hinausgekommen. „Die Unternehmen hängen ihren Zielen in puncto Ökosystem aktuell noch stark hinterher. Wir rechnen aber in den nächsten Jahren mit einem sprunghaften Anstieg solcher vernetzter Strukturen – und das bedeutet, dass das Rennen um die wertvollsten Partner gestartet ist“, so Schönhärl. Vor allem Unternehmen mit großem Kundenstamm, Monopolstellung im Markt oder innovativem Geschäftsmodell sind begehrte Partner, da sie für das Ökosystem von besonderer strategischer Bedeutung sein können.
Für die Startphase eines Ökosystems werden von den Unternehmen vier bis sechs Partner favorisiert – aus Sicht der Studienautoren eine sinnvolle Größe, da eine zu hohe Komplexität die ohnehin herausfordernde Aufgabe noch erschwert. 81 Prozent der Befragten sind sich zudem darüber im Klaren, dass für ein erfolgreiches, profitables Ökosystem Durchhaltevermögen gefragt ist – was nicht bedeutet, dass nicht von vornherein eine Monetarisierungsstrategie dahinterstehen sollte. Im Gegenteil, 70 Prozent der Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen sind der Überzeugung, dass die gemeinschaftlich angebotenen Produkte und Services einen Mehrwert stiften sollten, der monetär erfasst und quasi intern gegeneinander verrechnet werden kann. „[Die] Monetarisierung erfolgt [dabei] indirekt durch aktivere Kunden sowie Cross- und Upselling und Neukunden. Erfolgsfaktor ist, dass sich die Partner untereinander ‚bewerben‘“, fasst es ein Studienteilnehmer zusammen, der CEO einer Bank ist.
Während die Faktoren „Purpose“ und „Wertversprechen“ eines Ökosystems von 44 beziehungsweise 49 Prozent der Befragten als sehr wichtig für den Erfolg eines Ökosystems bewertet werden, wird der Faktor „Alltagsrelevanz“ mit 23 Prozent vergleichsweise stiefmütterlich behandelt. „Alltagsrelevanz sichert die Kundenschnittstelle, lässt die Kunden wiederkommen und entscheidet über den langfristigen Erfolg eines Ökosystems“, sagt Horváth-Experte und Studienleiter Jörg Schönhärl. Dies gelte insbesondere für die Bereiche Mobilität und Wohnen, in denen zusammen eine Mehrheit von 62 Prozent den Aufbau eines Ökosystems anvisiert. Mobilität liegt mit 33 Prozent leicht vor dem Bereich Wohnen (29 Prozent), an dritter Stelle folgt mit großem Abstand der Bereich Gesundheit (8 Prozent). Die von Google etablierte „Zahnbürstenregel“, nach der ein Produkt optimalerweise ein- bis zweimal täglich verwendet werden sollte, ist Schönhärl zufolge auch von Ökosystemen zu beherzigen. „Mindestens ein Partner muss für den Kunden täglich relevant sein“, sagt ein befragter CEO einer Bank in der Studie.
Ein weiterer Faktor, der laut der Studienautoren unterschätzt wird, ist die Nutzung von Daten. Lediglich 36 Prozent der befragten Topmanager:innen bewertet eine Datenstrategie als sehr wichtig für den Erfolg eines Ökosystems. „Dem Ökosystem sollte von vornherein eine Datenstrategie zugrunde liegen, die konkret aufzeigt, wie, aus welcher Quelle und zu welchem Zweck Daten erhoben und eingesetzt werden sollen“, so Horváth-Experte Jörg Schönhärl. „Die Strategie muss beantworten, wie regulatorische Hürden entschärft, Mehrwerte durch neuartige datengetriebene Produkte und Services für den Kunden geschaffen und neue Ertragsströme realisiert werden können.“
Realistischer schätzen die Befragten die „Durststrecke“ ein, die es braucht, bis ein Ökosystem sich für alle Marktteilnehmer auszahlt. 42 Prozent sind sich absolut bewusst, dass Aufbau und Weiterentwicklung eines erfolgreichen Ökosystems Zeit brauchen. Weitere 39 Prozent bezeichnen Durchhaltevermögen zumindest als „eher wichtig“. So gibt ein in der Studie befragter CSO eines Tech-Unternehmens zu Protokoll: „Wir müssen uns (…) jetzt einbringen, wenn wir am Erfolg partizipieren wollen. Der Zeithorizont kann hier durchaus viele Jahre betragen, allerdings muss der jetzige Aufwand in einem vernünftigen Verhältnis zum zu erwartenden Ertrag stehen.“ Um dies sicherzustellen, sollte das Thema im Management ganz oben verankert sein. Dies ist immerhin bei 47 Prozent der Unternehmen aus der befragten Stichprobe der Fall.
Über die Studie
Für die im Dezember 2021 veröffentlichte „Ökosystemstudie 2021 – Mechaniken und Bausteine für eine erfolgreiche Evaluation zum Ökosystem“ wurden branchenübergreifend 120 Topmanagerinnen und -manager zu ihren Präferenzen, Plänen und Einschätzungen in Bezug auf Ökosysteme befragt.
Bild: Karolina Grabowska (Pexels, Pexels Lizenz)