14.03.2022 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist Höhere Gewalt ein, "von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis" (BGH, Urt. v. 16.05.2017, Az. X ZR 142/15).
Das signalisiert bereits hohe Anforderungen.
Wer UN-Kaufrecht in seinem Vertragsverhältnis zur Anwendung gebracht hat, der kann sich auf Art. 79 CISG stützen.
(1) Eine Partei hat für die Nichterfüllung einer ihrer Pflichten nicht einzustehen, wenn sie beweist, daß die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflußbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und daß von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluß in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden.
(2) Beruht die Nichterfüllung einer Partei auf der Nichterfüllung durch einen Dritten, dessen sie sich zur völligen oder teilweisen Vertragserfüllung bedient, so ist diese Partei von der Haftung nur befreit,
a)wenn sie nach Absatz 1 befreit ist und b)wenn der Dritte selbst ebenfalls nach Absatz 1 befreit wäre, sofern Absatz 1 auf ihn Anwendung fände
(3) Die in diesem Artikel vorgesehene Befreiung gilt für die Zeit, während der der Hinderungsgrund besteht.
(4) Die Partei, die nicht erfüllt, hat den Hinderungsgrund und seine Auswirkung auf ihre Fähigkeit zu erfüllen der anderen Partei mitzuteilen. Erhält die andere Partei die Mitteilung nicht innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem die nicht erfüllende Partei den Hinderungsgrund kannte oder kennen mußte, so haftet sie für den aus diesem Nichterhalt entstehenden Schaden.
(5) Dieser Artikel hindert die Parteien nicht, ein anderes als das Recht auszuüben, Schadenersatz nach diesem Übereinkommen zu verlangen.
Das Ereignis muss also nicht beherrschbar, unvorhersehbar, unabwendbar und ursächlich für das Leistungshindernis sein.
Grundsätzlich ist zur Feststellung von Höherer Gewalt immer auf den Einzelfall abzustellen und deutsches Recht ist hier strenger als ausländisches Recht. Ein Krieg fällt jedenfalls grundsätzlich darunter, aber auch darauf beruhende staatliche oder behördliche Maßnahmen mit entsprechend gravierenden Auswirkungen. Damit bestehen auch ohne Erwähnung in den Klauseln dazu Chancen, sich bei entsprechenden Auswirkungen auf die Lieferfähigkeit auf höhere Gewalt zu berufen.
Im deutschen Recht sind hier Fragen von Unmöglichkeit und Wegfall der Geschäftsgrundlage angesprochen. Das ist der Fall, wenn etwa Monteure nicht mehr nach Russland fliegen können oder Angst haben müssen, wieder ausreisen zu können, Zahlungsmöglichkeiten durch Überweisungsbeschränkungen (Stichwort SWIFT) entfallen oder bei Devisen beschränkt werden und Güter auf Embargolisten landen.
Weist Ihr Vertrag keine Regelungen auf, dann ist festzustellen, ob eine objektive Unmöglichkeit besteht. Waren gleicher Art und Güte können allerdings oft auch anderweitig erworben werden. Das mag teurer sein und schwierig, aber es ist eben nicht objektiv oder subjektiv für den Verkäufer unmöglich. Er trägt grundsätzlich das Beschaffungsrisiko.
Es kann allerdings auch ein Fall wirtschaftlicher Unmöglichkeit vorliegen (§ 275 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Ware ist beschaffbar, aber nur mit einem Aufwand, den kein vernünftiger Mensch betreiben würde. Die Rechtsprechung ist hier aber streng. Es muss eine wirtschaftliche Zumutbarkeit deutlich überschritten sein (Stichwort „Opfergrenze“). Geht es nur um erhöhte Beschaffungskosten, stehen die Chancen schlecht.
Steht aber z.B. das Liefergut plötzlich auf der Embargoliste, dann platzt das Geschäft. Dies kann zur Vertragsanpassung führen, etwa bei Konzernen durch Austausch von Lieferort oder sogar Austausch des Vertragspartners oder Patronatserklärungen für Zahlungen durch Konzernmütter.
Wenn höhere Gewalt vorliegt, sehen entsprechende Klauseln häufig die Folgen vor, ähnlich wie in Art. 79 CISG geregelt. Die Leistungspflichten ruhen erst einmal zeitlich beschränkt. Kommt es hierdurch zu Schäden, muss jeder seinen Schaden erst einmal selbst tragen. Ein Verzug liegt dann nicht vor. Für Vertragsstrafen fehlt es am Verschulden. Häufig ist dann ein Kündigungsrecht für den Fall vorgesehen, dass das Ereignis über einen bestimmten Zeitraum hinweg die Leistungen hindert.
Droht dem Käufer selbst Schaden, kann er nach entsprechender angemessener Fristsetzung statt der Leistung einen Deckungskauf tätigen und sich die Leistung anderweitig beschaffen. Die Differenzkosten bei einem höheren Preis zu gleichartiger Ware sind dann vom Lieferanten zu tragen (BGH, Urteil vom 09.11.1988 - VIII ZR 310/87). Sie sollten aber vor dem Deckungskauf in jedem Fall den erfolglosen Ablauf gesetzter Fristen abwarten. Sonst gibt es kein Geld.
Prüfen Sie Ihre vertraglichen Vereinbarungen. Wenn Sie neue Vereinbarungen schließen, sollten Sie auf jeden Fall sicherstellen, dass eine Klausel zur höheren Gewalt enthalten ist. Die sollte neben Krieg, behördlichen Maßnahmen auch Pandemie, Quarantäne und Epidemien abdecken und die Folgen regeln.
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