16.11.2022 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Ein Arbeitgeber in Luxemburg überließ zwei Arbeitnehmern jeweils einen Dienstwagen, der auch privat genutzt werden durfte. Der Arbeitgeber vertrat die Auffassung, dass es sich hierbei um Sachverhalte handelt, die nicht der deutschen Umsatzbesteuerung zu unterwerfen seien.
Das Finanzgericht des Saarlandes schloss sich mit Urteil vom 29.07.21, 1 K 1034/21, zunächst der Auffassung des Arbeitgebers an. Es wurde die Auffassung vertreten, dass eine entgeltliche Vermietungsleistung im umsatzsteuerlichen Sinne nur dann vorliegt, wenn der Arbeitnehmer eine Zuzahlung für die Fahrzeugüberlassung an den Arbeitgeber leistet. Die Arbeitsleistung des Mitarbeiters sollte kein Entgelt für die Fahrzeugüberlassung darstellen.
Unklar war zunächst, wie Artikel 56 Absatz 2 MwStSystRL auszulegen ist. Der Europäische Gerichtshof stellte klar, dass die Überlassung eines Dienstwagens an einen Arbeitnehmer nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, wenn dieser Umsatz keine Dienstleistung gegen Entgelt darstellt.
Im Gegensatz dazu fällt die Überlassung eines Dienstwagens an einen Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wenn es sich um eine Dienstleistung gegen Entgelt handelt und der Arbeitnehmer gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer von mehr als 30 Tagen dauerhaft über das Recht verfügt, das Fahrzeug zu privaten Zwecken zu benutzen.
Mit Urteil vom 30.06.22 widersprach der Bundesfinanzhof der Rechtsauffassung des Finanzgerichtes des Saarlandes vom 29.07.21. In seinem Urteil hat das Finanzgericht rechtsfehlerhaft einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Fahrzeugüberlassung und der teilweisen Arbeitsleistung im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes verneint.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des Bundesfinanzhofs werden sonstige Leistungen nach § 1 Absatz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG gegen Entgelt ausgeführt und unterliegen Dienstleistungen, die gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchst. c MwStSystRL gegen Entgelt erbracht werden, der Mehrwertsteuer, wenn zwischen einer Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Leistung bildet.
Nach § 3 Absatz 12 Satz 2 UStG handelt es sich auf dieser Grundlage um einen tauschähnlichen Umsatz, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht, die als tauschähnlicher Umsatz mit Baraufgabe auch mit einer Barzahlung verbunden werden können.
Gegenleistungen des Arbeitgebers in Form von Geldzahlungen und in Form von Sachleistungen sind auch unionsrechtlich nach der Rechtsprechung des EuGH gleich zu behandeln. Dementsprechend kann die Gegenleistung für eine Lieferung in einer Dienstleistung bestehen und Besteuerungsgrundlage der Lieferung sein, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung und der Dienstleistung besteht und wenn der Wert der Dienstleistung in Geld ausgedrückt werden kann. Das Finanzgericht hat in seinem vorinstanzlichen Urteil zu Unrecht die Unentgeltlichkeit der Fahrzeugüberlassung unterstellt. Der Bundesfinanzhof schließt sich ausdrücklich nicht der im Schrifttum vertretenen Auffassung an, dass ein tauschähnlicher Umsatz ausgeschlossen sei, wenn nur die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ohne finanzielle Gegenleistung des Arbeitnehmers als Entgelt für die Fahrzeugüberlassung in Frage komme. Es spielt entsprechend keine Rolle, ob der Arbeitnehmer eine direkte oder indirekte Eigenbeteiligung leistet, z. B. durch Gehaltsverzicht.
Soweit wie im hier streitigen Sachverhalt eine individuelle arbeitsvertragliche Vereinbarung über die Fahrzeugüberlassung vorliegt und diese Fahrzeugüberlassung auch tatsächlich durchgeführt wird, liegt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs unstreitig ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Fahrzeugüberlassung durch den Arbeitgeber zur privaten Nutzung einerseits und der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers andererseits vor. Hierbei liegt entsprechend ein umsatzsteuerbarer tauschähnlicher Umsatz vor.
Bei der Frage, ob die Arbeitsleistung im Rahmen eines tauschähnlichen Umsatzes Entgelt für die Fahrzeugüberlassung zu privaten Zwecken ist, kommt es nicht darauf an, ob dem Arbeitgeber der Vorsteuerabzug aus dem Bezug der Fahrzeuge zustand.
Daher ist die Fahrzeugüberlassung in diesem Fall nach § 3a Absatz 3 Nr. 2 Satz 3 UStG steuerbar und steuerpflichtig.
Keine Stellung bezogen hat der Bundesfinanzhof zu der Frage, ob bei einer fehlenden individuellen arbeitsvertraglichen Vereinbarung, also bei einer bloßen faktischen betrieblichen Übung, eine entgeltliche Fahrzeugüberlassung anzunehmen ist. Offen bleibt entsprechend die Rechtsfrage, ob eine faktische Inanspruchnahme bei einer fehlenden arbeitsvertraglichen Vereinbarung zu einem tauschähnlichen Umsatz führt.
1. Die Überlassung eines Dienstwagens, der auch zu Privatfahrten genutzt werden darf, an einen Mitarbeiter stellt nur insoweit eine entgeltliche Vermietungsleistung im Sinne des § 3 a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 UStG dar, als der Arbeitnehmer eine Zuzahlung für die Fahrzeugüberlassung an den Arbeitgeber leistet.
2. Die Arbeitsleistung des Mitarbeiters stellt kein Entgelt für die Fahrzeugüberlassung dar.
3. Die Mindestbemessungsgrundlage ist nur auf solche Leistungen anzuwenden, die auch bei unentgeltlicher Leistung steuerbar wären.
Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 [MwStSystRL] ist dahin auszulegen, dass die Überlassung eines dem Unternehmen des Steuerpflichtigen zugeordneten Fahrzeugs an dessen Arbeitnehmer nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, wenn dieser Umsatz keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 Buchst. c darstellt.
Art. 56 Abs. 2 Unterabs. 1 [MwStSystRL] findet dagegen auf einen solchen Umsatz Anwendung, wenn es sich um eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne ihres Art. 2 Abs. 1 Buchst. c handelt und der Arbeitnehmer gegen Zahlung eines Mietzinses für eine vereinbarte Dauer von mehr als 30 Tagen dauerhaft über das Recht verfügt, das Fahrzeug zu privaten Zwecken zu benutzen und andere davon auszuschließen.
Der für einen steuerbaren Umsatz erforderliche unmittelbare Zusammenhang zwischen der Fahrzeugüberlassung an einen Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen zu privaten Zwecken und der (teilweisen) Arbeitsleistung liegt jedenfalls dann vor, wenn die Fahrzeugüberlassung individuell arbeitsvertraglich vereinbart ist und tatsächlich in Anspruch genommen wird (Folgeentscheidung zum EuGH-Urteil Finanzamt Saarbrücken vom 20.01.2021 – C-288/19, EU:C:2021:32).
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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