20.11.2023 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: McKinsey & Company.
Die Erschließung neuer Geschäftsfelder (New Business Building) gewinnt für Entscheider:innen etablierter Unternehmen an Bedeutung. Laut einer aktuellen McKinsey-Umfrage betrachtet nahezu jede:r zweite europäische CEO den Aufbau neuer Produkte, Services, Geschäftsmodelle oder Unternehmen binnen der kommenden 12 Monate als eine der drei wichtigsten strategischen Prioritäten für ihr Unternehmen. Der Wert entspricht nahezu dem globalen Durchschnitt unter CEOs (47% vs. 50%). Beispiele für neue Geschäftsfelder sind unter anderem der Aufbau von neuen Plattformen für Datenanalysen und KI, Everything-as-a-Service-Modelle (z. B. Software-as-a-Service), physische Produkte, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmen oder Online-Marktplätze.
Begünstigt wird die Entwicklung durch die schwierige globalwirtschaftliche Lage. Die globale Verknappung von Kapital und das über Jahre hinweg aufgebaute Vertrauen der Investoren sorgen dafür, dass etablierte Unternehmen beim New Business Building einen eindeutigen Vorteil gegenüber Start-ups haben.
„Wir freuen uns zu sehen, dass Unternehmen selbst in Zeiten großer makroökonomischer Unsicherheiten auf eine Kombination von kurz- und mittel- bis langfristiger Strategien setzen. Das war in turbulenten Zeiten nicht immer der Fall. Führungskräfte erkennen zunehmend die Notwendigkeit zum kontinuierlichen Aufbau neuer Unternehmen und Geschäftsbereiche. Dieser Portfolio-Ansatz trägt zur Risikostreuung bei und erhöht die Erfolgs- und Wachstumswahrscheinlichkeit. Je öfter sie dies tun, desto besser werden sie“, — Markus Berger-de León, New-Business-Building-Experte und Senior Partner im Berliner Büro von McKinsey
Dies sind Ergebnisse der Studie "State of New Business Building" von Leap by McKinsey, die nunmehr zum vierten Mal in Folge veröffentlicht wurde. Leap by McKinsey arbeitet mit etablierten Unternehmen zusammen, um neue Geschäftsfelder im Kontext von Bestandsunternehmen aufzubauen und zu vergrößern. Für die Studie wurden zwischen dem 21. Juni und 5. Juli 2023 weltweit mehr als 1.000 CEOs, Vorstandsmitglieder:innen und Bereichsleiter:innen aus insgesamt 28 Branchen zu allen Aspekten des New Business Buildings befragt. 372 Befragte sind Unternehmen aus Europa zuzurechnen, davon 44 aus Deutschland. Die Umfrage untersucht, warum CEOs bestehender Unternehmen neue gründen, welche Geschäftsfelder sie adressieren, woher die Investitionen stammen, was die neuen Unternehmen erfolgreich macht - und warum dies für das Überleben von Unternehmen entscheidend ist. Erstmals wurde die Studie um eine Investorenumfrage ergänzt.
Bei mehr als sieben von zehn CEOs (74%) genießt die Schaffung neuer Umsätze durch den Aufbau neuer Geschäftsfelder sogar eine höhere Priorität als im Jahr 2022. Und 56% aller Befragten sehen relative bilanzielle Vorteile, da sie Investitionen in neue Geschäftsfelder gegenüber Investitionen in externe Start-ups als weniger riskant bewerten. Gestützt wird diese Bewertung durch Investor:innen: So gehen rund zwei von drei der befragten Investor:innen davon aus, dass Neugründungen von etablierten Unternehmungen höhere Bewertungen erzielen als Gründungen eigenständiger Start-ups.
Doch auch New Business Building erfordert Geduld: Investor:innen gehen davon aus, dass es etwa vier Jahre dauert, bis ein neu gegründeter Geschäftsbereich Gewinne abwirft. „Diese Aspekte führen dazu, dass die Wahrscheinlichkeit, ein „Unicorn“ zu gründen, bei etablierten Unternehmen aktuell größer ist“, so Berger-de León.
Die leistungsstärkste Kohorte disruptiver Gründungsvisionäre hebt sich vom Wettbewerb ab, indem sie drei oder mehr neue Unternehmen pro Jahr gründet, verglichen mit dem Durchschnitt von 1,4. Sie sind effizient, indem sie leistungsschwache Unternehmen eher schließen und haben eine höhere Erfolgsquote. Diese Seriengründer:innen bauen für jedes weniger erfolgreiche Unternehmen 2,8 erfolgreiche Unternehmen auf, verglichen mit 1,6 bei ihren weniger erfahrenen Mitstreitern. Auch die Umsatzrenditen sind beachtlich: Unternehmen, die in den vergangenen fünf Jahren 15 oder mehr Unternehmen gegründet haben, erzielten einen Umsatzzuwachs von 28%.
Mehr als jede:r dritte CEO weltweit plant in den nächsten fünf Jahren entweder „Everything-as-a-Service“-Geschäftsmodelle (35%) oder Plattformen für Datenanalysen und KI (36%) aufzubauen. Auf Platz drei steht die Entwicklung neuer physischer Produkte (einschließlich Hardware).
Europas CEOs setzen am stärksten auf Businesses mit Nachhaltigkeitsfokus (43%), deutlich mehr als Entscheider:innen aus Nordamerika (29%) oder Asien (26%). „Nachhaltigkeit bleibt ein treibender Faktor für unternehmerischen Erfolg. Die Gründung neuer Unternehmen bietet eine gute Möglichkeit, Umweltziele stärker in den Fokus zu rücken und gleichzeitig stark wachsende neue Geschftsfelder zu erschließen. Die Studie zeigt deutlich, dass Führungskräfte in Europa diese Chance auch erkennen“, so Stefan Helmcke, Co-Leiter der globalen Sustainability Practice bei McKinsey und Senior Partner im Wiener Büro.
Dagegen ist die Priorisierung von neuen Geschäftsmöglichkeiten rund um Onlinehandel ist leicht rückläufig (30% gegenüber 34% im Jahr 2022). Der Rückgang könnte darauf zurückzuführen sein, dass COVID-19 einen früheren Anstieg der Unternehmensgründungen ausgelöst hat.
Drei von vier befragten Investor:innen erwarten, dass die rasanten technologischen Entwicklungen auf dem Feld generativer KI (GenAI) die Investitionen in den Aufbau neuer Geschäftsfelder erhöhen werden. Ein ähnliches Bild zeichnen CEOs: Fast jede:r zweite CEO prognostiziert steigende Investitionsvolumen (45%). KI ist auch der größte Enabler: So konstatieren 56% der befragten CEOs, dass KI in den nächsten fünf Jahren für die Gründung neuer Unternehmen notwendig sein wird - doppelt so viele wie bei jeder anderen spezifischen Technologie, darunter das Internet der Dinge (27%), Blockchain (17%) und physische Roboter (17%).
Diverse Führungsteams erzielen bei der Erreichung von Leistungszielen bessere Ergebnisse als homogen strukturierte Wettbewerbsunternehmen. So haben 73% der von Frauen oder Führungskräften aus diversen Gruppen geführten Unternehmen die Erwartungen erfüllt oder übertroffen, verglichen mit 58% der Vergleichsgruppe. Zudem zeigen die Studienergebnisse, dass neue Unternehmen, die von Führungskräften mit Migrationshintergrund gegründet wurden, mit 25% höherer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sind.
„Diese starke Korrelation mit höheren Erfolgsquoten untermauert die wachsende Einsicht, dass Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration einen echten wirtschaftlichen Mehrwert für Unternehmen darstellen“ — Markus Berger-de León.
Bild: Nastuh Abootalebi (Unsplash, Unsplash Lizenz)