10.10.2022 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Ernst & Young GmbH.
Die US-Großbanken mussten im ersten Halbjahr aufgrund eines schwächelnden Investment Bankings einen deutlichen Gewinnrückgang hinnehmen: Der Nettogewinn der nach Bilanzsumme zehn größten US-Kreditinstitute sank im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 Prozent auf 76,7 Milliarden Euro. Europas zehn Top-Banken verzeichneten nur einen Gewinnrückgang um 4 Prozent auf 36,0 Milliarden Euro. Trotz des Gewinneinbruchs verdienten die US-Top-Banken also mehr als doppelt so viel wie ihre europäischen Wettbewerber.
Auch bei der Profitabilität liegen die US-Banken weiterhin deutlich vor den europäischen Großbanken: Die Eigenkapitalrentabilität – also die Rendite des eingesetzten Eigenkapitals – lag im ersten Halbjahr bei den US-Banken bei 11,9 Prozent – nach 17,0 Prozent im Vorjahreszeitraum. Die europäischen Banken verzeichneten einen leichten Rückgang von 8,8 auf 8,2 Prozent. Damit lag die Profitabilität der europäischen Banken aber immerhin auf dem zweithöchsten Stand in den vergangenen zehn Jahren.
Während in den USA acht der zehn untersuchten Geldinstitute ein Konzernergebnis von mehr als fünf Milliarden Euro vorweisen konnten, gelang dies in Europa nur zwei Banken: der britischen HSBC und der französischen BNP Paribas. Das bestverdienende Institut unter den zwanzig analysierten Banken war die US-Großbank JPMorgan Chase, deren Konzernergebnis bei umgerechnet 16,2 Milliarden Euro lag.
Auch der Börsenwert der Top Banken dies- und jenseits des Atlantiks ist unter Druck: Seit Jahresbeginn bis Ende September verzeichneten die europäischen Institute insgesamt einen Rückgang um 20 Prozent auf 396 Milliarden Euro. Der Börsenwert der US-Banken sank im gleichen Zeitraum um 18 Prozent auf 1,2 Billionen Euro. Die größten US-Banken sind damit derzeit fast dreimal so viel wert wie die größten europäischen Geldinstitute.
Das sind Ergebnisse einer EY-Analyse der Bilanzen der jeweils nach Bilanzsumme zehn größten Banken in den Vereinigten Staaten und Europa.
„Trotz eines insgesamt sehr schwierigen geopolitischen und wirtschaftlichen Umfelds haben sich die europäischen Großbanken insgesamt im ersten Halbjahr zufriedenstellend entwickelt“, urteilt Thomas Griess, Managing Partner Financial Services Deutschland bei EY. „Das Eigenkapital ist weiter gestiegen, die Zinswende führte bereits zu steigenden Zinseinnahmen und die Maßnahmen zur Steigerung etwa der Gebühreneinnahmen zeigen Wirkung.“
Die US-Banken, die deutlich stärker im Investment Banking engagiert sind, hätten stärker als die europäischen Banken unter den Verwerfungen an den Kapitalmärkten, dem Einbruch bei Börsengängen und dem rückläufigen M&A-Geschäft gelitten, so Griess. „Dennoch bleibt der Trend der vergangenen Jahre intakt: Die großen US-Banken lassen ihre europäischen Wettbewerber beim Gewinn und der Profitabilität weit hinter sich – auch wenn der Abstand im ersten Halbjahr kleiner geworden ist.“
Banken auf beiden Seiten des Atlantiks richten sich angesichts der drohenden Rezession auf kräftigen Gegenwind ein, beobachtet Robert Melnyk, Partner und Leiter Banking & Capital Markets bei EY. „Die Kreditausfälle dürften steigen, daher müssen die Banken ihre Risikovorsorge hochfahren. Die anhaltend hohe Inflation, das schwindende Verbrauchervertrauen, die erheblichen Einbußen bei den verfügbaren Haushaltseinkommen – all das sind denkbar ungünstige Vorzeichen für die Entwicklung der Branche in den kommenden Monaten.“
Die Gewinnsituation der europäischen Banken habe sich in den vergangenen Jahren zwar verbessert, sei aber immer noch nicht zufriedenstellend – auch nicht in Deutschland, sagt Melnyk. „Viele Geldinstitute haben ihre Kostenstruktur verbessert und ihre Einnahmen dank der Reduktion gebührenfreier Produkte und Dienstleistungen verbessert. Auch Gebührenerhöhungen machen sich auf der Einnahmenseite positiv bemerkbar. Dennoch bleibt viel zu tun – etwa in den Bereichen Digitalisierung, Technologie und Compliance. Die drohende Rezession erhöht den Handlungsdruck und dürfte auch zu neuen Kostensenkungs- und Effizienzmaßnahmen führen.“
Griess ist dennoch überzeugt: „Die Widerstandsfähigkeit der europäischen Banken ist in den vergangenen Jahren gestiegen, die Geldinstitute sind insgesamt gut gerüstet für den bevorstehenden Wirtschaftsabschwung. Zudem führt die Zinswende zu hochwillkommenen zusätzlichen Zinseinnahmen, sodass Belastungen an anderer Stelle teilweise abgefedert werden können.“
Bild: HealthWyze (Pixabay, Pixabay License)