29.07.2022 — Sarah Hofmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Nämlich dann, wenn man nur eine bestimmte Menge von Daten einem lösungsorientiertem Algorithmus überlässt. Dieser soll im Anschluss für jedes Problem die perfekte Lösung parat haben.
Wäre das nicht zu schön, um wahr zu sein? Und wenn es wirklich funktioniert, können uns Google und Co. dann bald vor dem nächsten Krieg bewahren und uns zeigen, wie die ideale Demokratie funktioniert? Oder ist da doch eher der etwas überambitionierte Technik-Hype der kalifornischen Idealisten der Vater des Gedanken?
In Amerika ist der Internetgigant Google bereits in einigen smarten Städten in den politischen Entscheidungsprozess eingebunden. Dort entscheiden Algorithmen bereits jetzt schon, welche Informationen den Regierungsvertreter:innen als Basis für ihre Entscheidungen dienen. So zum Beispiel ob und an welcher Stelle mehr Polizist:innen benötigt werden und wo diese patrouillieren sollen.
Zugegeben, Google im Parlament ist auch in den amerikanischen Hightech-Städten eher Zukunftsmusik, aber es ist ja allgemein bekannt, dass die Mitarbeiter:innen im Sillicon Valley nur nach dem Höchsten streben. The senate is the limit.
Fakt ist, dass Google die ein oder andere Sache anders angeht, als wir Menschen. So ist es auch beim Thema Problembewältigung. Denn für Google und im Sinne des Solutionismus, ist z. B. Arbeitslosigkeit kein gesellschaftliches Problem, sondern ein „(…) betrieblicher Malus, der mit ein paar technischen Handgriffen behoben werden kann. Staaten sind für Google überkommene Konstruktionen, die mit der richtigen Software programmiert werden müssten …“ So heißt es in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung von Adrian Lobe.
Solutionismus sieht ein Scheitern innerhalb der Problemlösung nicht vor. Falls die Lösung eines Algorithmus nicht als die beste Option erscheint, liegt dies entweder an zu wenig Daten oder daran, dass der Mensch unfähig war, die richtige Lösung zu erkennen.
Hören wir da etwa überheblich anmutende Kritik an unseren menschlichen Problemen heraus?
Schön, dass Google unsere Unzulänglichkeiten von Umweltzerstörung bis zu Demokratiedefiziten erkennt. Dazu waren wir ja auch schon selbst in der Lage.
Wo bleiben da nochmal die versprochenen Lösungen des Solutionismus?
Bleibt die Überheblichkeit des Algorithmus die einzige Unannehmlichkeit, mit der wir uns im Rahmen des Solutionismus abfinden müssten? Wohl kaum.
Google braucht für eine angemessene und umfangreiche Problemanalyse nämlich in erster Linie eines: Informationen. Damit der Algorithmus keine Fehler macht, müssen diese so umfassend und genau wie möglich sein. Das heißt, dass Google mal wieder einen Vorwand hat, um sein Geschäftsmodell, das um die Beschaffung von Daten kreist, zu rechtfertigen. Heiligt der Zweck hier die Mittel?
Hinzukommt, dass die Transparenz die hier von den Nutzer:innen gefordert wird einseitig bleibt. Die algorithmischen Prozesse, die letztendlich zur Lösung des Problems führen sollen, bleiben für die Nutzer:innen praktisch und kognitiv unverfügbar.
Und denken wir mal einen Schritt weiter: Sollte Google eines Tages aktiv in politische Geschehnisse eingreifen und die Politik neu kodieren, so wie der Algorithmus es für notwendig hält, können wir uns dann sicher sein, dass Grundrechte wie z. B. das Recht auf Privatsphäre bestehen bleiben?
Der Medienforscher und Harvard Professor Evgeny Morozov schreibt in seinem Buch To Save Everything, Click Here (2013) ausführlich über die Kritik an der lösungsorientierten Ideologie. Er begründet, warum der Glaube, immer mehr Daten würden zu mehr Effizienz und Transparenz führen auch gefährlich sein kann. In einem Interview darüber sagt er: „Solutionismus – die Tendenz Probleme lösen zu wollen, ohne wirklich zu hinterfragen, was sie denn eigentlich problematisch macht, ist ein wichtiger Grund dafür, dass der Überwachungsskandal nicht kritisch genug thematisiert wird.“
Aus Morozov’s Kritik gegenüber den Akteuren im Silicon Valley lässt sich außerdem herauslesen, dass er einen Verlust von Individualität und Fehlern befürchtet, die nun mal, ob wir es wollen oder nicht, menschlich sind.
Beispielsweise könnte eine Aussage die wir vor 3 Jahren getätigt haben, der wir aber heute widersprechen, von einer App und dem Algorithmus als Unstimmigkeit identifiziert werden. Plötzlich entsteht hier ein Problem, was eigentlich keins ist, denn individuelle Weiterentwicklung und das Sammeln von Erfahrungen gehören zur Ausbildung und Weiterentwicklung der menschlichen Persönlichkeit dazu, sind wichtig und richtig.
Morozov sagt dazu: „Solutionismus ist also die Tendenz, die Welt von dieser Art Phänomenen befreien zu wollen, nur weil wir dazu im Prinzip die Möglichkeit haben.“
Abschließend bleibt die Frage, ob die klugen Köpfe im Silicon Valley mitsamt ihren Internetriesen wirklich immer nur das Beste wie Weltfrieden und Chancengleichheit für unsere Gesellschaft im Sinn haben oder ob es in Zeiten des digitalen Kapitalismus nicht doch eher um Profitmaximierung und das Verfolgen von anderen, eventuell nicht ganz so idealistischen Werten geht.
Quellen und Hintergründe:
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