08.08.2024 — Samira Sieverdingbeck. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die KEG ist ein offener Zusammenschluss von Zentren, Lehrprogrammen und Koordinationsstellen an Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen der Frauen- und Geschlechterforschung. Jährlich treffen sie sich zu Arbeitstagungen und diskutieren über Aktuelles aus den Bereichen Geschlechtergerechtigkeit und dem Forschungsgebiet Gender Studies.
Die diesjährige 22. Arbeitstagung fand am 23. und 24. Mai 2024 an der Freien Universität Berlin statt. Auch hier fand das heiß diskutierte Thema „Gender-Sprache“ in der Arbeitsgemeinschaft „Verbote geschlechtergerechter Sprache durch Landesregierung: Erfahrungsaustausch und Strategien für ein gemeinsames Vorgehen“ großen Zulauf.
Infolgedessen verfassten die Sprecherinnen und Sprecher des KEG eine Stellungnahme zur Verwendung gendergerechter Sprache, „in der Hoffnung sich den vielen Angriffen und Verboten selbstbewusst und gemeinsam […] entgegen zu stellen.“
Zu den Sprecherinnen und Sprechern des KEG gehören in diesem Jahr Dr. Michèle Amacker, Prof. Dr. Christa Binswanger, Dr. Andrea Ellmeier, Morena Groll, Dr. Heike Pantelmann und Dr. Dirk Schulz
Darin betonten sie die generelle Bedeutung von Sprache und der Wahl von Formulierungen: „Unser Wissen, unser Denken, unsere Vorstellungen sind untrennbar mit Sprache verbunden.“
Gleichzeitig zeigten sie Offenheit bei der konkreten Umsetzung gendergerechter Sprache: „Bei gendersensibler Sprachverwendung/geschlechterinklusiver Sprache handelt es sich um Vorschläge, […] die sich bemühen, Geschlechtervielfalt eine Sprachform zu geben.“ Damit grenzten sie sich deutlich von Verboten und Vorschriften ab. Nichtsdestotrotz straften sie den „mit dem generischen Maskulinum sind alle gemeint“-Ansatz hart ab.
Die Verweise auf die Unterscheidung zwischen Genus und Geschlecht oder dem ‚Mitgemeintsein von allen‘ in der deutschen Sprache lassen außer Acht, dass damit patriarchal-heteronormative Machtverhältnisse – auch sprachlich – naturalisiert wurden.
Zwischen „möglicherweise mitgemeint“ sein und „explizit angesprochen“ werden herrsche ein großer und deutlicher Unterschied, so die KEG-Sprecherinnen und -Sprecher.
Zuletzt griff die Stellungnahme einen interessanten Aspekt auf: „Sprache ‚gehört‘ niemandem“. Stattdessen entwickle sie sich stetig weiter. Nur wenn Geschlechtervielfalt durch Sprache und sprachliche Neuerungen abgebildet werde, könne „Diskriminierungen, Marginalisierungen und Unsichtbarmachungen“ entgegengewirkt und der Geschlechtergerechtigkeit nähergekommen werden.
Bisher gibt es keine verbindliche Rechtslage, die privatwirtschaftliche Unternehmen zu gendergerechter Sprache verpflichtet. Diese können also wählen, ob und wie sie geschlechtergerechte Sprache verwenden.
Auch der Bundesgerichtshof urteilte am 13.03.2018 (VI ZR 143/17), dass es keine Pflicht zur geschlechtergerechten Sprache gebe, jedoch nur im Einzelfall. Die Klägerin verlangte von ihrer Bank im Geschäftsverkehr als „Kontoinhaberin“ und nicht wie bis dato üblich als „Kontoinhaber“ angesprochen zu werden. Im Urteil heißt es: „Nach dem allgemein üblichen Sprachgebrauch und Sprachverständnis kann der Bedeutungsgehalt einer grammatisch männlichen Personenbezeichnung jedes natürliche Geschlecht umfassen.“ Da sich durch die Formulierung keine schlechtere Behandlung feststellen ließ, könne die Klägerin keine Ansprüche aus dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geltend machen, so das Berufungsgericht.
Trotz des fehlenden Anspruchs auf geschlechtergerechte Sprache, sind Verbote letzterer ebenso umstritten. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes stellte in einem Kurzgutachten zu aktuellen „Genderverboten“ wie in Bayern oder Hessen fest dass diese „erhebliche verfassungsrechtliche Risiken“ mit sich brächten. Gleichwohl gibt es kein Recht „in Ruhe gelassen zu werden“, wenn eine Tochter-, Schwester- oder Partnergesellschaft gendergerechte Sprache verwendet. Das zeigte die Klage eines VW-Mitarbeiters 2022.
Insgesamt zeichnet sich deutlich ab, dass immer mehr Unternehmen, Medienhäuser, Bildungseinrichtungen und Behörden Leitfäden zur geschlechtergerechten Sprache einführen. Damit positionieren sie sich politisch, aber auch gesellschaftlich. In der Auseinandersetzung mit dem Thema, müssen Unternehmen sich tiefgehend mit der Materie, der Außenwirkung, aber auch dem Einfluss auf Einzelpersonen und Gruppen (z. B. der gar nicht so kleinen Gruppe der Frauen) auseinandersetzen. Kurz: Eine Entscheidung für oder gegen gendergerechte Sprache muss fundiert und möglichst vorurteilsbefreit getroffen werden.
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