22.08.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Deutscher Juristinnenbund.
„Bei der strafrechtlichen Erfassung geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt kritisieren wir insbesondere, dass Rechtsanwender*innen diese mit ihren verschiedenen Ausprägungen und ihre strukturelle Komponente noch zu wenig berücksichtigen. Dieses zentrale Problem greift der Gesetzentwurf nicht auf“, führt djb-Präsidentin Ursula Matthiessen-Kreuder aus.
Ein zentraler Bestandteil des Entwurfs ist die Einführung des Merkmals der „Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit“ für einige Straftatbestände. Das ist verfassungsrechtlich nicht nur bedenklich, sondern trägt stereotype Geschlechterbilder fort und suggeriert, geschlechtsspezifische Gewalt gründe sich primär in der körperlichen Überlegenheit der Täter. Der Wesenskern geschlechtsspezifischer Gewalt, nämlich die strukturelle gesellschaftliche Unterdrückung von Frauen und die geschlechtsspezifische Motivation, wird verfehlt. Die Stärkung der reproduktiven Selbstbestimmung durch die Aufnahme der durch Vergewaltigung herbeigeführten ungewollten Schwangerschaft als straferhöhender Qualifikationstatbestand ist zwar begrüßenswert. Der djb erinnert jedoch daran, dass der konsequente Schutz der reproduktiven Selbstbestimmung vor allem die Entkriminalisierung des freiwilligen Schwangerschaftsabbruchs voraussetzt.
Einzig in der Möglichkeit der bundesweiten Elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) sieht der Entwurf ein „präventives“ Mittel vor. Diese kann zwar dazu dienen, geschlechtsspezifische und häusliche Gewalt (kurzfristig) zu verhindern. Allerdings nur im Rahmen eines verfassungskonformen, grundrechtsschonenden Einsatzes, unter Berücksichtigung der erforderlichen Infrastruktur und technischen Ausgestaltung gekoppelt an ein interdisziplinäres Fallmanagement. „Die Elektronische Aufenthaltsüberwachung kann allenfalls eine begleitende präventive Maßnahme sein. Die effektive Bekämpfung geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt setzt vielmehr langfristige Präventionsmaßnahmen voraus. Dazu gehören verpflichtende Täterarbeit sowie der flächendeckende Ausbau eines diskriminierungs- und kostenfreien Beratungs- und Hilfesystems, weshalb das Gewalthilfegesetz endlich kommen muss“, betont Dilken Çelebi, LL.M., Vorsitzende der djb-Strafrechtskommission.
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