22.08.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Deutscher Frauenrat.
Reem Alsalem hatte sich bereits im April dieses Jahres negativ zu genderaffirmativen Maßnahmen im Vereinigten Königreich geäußert. Dazu erklären der Deutsche Frauenrat, das Jugendnetzwerk Lambda (Bundesverband), Bundesverband Trans* und der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) gemeinsam:
Für mich als Vorsitzende des Deutschen Frauenrats ist klar: Trans* Frauen sind Frauen, Transrechte sind Menschenrechte. Schon in der Debatte rund um das Selbstbestimmungsgesetz haben wir im DF uns immer wieder dagegen gewehrt, dass Frauenrechte gegen die Rechte von trans* Personen ausgespielt werden. Als größte Interessenvertretung für Frauen in Deutschland widersprechen wir Narrativen, die besonders trans* Frauen unter Generalverdacht eines gewaltvollen Verhaltens stellen, entschieden. Trans* Frauen sind in öffentlichen Räumen häufig selbst Gewalt ausgesetzt. Unser Einsatz gegen Gewalt schließt sie selbstverständlich mit ein.
Falschinformationen über trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen (TIN*) wurden und werden besonders rund um die gesellschaftliche Debatte über das Selbstbestimmungsgesetz von rechtspopulistischen und demokratiefeindlichen Akteur*innen eingesetzt und verbreitet. Dass dieselben Scheinargumente jetzt von der Berichterstatterin der Vereinten Nationen bedient werden, bestürzt uns zutiefst. Die Vereinten Nationen sind von zentraler Bedeutung in der globalen Menschenrechtspolitik auch für die nicht verhandelbaren Menschenrechte von LSBTIQ*. Diese sind aber weltweit bedroht. Das SBGG stärkt die Grund-, Freiheits- und Persönlichkeitsrechte für alle Menschen in Deutschland. In der Stellungnahme wird versucht, lesbische cis und trans* Menschen gegeneinander auszuspielen. Als größte Interessenvertretung für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, intergeschlechtliche sowie weitere queere Menschen in Deutschland verwahren wir uns entschieden gegen das Ausspielen verschiedener Gruppen innerhalb unserer Community.
In 15 Ländern weltweit gibt es Selbstbestimmungsgesetze, in manchen bereits seit mehr als zehn Jahren. In vielen der Länder wurden vor Verabschiedung der Gesetze Befürchtungen geäußert, Frauenrechte würden unter der Selbstbestimmung von trans* Personen leiden. Diese Befürchtungen sind in keinem Land eingetreten. Diese Diskussionen müssen als gezielte Desinformation von antifeministischer und rechtskonservativer Seite gesehen werden – die erschreckende Auswirkungen haben: Sie verursachen ernstzunehmende Anstiege von Gewalt gegen trans* Personen und insbesondere gegen trans* Frauen und verschlimmern Vorurteile, die in der Gesellschaft bestehen. Laut aktuellen Zahlen des Bundesinnenministeriums ist die Gewalt gegen trans* und nicht-binäre Personen 2023 im Vergleich zu 2022 um mehr als 100 Prozent gestiegen. Ursache ist, dass trans* Personen und insbesonders trans* Frauen zunehmend als Bedrohung inszeniert werden. Dabei sind trans* Frauen selbst stark von patriarchaler Gewalt betroffen. Patriarchale Gewalt in all ihren Formen muss verhindert werden und wir begrüßen politische Initiativen mit diesem Ziel – aber die Zahlen zu Gewalt zeigen: Kein gewaltbereiter Mann braucht eine Namens- oder Personenstandsänderung, um Gewalt auszuüben. Das Selbstbestimmungsgesetz wird an der bestehenden Sicherheitslage für Frauen nichts verändern.
Anzunehmen, dass sich Minderjährige ihrer geschlechtlichen Identität nicht bewusst seien und daher Entscheidungen treffen würden, die sie zu einem späteren Zeitpunkt bereuen, ist adultistisch. Es ist bekannt, dass Kinder bereits im Alter von zwei bis drei Jahren ihre Geschlechtlichkeit und die dazugehörigen gesellschaftlichen Rollenbilder wahrnehmen. Kindern die Fähigkeit abzusprechen, über die eigene trans* Identität Auskunft geben zu können, ist daher unwissenschaftlich und wiederholt das Bild der unwissenden trans* Person. Das SBBG ist ein essentieller Baustein, um den Leidensdruck von trans* Personen, und darunter auch Kindern, zu lindern und sie in ihrer Individualität anzuerkennen. Zudem steht es im Einklang mit den gesetzlichen Grenzen der Einwilligungsfähigkeit, die für Religionsmündigkeit und strafrechtliche Verantwortlichkeit mit 14 Jahren beginnt (vgl. §§ 5 KErzG; 19 StGB; 1 Abs. 2, 3 JGG). Wir bedauern sehr, dass die Stellungnahme der VN-Berichterstatterin ausgerechnet den Grundsätzen der VN-Kinderrechtskonvention nicht gerecht wird. Sie verklärt Depressionen und Ängste bei Kindern und Jugendlichen zum Argument, um die Rechte von trans* Kindern und Jugendlichen zu übergehen, anstatt die vielerorts grassierende Queerfeindlichkeit als Faktor hierfür zu benennen und zu verurteilen. Auch trans* Kinder haben das Recht auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit (Artikel 29 der Kinderrechtskonvention) und das Recht auf Grund ihres Geschlechts nicht diskriminiert zu werden (Artikel 2). Auch wenn wir uns als Jugendnetzwerk Lambda e.V. ein Recht auf selbstbestimmte Festlegung des eigenen Vornamens und des eigenen Geschlechtseintrags bereits ab dem 14. Lebensjahr ohne Einschränkung durch gesetzliche Vertretung oder Gerichte gewünscht hätten, sprechen wir uns als Vertretung queerer Jugendlicher voll und ganz für das SBGG aus.
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