Afghanistan: Eine bewegte Geschichte, eine unsichere Zukunft

27.04.2023  — Samira Sieverdingbeck.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Seit vielen Jahren wird das Leben in Afghanistan von Krieg und Unruhen bestimmt. Die Sowjetunion und die USA nutzen es als Spielfläche ihres Kalten Krieges. Von 1996 bis 2001 waren die Taliban an der Macht. Seit 2021 sind sie es wieder. Wie es dazu kam und was es für die Frauen in Afghanistan bedeutet.

Die Geschichte Afghanistans mit den Taliban

Afghanistan hat eine lange und komplexe Geschichte. Die Region war ein wichtiger Teil der Seidenstraße, die den Handel und kulturellen Austausch zwischen China, Zentralasien, Persien und dem Nahen Osten förderte. Im 7. Jahrhundert drangen arabische Eroberer in die Region ein. Sie verbreiteten den muslimischen Glauben, der bis heute in Afghanistan dominiert.

Im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert stritten die Briten und die Sowjetunion um die Kontrolle über die Region. 1919 wurde Afghanistan unabhängig und begann, sich zu modernisieren. Unter dem König Mohammed Zahir Schah wurden schließlich Wahlen und ein Zwei-Kammern-Parlament etabliert. Zahir Schah stärkte außerdem die Emanzipation von Frauen, sodass auch sie das Wahlrecht erhielten und Schulen besuchen durften.

1973 wurde das Königshaus jedoch gestürzt und die kommunistisch geprägte Demokratische Volkspartei Afghanistans (DVPA) ergriff die Macht. Unterstützt von der Sowjetunion setzte die Partei sich zwar für eine gesellschaftliche Neuordnung ein, unterdrückte Gegenstimmen jedoch brutal. Die gewaltvolle Unterdrückung und die Auflehnung gegen die traditionelle Stammesordnung der Partei führten zu Unruhen. Die darauffolgenden Aufstände des Volkes wurden mitunter von Pakistan und den USA unterstützt.

Schließlich intervenierte die Sowjetunion. Diese befand sich zu der Zeit im Kalten Krieg und befürchtete, dass sich die afghanische Regierung den USA zuwenden könnte. Aus der sowjetischen Militäraktion 1979 wurde schließlich eine langwierige Besetzung, die bis 1989 anhielt. Die afghanischen Mudschahedin, verschiedene Guerilla-Gruppen, lehnten sich gegen die sowjetischen Truppen auf. Zwar waren sie zunächst schlecht ausgerüstet, wurden jedoch von Pakistan, Saudi-Arabien und über Umwege auch von den USA mit Waffen unterstützt. Die Mudschahedin waren vertraut mit dem unwegsamen Land und konnten so gegen die Rote Armee bestehen. Während des Krieges wurde das Land stark zerstört, rund eine Millionen Menschen starben, fünf Millionen mussten fliehen.

Doch mit der Zeit bildeten sich einzelne Parteien unter den Mudschahedin. Nur sunnitisch-muslimische Gruppen erhielten Unterstützung vom pakistanischen Geheimdienst, schiitisch-muslimische Gruppen mussten sich selbst finanzieren. Die Widerstandsbewegung zersplitterte dadurch zusehends und wurde schwächer. Um dem entgegenzuwirken, unterstützen die USA die Mudschahedin mit modernsten Waffen, sodass sie schließlich stärker als die sowjetischen Truppen wurden. Michail Gorbatschow bewirkt daraufhin den Abzug der Sowjets.

Doch auch nach dem Abzug unterstützte die Sowjetunion weiterhin die kommunistische Partei DVPA. Diese behielt zwar die Oberhand in den großen Städten, im Rest des Landes waren jedoch unterschiedliche Mudschahedin-Gruppen an der Macht. Als die USA ihre Waffenlieferungen einstellten, kam es zu einem Unentschieden zwischen der kommunistischen Regierungspartei und den Mudschahedin-Gruppen. Mit Ende des Kalten Krieges, endete auch die Unterstützung der DVPA. Die Regierung der kommunistischen Partei brach zusammen. In dem bereits stark gebeutelten Land kämpften verschiedene Kriegsherren um die Herrschaft, einen einheitlichen Staat gab es nicht mehr.

In dieser Zeit formten sich die Taliban. Die meisten von ihnen waren jung zu Opfern des Krieges geworden. Viele von ihnen waren immer noch Kinder. In strengen Koranschulen hatte man sie zu fanatischen Islamisten erzogen. Der radikale Glaube gab ihnen Hoffnung und trieb sie an. Unterstützt wurden sie, wie zuvor die Mudschahedin, von Pakistan und Saudi-Arabien. Nach und nach eroberten sie Teile des Landes, darunter auch die Hauptstadt Kabul. 1996 errichteten sie schließlich das Islamische Emirat Afghanistan. Zunächst hofften die Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, dass nach den langen Jahren des Kriegs nun etwas Ruhe einkehren könnte. Doch die Regeln und Gesetze des Emirats waren extrem streng. Musik durfte nicht gehört werden, Fotos von Menschen und Tieren waren verboten, Frauen wurden stark unterdrückt. Wer die Gesetze der Taliban brach, wurde brutal bestraft.

Schon früh wurden die Taliban auch von al-Qaida unterstützt, die wiederum im Zuge des Kalten Krieges von den USA unterstützt wurden. Die USA erhofften sich, al-Qaida im Kampf gegen die Sowjetunion einsetzen zu können, doch das Netzwerk kämpfte auch gegen den kapitalistischen Westen. Am 11. September 2001 verübte al-Qaida Anschläge auf symbolträchtige Gebäude der USA, darunter das World Trade Center – eine bedeutende Zäsur. Knapp einen Monat nach den Anschlägen, begann die sogenannte Operation Enduring Freedom unter der Führung der USA in Afghanistan. In Zusammenarbeit mit der NATO wurden die Taliban zurückgedrängt

2001 wurde eine Übergangsregierung eingeführt. Doch die Regierung unter Hamid Karzai hatte nur teilweise die Macht inne. Innerhalb des Landes oblag das Gewaltmonopol einzelnen Warlords, die Regierung hatte keine Möglichkeit Gesetze durchzusetzen. Auch wirtschaftlich ging es dem Land schlecht. Über die Jahre kamen die Taliban zurück.

2020 unterzeichneten die USA ein Abkommen mit den Taliban, das unter anderem den vollständigen Abzug der US-Truppen vorsah. Die Taliban kontrollierten weite Teile des ländlichen Raumes. Ab Mai 2021 begannen sie neue Gebiete einzunehmen. Im August nahmen sie schließlich auch Kabul wieder ein und erklärten Afghanistan im Anschluss zum sogenannten Islamischen Emirat.

Frauen leiden besonders unter der Herrschaft der Taliban

Zwar hatten die Taliban zunächst versprochen, die Menschenrechte und auch die Rechte von Frauen zu wahren, doch bald zeichnete sich das Gegenteil ab. Mittlerweile dürfen Frauen nicht mehr in Parks oder Fitnessstudios gehen, Sport im Allgemeinen ist ihnen verboten.

In den Jahren vor der erneuten Machtübernahme der Taliban, gab es deutliche Verbesserungen für Frauen in Afghanistan. Besonders im Bereich der Schulbildung gab es große Fortschritte. Schon während der ersten Taliban-Herrschaft waren Mädchen und Frauen fast vollständig vom Schul- und Bildungssystem ausgeschlossen worden. Nun ist Frauen erneut der Besuch von weiterführenden Schulen und Universitäten untersagt.

Im Dezember 2022 wurde ein Gesetz erlassen, dass es Frauen verbietet für humanitäre Organisationen zu arbeiten. Viele Organisationen können dadurch keine Hilfsgüter mehr im Land verteilen. Laut UN Women hatten rund 11,8 Millionen Frauen und Mädchen dadurch keinen Zugang mehr zu lebensnotwendiger Unterstützung. Auch das Geld, dass die Frauen durch die Arbeit für humanitäre Organisationen verdienen konnten, fehlt in den Familien.

Schon vor der erneuten Machtübernahme der Taliban waren Frauen überwiegend noch vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Doch auch Frauen, die Arbeit hatten, wurden seit der erneuten Taliban-Herrschaft in großen Teilen von ihrem Arbeitsplatz verwiesen. Wo Frauen noch arbeiten dürfen, müssen die Geschlechter streng getrennt sein. Die Arbeiterinnen müssen von einem männlichen Begleiter, einem Mahram, zur Arbeit gebracht werden. Das gilt auch für Märkte auf den Frauen früher Rohstoffe kaufen und ihre Waren verkaufen konnten. UN-Generalsekretär António Guterres sprach von „Geschlechter-Apartheid“.

Der Europäische Rat schätzte Afghanistan für 2023 als „das Land mit der größten humanitären Krise der Welt“ ein. Der Winter war extrem kalt und hat diese Einschätzung bestätigt. Afghanistan befindet sich in einer massiven Wirtschaftskrise. Darüber hinaus schätzt die UNO, dass 28 Millionen Menschen Hilfe benötigen, 6 Millionen Menschen von Hunger bedroht sind.

Im Februar haben 22 deutsche Nichtregierungsorganisationen dazu aufgerufen „die Menschen in Afghanistan nicht im Stich zu lassen.“ In einem Brief an Bundesaußenministerin Annalena Baerbock forderten sie politische sowie finanzielle Hilfe für humanitäre Arbeit in Afghanistan.

Im Dezember 2022 sprach sich Entwicklungsministerin Svenja Schulze für einen Stopp der internationalen Hilfe für Afghanistan aus. Grund dafür war das Arbeitsverbot für Frauen bei Nichtregierungsorganisationen. Es ist anzunehmen, dass die Taliban dieses Verbot auch als eine Art Pfand gegenüber internationalen Sanktionen einsetzen.

Für die Menschen in Afghanistan ist die Lage schwer. Seit 50 Jahren beherrschen Unruhen und Krieg das Land. Das Durchschnittsalter liegt bei 17 Jahren – Frieden haben die meisten Afghaninnen und Afghanen noch nicht erlebt.

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Bild: Mohammad Husaini (Unsplash, Unsplash Lizenz)

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