22.06.2023 — Sarah Hofmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Seit die Vorwürfe des Machtmissbrauchs und der sexuellen Übergriffe gegen Rammstein-Sänger Till Lindemann im Raum stehen, ist die Debatte über sexualisierte Gewalt gegen Frauen wieder in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit gerückt. Aktuell wird in Zeitungsartikeln, Internetforen und Talkshows kaum ein Thema ähnlich intensiv diskutiert.
Passend dazu veröffentlichte Plan International Deutschland e.V. Mitte Juni eine repräsentative Online-Studie mit dem Titel „Spannungsfeld Männlichkeit“. Hierfür wurden jeweils 1.000 junge Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 35 Jahren befragt. Zentrale Aspekte und Schwerpunkte der Studie waren u.a. die Rollenverteilung in Beziehungen, Umgang mit Gefühlen, Verhalten in der Partnerschaft, Dominanz und Gewaltanwendung. Im Rahmen der Umfrage sollte bei den männlichen Befragten ermittelt werden, wie Männlichkeit hierzulande im Alltag gelebt wird. Die weiblichen Teilnehmenden wiederum wurden nach ihren Vorstellungen von Männlichkeit befragt.
Vor allem die Umfrageergebnisse im Themenfeld Gewalt sind schockierend: Hier gibt ein Drittel der befragten Männer (34 %) an, dass sie gegenüber Frauen schon einmal handgreiflich werden, um ihnen Respekt einzuflößen. Für jeden dritten Mann (33 %) ist es laut der Umfrage akzeptabel, wenn ihm beim Streit mit der Partnerin gelegentlich die Hand ausrutscht.
Beim Thema Rollenverständnis sind 52 % der Befragten und damit mehr als die Hälfte sehr traditionell eingestellt. Sie sehen ihre Aufgabe darin, genug Geld zu verdienen, damit die Frau sich hauptsächlich um den Haushalt kümmern kann. Ebenfalls knapp die Hälfte der Befragten störe es, wenn Männer ihre Homosexualität offen zeigen. 53 % falle es schwer, über Gefühle zu reden.
Die Sprecherin der Geschäftsführung von Plan International, Kathrin Hartkopf, zeigt sich schockiert über die Ergebnisse der Erhebung. Sie nennt diese besorgniserregend und stellt fest, dass die Bereitschaft zu Gewalt unabhängig von Herkunft oder Bildungsgrad sehr hoch ist. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) zeigt sich nicht überrascht. Sie bezeichnet die Einstellung der befragten jungen Männer als erschreckend. Sie warnt davor, dass aus Einstellungen auch Taten werden können und dies bereits für viele Frauen in gewalttätigen Beziehungen traurige Realität und Alltag ist.
Die Ergebnisse der Studie sorgten für ein heftiges Medien-Echo. Die sozialen Medien überschlugen sich. Nur wenige Tage später setzte sich das Medienmagazin Zapp in einer Sendung intensiv mit der Umfrage von Plan International auseinander. So kritisiert das Medienmagazin die Methodik als auch die Transparenz der Studie. Außerdem handele es sich um keine wissenschaftliche Studie. Auch die Repräsentativität der Umfrage müsse bezweifelt werden, da nur Personen teilgenommen hätten, die bereits in einer Art Pool für vergütete, also bezahlte Umfragen seien.
Plan International äußert sich auf die Vorwürfe und weist diese entschieden zurück. In einem Statement dazu heißt es, man wünsche sich, dass die Umfrage zum Anlass genommen würde, über die Thematik in den gesellschaftlichen Diskurs zu gehen.
Dass die Gesellschaft weiter im Diskurs über Gleichberechtigung innerhalb und außerhalb einer Partnerschaft bleibt, sollte hierbei im Fokus stehen. Gewalt in Partnerschaften existiert und ist nicht von der Hand zu weisen. Dazu passen auch die Zahlen des Bundeskriminalamts. 2021 verzeichnete das BKA eine Zunahme von Partnerschaftsgewalt um 3,4 Prozent in den vergangenen fünf Jahren. Die Opfer dieser Gewalt waren dabei mit 80,3 % überwiegend weiblich. Die Täter dagegen mit 92,5 % größtenteils männlich. Auch im Jahr 2023 ist für Frauen die Partnerschaft der gefährlichste Ort, wenn es um sexualisierte, körperliche und emotionale Gewalt geht.
Wenn Sie Gewalt erleben oder Hilfe brauchen, wenden Sie sich z. B. an das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ das unter der Nummer 116 016 jederzeit zu erreichen ist. Das Beratungsangebot ist anonym, kostenfrei, barrierefrei und in 18 Fremdsprachen verfügbar. Hier finden Sie weitere Anlaufmöglichkeiten sowie Hilfe und Beratung bei Gewalt.
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