Neue Studie des IMK zur Gaspreisbremse

18.11.2022  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans Böckler Stiftung.

Die Studie des Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung zeigt: Eine Obergrenze für die Gasmenge, die durch die Gaspreisbremse pro Haushalt subventioniert wird, würde das Instrument sozial deutlich zielgenauer machen und die Kosten für Staat und Steuerzahlende reduzieren.

Bei einem pragmatischen Ansatz, Mehrfamilienhäuser mit Gas-Zentralheizung nach einer einfachen Erklärung durch die Vermieter von der Obergrenze auszunehmen, wäre eine solche Obergrenze auch schnell administrativ umzusetzen. Denn so lässt sich das Problem umgehen, dass Versorgern üblicherweise Daten darüber fehlen, wie viele Haushalte mit einem Gasanschluss versorgt werden. Das ergibt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Das IMK berechnet darin die Wirkung von drei Obergrenzen: 15.000, 20.000 und 25.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr als maximale Menge pro Haushalt, die durch die Bremse auf 12 Cent pro Kilowattstunde (kWh) preisgedämpft wird. „Obergrenzen können dabei die Gaspreisbremse sozial gerechter und fiskalisch sparsamer gestalten“ lautet das Fazit der Studienautoren um Prof. Dr. Sebastian Dullien, den wissenschaftlichen Direktor des IMK.

Bei jeder der drei untersuchten Höchstgrenzen würde die Subventionierung überwiegend bei Haushalten gekappt, die weniger Unterstützung brauchen, weil sie höhere Einkommen haben. Verstärkt wird diese Tendenz durch das Aufheben der Obergrenze für Mehrfamilienhäuser mit Gas-Zentralheizung. Da Menschen mit niedrigeren Einkommen relativ häufig in Wohnungen in solchen Häusern leben, wird damit der Anteil der Haushalte verringert, die trotz niedriger Einkommen von der Kappungsgrenze betroffen wären, etwa, weil ihre Mietwohnung alt und schlecht gedämmt ist.

Je höher die Kappungsgrenze, desto stärker werden einkommensschwache Haushalte entlastet

Gleichwohl würde eine relativ niedrige Obergrenze von 15.000 kWh pro Jahr neben einem knappen Drittel der Haushalte mit den höchsten Einkommen und Gasbezug auch eine nennenswerte Zahl von Menschen mit niedrigeren Einkommen treffen. So würden beispielsweise knapp 7 Prozent der gasverbrauchenden Haushalte aus dem untersten Einkommensfünftel die Kappungsgrenze überschreiten – freilich meist nur geringfügig. Um soziale Härten so weit wie möglich zu verhindern, sollte als Flankierung zur Obergrenze daher stets eine Härtefallregelung eingerichtet werden, um bedürftige Haushalte zu unterstützen, so das IMK. Zöge man die Grenze bei 25.000 kWh, wären dagegen von vornherein nur 1,1 Prozent der Haushalte im untersten Einkommensfünftel betroffen. Bei 20.000 kWh wären es 2,9 Prozent. Spiegelbildlich wären mit höheren Obergrenzen natürlich auch die absolute Kappungswirkung im oberen Einkommensbereich und die Einsparungen für die öffentliche Hand geringer. Letztere reichen von knapp 800 Millionen (bei 25.000 kWh) bis zu gut 3 Milliarden Euro (bei 15.000 kWh) pro Jahr.

Die Gaspreiskommission hatte in ihrem Bericht vorgeschlagen, pro Haushalt ein Kontingent von 80 Prozent des jeweiligen prognostizierten Jahresverbrauchs an Gas de facto auf einen Preis von 12 Cent pro kWh herunterzusubventionieren. Gleichzeitig hatte die Kommission einen Prüfauftrag an die Bundesregierung formuliert, die Möglichkeiten einer Obergrenze auszuloten. Das IMK skizziert nun mögliche Modelle. „Unsere Studie zeigt: Eine soziale Obergrenze bei der Gaspreisbremse lässt sich so gestalten, dass diejenigen, die es wirklich brauchen, wirksam entlastet werden. Sie verhindert gleichzeitig, dass Haushalte mit hohem Einkommen, großer Wohnfläche und sehr hohem monatlichem Verbrauch besonders hohe Entlastungszahlungen erhalten, was ökonomisch und ökologisch unsinnig ist und sozial ungerecht“, sagt Ko-Autor Sebastian Dullien. „Der Ansatz ist schnell umsetzbar, weil dafür nur Informationen notwendig sind, die die Gasversorger haben oder rasch und einfach bekommen können. Aus dem gleichen Grund ist er definitiv nicht perfekt, aber aus unserer Sicht eine deutliche Verbesserung gegenüber einer Regelung ohne Obergrenze.“

29 oder 251 Euro monatliche Entlastung – ohne Obergrenze erhalten Wohlhabende die höchsten Beträge

Ohne Kappung steigen die durchschnittlichen monatlichen Entlastungszahlungen, mit wenigen Ausreißern, mit dem Haushaltsnettoeinkommen. Der Grund: Zwar erhalten alle Haushalte den gleichen Anteil an ihrem Gasverbrauch subventioniert, mit dem Einkommen wachsen aber im Mittel auch Wohnfläche und Gasbedarf deutlich. So verbrauchten 2018 rund 43 Prozent der Haushalte im obersten Einkommensfünftel (Quintil) so viel Gas, dass ihr 80-Prozent-Kontingent 15.000 kWh überschreiten würde. Bei den Haushalten im Fünftel mit den niedrigsten Einkommen galt das hingegen für 16 Prozent, zeigen Dullien und seine Forscherkollegen Dr. Tom Bauermann, Lukas Endres und Jan-Erik Thie auf Basis der repräsentativen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS).

Die finanziellen Folgen bei der Entlastung berechnen die Forscher für vier Haushaltstypen: Singles, Alleinerziehende, Paare ohne Kind und Paare mit mindestens einem Kind. In all diesen Konstellationen sind ohne Obergrenze die durchschnittlichen Entlastungsbeiträge für Haushalte, die zum Fünftel mit den höchsten Einkommen gehören, deutlich höher als die Zahlungen, die an gleich große Haushalte im untersten Quintil der Einkommensverteilung fließen. Konkret steigt mit dem Einkommen die absehbare durchschnittliche Entlastung pro Monat bei Single-Haushalten von rund 95 Euro im untersten Einkommensfünftel auf gut 141 Euro im obersten. Bei kinderlosen Paaren sind es durchschnittlich 131 gegenüber 176 Euro monatlich. Bei Paarhaushalten mit Kindern reicht die Spanne von 154 Euro im ersten bis 175 Euro Entlastung monatlich im fünften Quintil. Bei Familien mit einem Elternteil zeigt sich im Durchschnitt die gleiche Tendenz, die Datenlage in den beiden oberen Quintilen ist aber zu dünn für einen vollständigen Vergleich: Nur sehr wenige Alleinerziehende, meist sind es Frauen, erzielen ein so hohes Einkommen.

Auch innerhalb der Einkommensquintile sind dabei noch einmal Varianzen beim Verbrauch zu beobachten. Beispielsweise können auch relativ arme Haushalte in einer schlecht gedämmten Mietwohnung einen hohen Heizbedarf haben – oder sie ertragen niedrige Temperaturen, weil das Geld einfach nicht reicht. Und wohlhabende Haushalte können in einer modernen Eigentumswohnung mit Dreifachverglasung leben oder in einer Villa aus den 1970er Jahren mit Pool.

Betrachtet man nun die gesamte Bandbreite jenseits der Durchschnittswerte, lassen sich auch die Unterschiede bei der Entlastung ohne Obergrenze an den Polen der Verbrauchs- und Einkommensverteilung zeigen: Sie fallen noch einmal weitaus größer aus als die durchschnittlichen Werte. Schaut man etwa auf jene Single-Haushalte im untersten Einkommensfünftel, die dort zum Zehntel mit dem niedrigsten Verbrauch zählen, beträgt die monatliche Entlastung durch die Gaspreisbremse 29 Euro. 156 Euro wären es für die Verbraucher im untersten Einkommensquintil, die zu den oberen 10 Prozent der Verbraucher dieses Quintils gehören. 251 Euro oder mehr monatlich würde dagegen ein Single-Haushalt im obersten Fünftel der Einkommensverteilung erhalten, der dort zu den zehn Prozent mit dem höchsten Gasverbrauch zählt. Mit bis zu 60 Euro würden kinderlose Paare im untersten Einkommensquintil entlastet, die dort zum Zehntel mit dem niedrigsten Verbrauch zählen. 282 Euro und mehr würden hingegen die Großverbraucher des obersten Einkommensquintils der kinderlosen Paare bekommen, die zu den zehn Prozent mit dem höchsten Verbrauch zählen. Bei Paarfamilien würden die Geringverbraucher im untersten Einkommensquintil bis zu 71 Euro bekommen und die Großverbraucher im obersten Quintil 282 Euro und mehr. Unter Alleinerziehenden lässt sich der Vergleich erneut nur zwischen dem ersten und dem dritten Quintil anstellen, die Spanne ist deutlich kleiner, der Trend weniger ausgeprägt.

Ist die Obergrenze niedrig, liegen auch 7 Prozent der ärmeren Haushalte über der Kappungsgrenze

Eine Obergrenze würde die Unwucht reduzieren, indem sie sehr hohe Entlastungsbeträge kappt. Haushalte mit sehr hohem Verbrauch – und oft hohen Einkommen – würden dann faktisch nicht 80 Prozent des prognostizierten Verbrauchs zum subventionierten Basispreis erhalten, sondern einen geringeren Anteil. Besitzerinnen und Besitzer großer Eigenheime sollten vergleichsweise gute Möglichkeiten haben, darauf mit Einsparungen zu reagieren, argumentieren die IMK-Experten: Sie haben direkten Zugriff auf die Heizung und können beispielsweise die Temperatur in wenig genutzten Räumen dauerhaft absenken oder Einrichtungen wie Heimschwimmbäder zeitweilig stilllegen. Zudem haben sie es selber in der Hand, Maßnahmen zur Wärmedämmung in Auftrag zu geben oder das Heizsystem zu wechseln.

Je nachdem, wo sie gezogen wird, betrifft die Obergrenze zwischen 32 Prozent (bei 15.000 kWh pro Jahr) und rund 7 Prozent (bei 25.000 kWh) der Haushalte im obersten Einkommensfünftel. Sie würden also weniger als 80 Prozent ihres prognostizierten Verbrauchs verbilligt erhalten. Der Anteil der Betroffenen sinkt jeweils mit dem Einkommen, zeigen die Berechnungen des IMK. Allerdings wäre eine Grenze von 15.000 kWh auch für einen relevanten Teil der Haushalte mit niedrigeren Einkommen spürbar: Knapp 7 Prozent der Haushalte im untersten Fünftel und gut 14 Prozent im zweiten Quintil lägen darüber, wenn auch oft nur recht geringfügig. Bei 25.000 kWh Kappungsgrenze wären es von vornherein nur gut 1 bzw. knapp 3 Prozent.

Abhängig von der konkreten Höhe der Obergrenze fällt auch der Einspareffekt für den Staat unterschiedlich aus. Bei einer Grenze von 15.000 kWh pro Jahr müsste die öffentliche Hand pro Jahr rund 3,06 Milliarden Euro weniger aufwenden als ohne Kappung. 36 Prozent der Einsparungen gehen dann auf Einsparungen beim obersten Einkommensfünftel zurück. Bei 25.000 kWh Obergrenze wären es knapp 800 Millionen Euro Einsparung, bei 20.000 kWh knapp 1,5 Milliarden. Auf das oberste Fünftel entfielen dann rund 42 bzw. 39 Prozent. Die eingesparten öffentlichen Mittel sollten für klimafreundliche soziale Wohnbauprogramme eingesetzt werden, empfiehlt das IMK.

Das Verfahren: Obergrenze mit Widerspruchslösung

Die Gaspreiskommission stieß bei ihrer Arbeit an einem Konzept zur Preisbremse häufig auf Einwände der Versorgungsunternehmen. Diese machten geltend, sie hätten nur wenige Daten über ihre Kunden. So könnten sie beispielsweise nicht genau sagen, ob es sich bei einem Anschluss um einen Einzelhaushalt mit sehr hohem Verbrauch handelt oder um ein Mehrfamilienhaus, bei dem der Vermieter den Gasabschlag intern umlegt. Um dieses Problem zu umgehen, böte sich nach Einschätzung des IMK die Einführung einer Obergrenze mit Widerspruchslösung an.

Die Versorger würden die Obergrenzen dann pauschal für alle Anschlüsse einführen. Anschließend würden Mehrfamilienhäuser und Gewerbebetriebe von der Obergrenze ausgenommen. Dazu würden Inhaber von zentralen Gasanschlüssen (Gaszentralheizung), bei denen entweder Häuser mit mehreren Wohneinheiten (anbieten würde sich eine Mindestgrenze von zwei Wohneinheiten mit mindestens sechs gemeldeten Personen, um Missbrauch zu begrenzen) oder Gewerben versorgt werden, gegenüber dem Versorger erklären, dass ihr Anschluss mehrere Parteien im Gebäude versorgt. Anschließend würden die Obergrenzen für diese Anschlüsse aufgehoben. Die Obergrenzen würden damit de facto nur für Einfamilienhäuser oder MieterInnen mit direkten Gasanschlüssen (z.B. Gasetagenheizung) gelten. Missbrauch könnte man verhindern, indem anschließend stichprobenartig geprüft wird, ob die Erklärungen der Wahrheit entsprechen und gegebenenfalls Strafverfahren wegen Subventionsbetrug einleitet.

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Bild: Teona Swift (Pexels, Pexels Lizenz)

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