Wer hat Angst vor Selbstbestimmung

13.04.2023  — Samira Sieverdingbeck.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Das Transsexuellengesetz hat ausgedient, das Selbstbestimmungsgesetz soll es ablösen. Nach der Vorstellung erster Eckpunkte, sorgten sich Kritiker. Jetzt haben sich die zuständigen Minister geeinigt.

Wer als Transperson Vorname und Geschlecht offiziell ändern möchte, muss Zeit, Geld und vor allem Nerven mitbringen. Zwei Gutachten werden erstellt. Die Fragen sind mitunter sehr intim und reichen bis weit in die Kindheit zurück. Sie wärmen stereotype Rollenbilder auf und gehen im wahrsten Sinne des Wortes unter die Gürtellinie. Die Abhängigkeit der Antragstellenden von den Gutachterinnen und Gutachtern ist dabei enorm, die Kosten sind hoch. Das dahinterstehende Transsexuellengesetz trat vor über 40 Jahren in Kraft. Bis 2011 mussten Transpersonen sich für die Ausweisänderung sterilisieren lassen. Bis 2008 gab das Gesetz auch die Scheidung von Ehepartnern vor. Mehrere Artikel wurden als verfassungswidrig erklärt und gestrichen. Das Gesetz ist also nicht nur veraltet, sondern auch löchrig; eine Ablöse überfällig.

Das „Selbstbestimmungsgesetz“ soll den Job machen. In Zukunft soll es die niederschwellige Änderung des Vornamens und Geschlechts ermöglichen. Zunächst sollte es bis Ende 2022 in Kraft treten, dann wurde die Sommerpause 2023 anvisiert. Ende März konnten sich Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Bundesjustizminister Marco Buschmann schließlich einigen. Ein Gesetzesentwurf sei auf dem Weg.

Bereits nach der Vorstellung erster Eckpunkte sorgten sich Kritikerinnen und Kritiker, Cis-Personen könnten sich durch das Gesetz Vorteile erschleichen – Mit geändertem Ausweisen in Schutzräume, wie Umkleiden oder Frauenhäuser, eindringen und dort andere belästigen. Jedoch haben Menschen, die Geschlecht und Vorname ändern lassen, um andere zu belästigen oder sich Vorteile zu verschaffen, nichts mit Transidentität zu tun. Wer so opportunistisch agiert, wird dies mit hoher Wahrscheinlich auch ohne entsprechendes Gesetz tun. Trotzdem soll das Thema in das neue Gesetz aufgenommen werden, sodass schützenswerte Personen weiterhin Sicherheit erfahren. Unabhängig des Geschlechtseintrags soll in geschützten Frauenräumen weiterhin das Hausrecht gelten. Somit können Personen, unabhängig ihres Geschlechts, rechtmäßig eines Ortes verwiesen werden.

Darüber hinaus soll es eine dreimonatige Wartefrist zwischen der Antragstellung und der tatsächlichen Änderung des amtlichen Geschlechts geben. Bereits 2015 forderte der Straßburger Gerichtshof die Mitglieder des Europarats dazu auf, restriktive Regeln für die amtliche Geschlechtsumwandlung abzuschaffen. In der Praxis wird sich also zeigen müssen, ob die Wartefrist die Änderung des Geschlechtseintrags maßgeblich erschwert, und damit den Vorgaben des Europarats widerspricht, oder ob sie sich als sinnvolle Regelung erweist.

Das Selbstbestimmungsgesetz ist ein wichtiges und wirksames Zeichen. Transidentität ist keine Krankheit oder Bedrohung und auch kein Trend. Nicht nur gesellschaftlich, sondern auch strukturell sind Transpersonen immer noch starker Diskriminierung ausgesetzt. Es bleibt also zu hoffen, dass die Bundesregierung zeitnah ein sinnvolles und respektvolles Gesetz auf den Weg bringt, um Diskriminierung entgegen zu wirken.

Lesen Sie mehr zu dem Thema in unserem Fachartikel Das Transsexuellengesetz soll von einem "Selbstbestimmungsgesetz" abgelöst werden

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Bild: Alex Tim (Pexels, Pexels Lizenz)

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