Februar 2021, schien die katholische Kirche ihre Position zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen klar zu definieren: keine Segnung für homosexuelle Paare. Doch nun vollzieht der Vatikan eine Kehrtwende durch eine neue Grundsatzerklärung. "> Zwischen Toleranz und Tradition | dasGleichstellungswissen

Zwischen Toleranz und Tradition

20.12.2023  — Samira Sieverdingbeck.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Vor etwa zwei Jahren, im Februar 2021, schien die katholische Kirche ihre Position zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen klar zu definieren: keine Segnung für homosexuelle Paare. Doch nun vollzieht der Vatikan eine Kehrtwende durch eine neue Grundsatzerklärung.

Ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk?

Am 18. Dezember 2023 veröffentlichte die Kirche die Erklärung mit dem Titel „Fiducia supplicans“ (Das fehlende Vertrauen). Sie erlaubt die Segnung von Paaren in „irregulären Situationen und gleichgeschlechtlichen Paaren“. Mit irregulär sind hier zum Beispiel Unverheiratete oder bereits Geschiedene gemeint. Besonders die Segnung von homosexuellen scheint ein bedeutender Fortschritt zu sein, der Status von nicht-heterosexueller Liebe ändert sich jedoch nicht. Aus der Sicht der katholischen Kirche bleibt die Ehe daher Mann und Frau vorbehalten. Homosexualität sei an sich zwar keine Sünde, wohl aber sie auszuleben. Daher dürfe die Segnung keinesfalls einer Trauung ähneln und ist explizit von Gottesdiensten ausgeschlossen, so heißt es in der Grundsatzerklärung.

Unterzeichnet wurde die Erklärung von Victor Fernandez. Er ist langjähriger Vertrauter des Papsts und seit September 2023 Präfekt der Glaubensbehörde. Papst Franziskus, der kürzlich seinen 87. Geburtstag feierte, genehmigte die Grundsatzerklärung ausdrücklich. Wegen körperlicher Beschwerden verbrachte er kürzlich ein paar Wochen im Krankenhaus. Trotz seiner körperlichen Gebrechen bleibt er seiner Linie treu und setzte sich mutig für den kleinen Fortschritt ein.

Bischof Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz bewertet die Grundsatzerklärung positiv:

Dieses Dokument begrüße ich sehr und bin dankbar für die pastorale Perspektive, die es einnimmt. In Fiducia supplicans wird erläutert, dass es dem geweihten Seelsorger grundsätzlich möglich und erlaubt ist, auf den Wunsch von Paaren einzugehen, die um einen Segen für ihre Partnerschaft bitten, auch wenn sie nicht in jeder Hinsicht nach den Normen der Kirche leben.

Die Freude hält sich in Grenzen

Der Beauftragte der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (Queer-Beauftragte), Sven Lehmann, bezeichnete die Grundsatzerklärung als „ein längst überfälliges Signal aus dem Vatikan.“ Er kritisierte die „unrühmliche Rolle“ der katholischen Kirche, deren Glaubenslehre in manchen Ländern zur Ausgrenzung oder sogar zu Verfolgung der LQBTQIS*-Community instrumentalisiert werde. „Daher ist es umso wichtiger, dass der Papst als Oberhaupt der Kirche nun unter gewissen Voraussetzungen die Segnung homosexueller Paare erlaubt und sich damit auch gegen die Kriminalisierung und Bestrafung gleichgeschlechtlicher Liebe stellt“, betonte Lehmann.

Die Initiative #OutInChurch setzt sich für eine diskriminierungsfreie katholische Kirche und im Besonderen für ein diskriminierungsfreies Arbeitsrecht der Kirche ein. 2022 outeten sich über 100 Personen öffentlich und konnten dadurch eine Neufassung des Arbeitsrechts erreichen. Zu der Grundsatzerklärung äußert sich #OutInChurch mit zurückhaltender Begeisterung:

Die heutige Erklärung zur Möglichkeit der Segnung für queere Paare wirkt wie ein unerwartetes und vorgezogenes Weihnachtsgeschenk. Bei aller Freude über diesen vermeintlichen Fortschritt bleibt aber doch festzustellen, dass es sich tatsächlich doch nur um einen eher kleinen Schritt handelt.

Miki Herrlein aus dem Vorstand von #OutInChurch kommentierte passend:

Was der Vatikan heute präsentiert hat, ist in weiten Teilen doch eher eine Mogelpackung. Stell dir vor du wünscht dir ein paar schöne Schuhe, bekommst dann aber doch nur ein paar selbstgestrickte Socken!

Tolerieren, kein Gutheißen

Die katholische Kirche ist nicht gerade als Vorreiter gesellschaftlicher Veränderungen bekannt und auch sie bleibt ihrer Linie treu. Die Segnung von unverheirateten und gleichgeschlechtlichen Paaren markiert zwar einen bedeutenden Schritt – allerdings einen kleinen.

Auf der einen Seite bedeutet sie ein Stück Annahme für Katholiken und Katholikinnen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Auf der anderen Seite bremst deutliche Abgrenzung zur Ehe, wie sie die Kirche definiert, den Enthusiasmus – es ist ein Tolerieren, kein Gutheißen.

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Bild: Aaron Burden (Unsplash, Unsplash Lizenz)

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