15.01.2025 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Jan Einhaus ist seit vielen Jahren Referent beim Verlag Dashöfer, er ist Fachanwalt für Arbeitsrecht der Kanzlei Littler – eine internationale Arbeitsrechtskanzlei, die Arbeitgebende und Unternehmen in allen Fragen des Arbeitsrechts unterstützt und berät.
Kerstin Prassek ist seit drei Jahren als Referentin beim Verlag Dashöfer tätig und beschäftigt sich im Rahmen ihrer Online-Seminare viel mit dem Thema Entgeltabrechnung. Zuvor war sie über 15 Jahre in der Geschäftsleitung eines Handwerksbetriebes tätig, wodurch sie mit der Problematik der Entgeltabrechnung bestens vertraut ist.Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels hat die Fortführung der Arbeitsverhältnisse mit Rentnerinnen und Rentnern in den letzten Jahren an Zuwachs gewonnen, weshalb wir heute mit beiden Referierenden über diese Thematik sprechen. Außerdem stellt die Weiterbeschäftigung von Rentnerinnen und Rentnern ein geeignetes Mittel dar, um dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Einhaus:
Wenn Arbeitsverhältnisse unbefristet fortgesetzt werden sollen, ist dies unproblematisch möglich. Wenn der Arbeitsvertrag eine wirksame Befristung bis zum Erreichen des Regelrenteneintrittsalters beinhaltet, kann der Mitarbeitende einfach weiterbeschäftigt werden. So entsteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Parteien können die Befristung auch aufheben und sich auf die unbefristete Fortsetzung verständigen.
Meistens ist die unbefristete Fortsetzung in der Praxis jedoch nicht gewollt, sondern allenfalls eine Verlängerung für eine bestimmte Zeit, etwa einige Monate oder auch Jahre. Hierzu bedarf es einer wirksamen Befristungsvereinbarung. Bei einem befristeten Arbeitsverhältnis ist grundlegend danach zu unterscheiden, ob das bisherige Arbeitsverhältnis mit demselben Arbeitgeber über den Beginn der Regelaltersrente fortgesetzt werden soll oder ob es sich um ein neues Arbeitsverhältnis handelt.
Soll das bisherige Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden, gilt vor allem § 41 Satz 3 SGB VI: Wenn eine Vereinbarung, also Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, können die Arbeitsvertragsparteien hiernach durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses den Beendigungszeitpunkt, gegebenenfalls auch mehrfach, hinausschieben.
Wichtig ist hierbei, dass die sog. Herausschiebens- oder Verlängerungsvereinbarung zum einen schriftlich und zum anderen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen wird, d. h. bis zu dessen letztem Tag vor Rentenbeginn. Nicht abschließend durch die Arbeitsgerichte geklärt ist bisher, ob man weitere Arbeitsbedingungen, z. B. Arbeitszeit, Vergütung oder Urlaub, gleichzeitig mit der Verlängerung in derselben Vereinbarung ändern und anpassen kann. Die Hintergründe hierfür sind sehr technisch und rechtstheoretisch. In der Praxis empfehle ich wegen der unklaren Rechtslage weiterhin den Abschluss von zwei Vereinbarungen.
Ab voraussichtlich kommendem Frühjahr gelten erleichterte Voraussetzungen, über die wir gleich noch einmal genauer sprechen werden.
Ein neues Arbeitsverhältnis, d. h. zwischen Parteien, die nicht bereits ein Arbeitsverhältnis verbunden hat, ist nach den allgemeinen Befristungsregelungen des § 14 TzBfG möglich. Hier ist nach einer Befristung mit Sachgrund (Absatz 1) und einer sachgrundlosen Befristung (Absatz 2) zu unterscheiden. Letztere bietet sich bei Neueinstellungen regelmäßig an. Sachgrundlos können Arbeitsverhältnisse bis zur Dauer von zwei Jahren befristet werden. In diesem Zeitraum kann die Befristung höchstens dreimal verlängert werden (Beispiel: 4 x 6 Monate).
Einhaus:
Nein, das Alter und auch der Rentenbeginn sind keine Gründe, die das Arbeitsverhältnis automatisch beenden. Das ist eine häufige Fehlvorstellung. Das Lebensalter an sich bzw. der Rentenbezug stellen auch keinen personenbedingten Kündigungsgrund dar. Auch dies wird oftmals angenommen. Ein automatisches Ende des Arbeitsverhältnisses tritt nur ein, wenn dies im Arbeitsvertrag oder auch im Tarifvertrag so vorgesehen und wirksam vereinbart worden ist. Dies geschieht in der Praxis regelmäßig durch Klauseln, die in etwa wie folgt lauten:
Das Arbeitsverhältnis endet ohne Ausspruch einer Kündigung mit Ablauf des Kalendermonats, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht. Zurzeit ist dies das 67. Lebensjahr. Zuvor kann es von beiden Seiten jederzeit ordentlich gekündigt werden.
Solche Klauseln sind von der Rechtsprechung seit Langem anerkannt. Sie sind nicht diskriminierend und dienen einer gerechten Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen.
Einhaus:
Die bisherige Ampelkoalition hat in diesem Sommer im Rahmen der sog. Wachstumsinitiative erhebliche Erleichterungen im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Altersrentnerinnen und -rentnern beschlossen. Vor allem formelle Hürden und Einschränkungen wurden aufgehoben, wie etwa die strenge Schriftformerfordernis für Befristungen. Schriftform bedeutet hierbei Originalunterschriften mit nasser Tinte auf einem Dokument. Kopien, E-Mail, DocuSign war alles nicht möglich. Dies galt übrigens nicht nur für die Verlängerungsvereinbarung, sondern auch für den Arbeitsvertrag, der die automatische Beendigung mit Beginn der Regelaltersrente vorsieht.
Diese Regelung soll nun aufgehoben werden. Künftig bedarf eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, zu ihrer Wirksamkeit nur noch der Textform. E-Mail, DocuSign, Kopien und PDF sind damit möglich.
Zudem können Arbeitnehmende künftig (voraussichtlich im Frühjahr 2025) auch nach Beginn der Rente mit ihrem bisherigen Arbeitgeber die befristete Weiterbeschäftigung vereinbaren, ohne dass es hierfür eines spezifischen Grundes bedarf, etwa ein bestimmtes Projekt oder eine Vertretung. Künftig können maximal 12 befristete Arbeitsverträge über einen Gesamtzeitraum von 8 Jahren abgeschlossen werden.
Passek:
Es gibt eine ganze Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten und ich gehe davon aus, dass viele Arbeitgebende, der ältere Mitarbeitende im Unternehmen beschäftigt haben, diese auch nutzen möchten. Warum? Nun, Arbeitgebende nutzen in Zeiten von Fachkräftemangel immer mehr so genannte „Goodies“, um Mitarbeitende, egal welchen Alters, zu motivieren.
Grundsätzlich können alle Gestaltungsmöglichkeiten, die es für Minijobberinnen und Minijobber gibt, natürlich auch für beschäftigte Rentnerinnen und Rentner genutzt werden. Das heißt, alles, was steuer- und sozialversicherungsfrei ausgezahlt werden kann, kann auch an Rentnerinnen und Rentner zusätzlich zum Minijobentgelt ausgezahlt werden, wie zum Beispiel das Jobticket oder das Jobrad on top. Aber wie sieht es mit den Risiken aus?
Oft ist es bei älteren Beschäftigten so, dass sie nach einem Arbeitsleben in Vollzeit schrittweise aussteigen möchten, und da ist der Minijob für 10 Stunden pro Woche eine gute Gelegenheit, um noch ein wenig weiterzuarbeiten und Geld zu verdienen.
Wenn ich im Rahmen dieses Minijobs arbeite, aber z. B. durch tarifvertragliche Vereinbarungen noch Ansprüche auf Einmalzahlungen, Weihnachtsgeld, Sonderzahlungen etc. habe, die auf Basis der Vollzeit aus dem letzten Jahr entstehen, dann besteht die Gefahr, dass dadurch die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wird und damit diese Minijob-Lösung, die ja steuer- und sozialversicherungsfrei sein soll, in dem ersten Jahr nach der Vollzeit von Beginn an sozialversicherungspflichtig ist.
Diese Einmalzahlungen sind zu berücksichtigen, wenn ich beim Übergang in den Ruhestand noch als Minijobberin und Minijobber tätig sein möchte.
Worauf man auch achten muss: Wenn es personelle Engpässe gibt und jemand mal ein oder zwei Monate mehr arbeitet als vereinbart und dementsprechend auch mehr Geld bekommt als die 556 Euro, die aktuell im Monat möglich sind, dann sollte man genau dokumentieren, warum es zu einer solchen Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze kommt. Es muss sich immer um eine unvorhersehbare Überschreitung handeln, z. B. um eine Krankheitsvertretung, im Gegensatz zB zur vorhersehbaren Urlaubsvertretung.
Einhaus:
Eine andere Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung von Rentnerinnen und Rentnern stellen der freie Dienst oder die Werkverträge dar, die sich von einem Arbeitsverhältnis abgrenzen. Relevant kann dies z. B. bei sog. „Senior Consultant“ werden. Hier werden, in Abgrenzung zu Arbeitsleistungen in persönlicher Abhängigkeit, selbstständige unternehmerische Tätigkeiten erbracht, da ein Arbeitnehmender weisungsgebundene Dienstleistungen im Rahmen einer von Dritten bestimmten, fremden Arbeitsorganisation erbringt.
Ausschlaggebend ist stets die praktische Vertragsdurchführung, nicht die Bezeichnung im Vertrag. Hierbei ist eine typologische Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der u.a.
zu berücksichtigen und zu bewerten sind.
Soll die einzustellende Rentnerin bzw. der einzustellende Rentner, die oder der bereits zuvor für denselben Arbeitgeber tätig war, die identischen Tätigkeiten weitestgehend unverändert fortführen, ist von der Begründung eines freien Mitarbeiterverhältnisses abzusehen. Hier ist die Annahme einer Scheinselbständigkeit sehr naheliegend. Freie Mitarbeit bietet sich demnach dem Grunde nach nur an, wenn ein abgrenzbarer Beratungsauftrag vorliegt und die Eingliederung der Rentnerin oder des Rentners die betriebliche Organisation nicht erforderlich ist.
Stellt sich das vermeintlich freie Dienst- oder Werkvertragsverhältnis tatsächlich als weisungsgebundenes Arbeitsverhältnis heraus, hat dies rechtliche und finanzielle Konsequenzen: Zum einen ist das Vertragsverhältnis wie ein Arbeitsverhältnis zu behandeln einschließlich Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch und Lohnfortzahlungsverpflichtung. Zum anderen sind deswegen in finanzieller Sicht Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer nachzuzahlen. Bei vorsätzlichem Handeln kann sogar eine Strafbarkeit, etwa wegen Steuerhinterziehung, vorliegen.
Passek:
Es ergeben sich Auswirkungen auf den sozialversicherungsrechtlichen Status älterer Arbeitnehmender, die eine Vollrente beziehen, insbesondere in der Krankenversicherung! Für die Beitragsberechnung in der Krankenversicherung wird ein geringerer Beitrag berechnet. Im Gegenzug hat dies natürliche Auswirkung auf die Ansprüche der beschäftigten Rentenbezieher. Das heißt, wenn auf der einen Seite durch den Rentenbezug weniger Krankenversicherungsbeiträge fällig werden, besteht auf der anderen Seite im Krankheitsfall kein Anspruch auf Krankengeld von der Krankenkasse.
Weiter ist für ältere Beschäftigte bei der Entgeltabrechnung der Altersentlastungsbetrag, zu berücksichtigen. Dabei wird das Bruttoentgelt um einen bestimmten Betrag gekürzt, der jeweils vom Geburtsjahr des Mitarbeitenden abhängt. Das ist aber unabhängig davon, ob eine Rente bezogen wird oder nicht und gilt ab dem Folgejahr nach dem vollendeten 64. Lebensjahr.
Nach Erreichen der Regelaltersgrenze gibt es Auswirkungen in der Sozialversicherung, die die Arbeitslosenversicherung und die Rentenversicherung betreffen. Diese sind dann jeweils beitragsfrei für den Mitarbeitenden.
Passek:
Natürlich ist es aufgrund des Ampel-Aus schwer abzuschätzen, welche Veränderungen es geben wird.
Die Problematik, ältere Mitarbeitende möglichst lange im Betrieb zu halten, wird aber auch 2025 bestehen bleiben. Was mit den gesetzlichen Regelungen passiert, die für 2025 geplant sind, können wir zum jetzigen Zeitpunkt schwer abschätzen. Aber dass sich hier etwas tun muss, wird sicherlich auch von der neuen Bundesregierung so gesehen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte die Online-Redakteurin Michelle Bittroff vom Verlag Dashöfer.
Bild: Andrea Piacquadio (Pexels, Pexels Lizenz)