23.07.2019 — Udo Cremer. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Die Klägerin ist eine im Jahr 1993 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die Einnahmen aus der Verpachtung eines Hotel-Gasthofs erzielt. Gesellschafter der GbR sind jeweils zur Hälfte die Brüder A und B. Der Hotel-Gasthof wurde von der Klägerin mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 18. August 1993 zum Gesamtkaufpreis von 5.200.000 DM (entspricht 2.658.718 EUR) erworben. Zum Hotel- und Gaststättenkomplex gehören Nebengebäude und ein Wohnhaus sowie Wald-, Wiesen- und Landwirtschaftsflächen, für die im Kaufvertrag jeweils Einzelkaufpreise vereinbart wurden.
Die Klägerin verpachtete zunächst (mit Pachtvertrag vom 4. November 1993) den Betrieb des Hotel-Restaurants an einen Fremdpächter; nach § 1 des Pachtvertrages vom 4. November 1993 waren die Nebengebäude sowie das Wohnhaus nicht Gegenstand des Pachtverhältnisses. Mit Schreiben vom 11. Juni 1999 sprach die Klägerin gegenüber dem Pächter die fristlose Kündigung des Pachtvertrages aus, nachdem dieser seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Pachtvertrag über einen beträchtlichen Zeitraum nicht nachgekommen war. In der Folgezeit leitete die Klägerin einen Um- und Erweiterungsbau ein, mit dem nicht nur die Zahl der Hotelzimmer von ursprünglich sechs auf 22 Zimmer erhöht und das Restaurant sowie weitere Gebäude und Anlagen renoviert wurden, sondern auch eine Hebung des Hotelstandards von ursprünglich zwei Sternen auf vier Sterne verbunden war. Nach Abschluss der Um- und Erweiterungsbauarbeiten im Jahr 2001 verpachtete die Klägerin den gesamten Hotel- und Gaststättenkomplex – einschließlich Nebengebäude und Wohnhaus, in welchem sich nach dem Umbau Personalwohnungen und ein Tagungsraum befinden – durch einheitlichen Pachtvertrag an eine Betriebs-GmbH, die zunächst von fremden Geschäftsführern geführt wurde; ab 2010 übernahm die Ehefrau des Gesellschafters A die Geschäftsführung. Das Hotel und die Gastronomie werden seitdem mit angestellten Wirten betrieben.
In den Streitjahren (2008 bis 2010) erklärte die Klägerin - ebenso wie in den Vorjahren seit Erwerb - Werbungskostenüberschüsse aus der Vermietung des Hotel- und Gaststättenkomplexes, die das FA in den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO stehenden Bescheiden über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre zunächst im erklärten Umfang anerkannte. Im Rahmen der Veranlagung 2011 führte das FA auf der Grundlage der aus den bisherigen Veranlagungen ermittelten Geschäftszahlen eine (provisorische) Überschussprognose durch und ermittelte für den Zeitraum 1995 bis einschließlich 2024 einen Totalverlust; die Jahre 1993 und 1994 blieben insoweit unberücksichtigt, da hierüber keine Unterlagen und Geschäftszahlen mehr vorlagen. Vor diesem Hintergrund erkannte das FA die Werbungskostenüberschüsse für die Streitjahre wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht nicht mehr an und erließ unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung am 11. Februar 2013 entsprechende Änderungsbescheide für die Streitjahre 2008 bis 2010 sowie am 11. Februar 2013 bzw. am 7. Februar 2014 entsprechende Erstbescheide für die Streitjahre 2011 und 2012, in denen die Einkünfte der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG jeweils mit 0 EUR festgestellt wurden. Die hiergegen gerichteten Einsprüche der Klägerin hatten keinen Erfolg. Das FG wies die von der Klägerin erhobene Klage mit seinem in EFG 2018, 1651 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Das FG entschied, dass die Klägerin in den Streitjahren ohne Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt habe.
Die Revision ist begründet (BFH- Urteil vom 19.2.2019, IX R 16/18). Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FG ist im Streitfall zwar zutreffend davon ausgegangen, dass im Rahmen der von der Klägerin ausgeübten Vermietungstätigkeit die Überschusserzielungsabsicht (ohne typisierende Vermutung) im Einzelfall festzustellen ist; zu Unrecht hat das FG indes angenommen, dass der Überschussprognosezeitraum für den von der Klägerin vermieteten Hotel- und Gaststättenkomplex bereits mit der Anschaffung im Jahr 1993 begann.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer (in objektiver Hinsicht) ein Grundstück, ein Gebäude oder einen Gebäudeteil gegen Entgelt zur Nutzung überlässt und (in subjektiver Hinsicht) beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung einen Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind objektbezogen zu prüfen. Den objektiven Tatbestand der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verwirklicht, wer unbewegliches Vermögen vermietet. Neben einem Rechtsverhältnis in Form eines Miet- oder Pachtvertrages verlangt das Gesetz ein bestimmtes Objekt (z.B. Grundstück, Gebäude oder Gebäudeteil), auf das sich die Vermietungstätigkeit des Steuerpflichtigen beziehen muss. Vor diesem Hintergrund ist die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbare Tätigkeit objekt- und nicht grundstücksbezogen, d.h. sie ist auf ein bestimmtes Immobilienobjekt ausgerichtet. Vermietet der Steuerpflichtige mehrere Objekte auf der Grundlage verschiedener Rechtsverhältnisse oder nach Maßgabe unterschiedlicher miet- oder pachtrechtlicher Vertragsbedingungen, so ist jede Tätigkeit grundsätzlich je für sich zu beurteilen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Objekte auf einem Grundstück (im zivilrechtlichen Sinne) befinden.
Wie der objektive Tatbestand ist auch der subjektive Tatbestand (die Einkünfteerzielungsabsicht) objektbezogen. Sie ist nur dann in Bezug auf mehrere Objekte oder das gesamte Grundstück zu prüfen, wenn sich auch die Vermietungstätigkeit gleichzeitig, d.h. in objektiver Hinsicht, auf mehrere Objekte oder auf das gesamte Grundstück richtet. Werden demgegenüber verschiedene, auf einem Grundstück gelegene Gebäudeteile jeweils einzeln (auf der Grundlage verschiedener Rechtsverhältnisse oder nach Maßgabe unterschiedlicher miet- oder pachtrechtlicher Vertragsbedingungen) vermietet, bezieht sich die Einkünfteerzielungsabsicht nur auf das jeweilige Objekt.
Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, den subjektiven Steuertatbestand zu verwirklichen und damit einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben. Dies gilt jedoch nur für die Vermietung von Wohnraum, nicht indes für die Vermietung von Gewerbeimmobilien. Vielmehr ist bei Gewerbeimmobilien die Überschusserzielungsabsicht stets ohne typisierende Vermutung im Einzelfall festzustellen. Denn die Vermietung zu gewerblichen Zwecken ist wegen ihres Einflusses auf den Gebrauchswert der Immobilie nicht mit einer auf Dauer ausgerichteten Wohnraumvermietung vergleichbar. Dabei sind Gewerbeimmobilien alle Immobilien, die nicht Wohnzwecken dienen.
Ob die Vermietungstätigkeit einen Totalüberschuss erwarten lässt, hängt von einer unter Heranziehung aller objektiv erkennbaren Umstände zu treffenden Prognose über die voraussichtliche Dauer der Vermögensnutzung, die in dieser Zeitspanne voraussichtlich erzielbaren steuerpflichtigen Erträge und anfallenden Werbungskosten ab. Für die durchzuführende Totalüberschussprognose ist auf einen typisierten Zeitraum von 30 Jahren abzustellen; sie ist aus der Sicht ex ante und auf den Schluss des jeweils streitigen Veranlagungszeitraums aufzustellen. Zu berücksichtigen ist u.a., dass die zukünftig zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben nur dann anhand des Durchschnitts der in der Vergangenheit angefallenen Einnahmen und Werbungskosten zu schätzen sind, wenn keine ausreichenden objektiven Umstände für die zukünftige Entwicklung der Mieteinnahmen und Ausgaben vorliegen. Der Prognosezeitraum beginnt grundsätzlich mit dem Erwerb oder der Herstellung des für die Prognoseentscheidung maßgeblichen Objekts. Entschließt sich der Steuerpflichtige, nach einer vorangegangenen Vermietungstätigkeit eine andere Form der Vermietung (etwa durch die gleichzeitige Vermietung mehrerer Objekte, die vorher einzeln oder gar nicht vermietet waren, im Rahmen eines einheitlichen Mietvertrages) aufzunehmen, ist der subjektive Tatbestand des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in diesem Zeitpunkt neu zu bewerten. Die Feststellung, ob im Einzelfall die Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt, hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung als Tatfrage zu entscheiden.
Der Autor:
Udo Cremer ist geprüfter Bilanzbuchhalter (IHK) und hat die Steuerberaterprüfung mit Erfolg abgelegt. Er ist als Dozent für Steuer- und Wirtschaftsrecht tätig und veröffentlicht seit mehreren Jahren praxisorientierte Fachbücher zu den Themen Buchführung, Kostenrechnung, Preiskalkulation, Kennzahlen, Jahresabschluss und Steuerrecht. Daneben wirkt er als Autor an zahlreichen Fachzeitschriften und Loseblattsammlungen im Bereich der Buchhaltung und des Steuerrechts mit.
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