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'Stinkefinger' gegenüber der Vorgesetzten

06.03.2013  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: VG Ansbach.

Eine Arbeitnehmerin in einem Pflegeheim ließ sich gegenüber ihrer Vorgesetzten zu einer unschönen Geste hinreißen. Die daraufhin ausgesprochene fristlose Kündigung hat sie vor Gericht dann angefochten.

Der Antragsteller trägt vor, dass die Vorgesetzte der Beteiligten, Frau X sich am 2. März 2012 gegen 16.40 Uhr zur Beteiligten begab, um diese zu unterstützen, weil sie erst am zweiten Tag im neuen Wohnbereich WB 3 tätig gewesen sei. Sie habe sie angetroffen, als die Beteiligte gerade über der Pflegedokumentation gesessen sei und sie freundlich gefragt, ob sie zurecht komme oder ob sie Fragen habe. Daraufhin habe ihr die Beteiligte in provozierendem Ton entgegnet, wann denn die Dokumentation fertig sein solle und dies doch bestimmt nicht in der nächsten Woche sein müsse. Dabei habe sie ihren Unterarm und ihre Hand zur eindeutigen "Stinkefinger"-Geste gegenüber Frau X gehoben. Im Anschluss daran habe Frau X diesen Vorfall der Heimleiterin Frau M. mitgeteilt.

Das Verhalten der Beteiligten stelle eine massive arbeitsvertragliche Pflichtverletzung und als ehrverletzenden Äußerung regelmäßig einen wichtigen Kündigungsgrund für eine außerordentliche Kündigung dar. Das Zeichen des "Stinkefingers" gegenüber einem Vorgesetzten sei eine ehrverletzende Äußerung und für sich allein geeignet, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu begründen.

Diese Kündigung sei auch notwendig, ein milderes Mittel, insbesondere eine Abmahnung, sei nicht erforderlich. Die Beteiligte sei bereits wegen gleichartiger Vorfälle viermal abgemahnt worden. Insoweit verweist der Antragsteller auf Abmahnungen vom 7. November 2008, 19. November 2009 (zweimal) und 15. März 2011.

(...)

Gründe

Die Zustimmung des Personalrats zur beabsichtigten Kündigung mit sozialer Auslauffrist war zu ersetzen, weil sie gerechtfertigt ist (Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayPVG).

Die Beteiligte genießt den Kündigungsschutz des § 15 Abs. 2 Satz 1 KSchG (Art. 47 Abs. 1 BayPVG), weshalb ihr nur gekündigt werden kann, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen würden (vgl. § 626 Abs. 1 BGB). Bei der Entscheidung, ob ein derart wichtiger Grund für eine Kündigung vorliegt, sind alle Umstände zu berücksichtigen und die Interessen beider Vertragsteile gegeneinander abzuwägen.

Eine außerordentliche Kündigung ist nur zulässig, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles möglichen und angemessenen Mittel erschöpft sind und die Kündigung die unausweichlich letzte Maßnahme für die Kündigungsberechtigten ist. Ein verhaltensbedingter in der Person des Arbeitnehmers liegender Kündigungsgrund liegt nur bei schuldhaftem, vorwerfbarem Verhalten vor. Bei der Überprüfung, ob eine außerordentliche Kündigung notwendig und erforderlich ist, hat auch eine Interessenabwägung stattzufinden. Stets zu beachten im Rahmen einer Interessenabwägung ist auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers. Auch ist eine derartige Kündigung nur dann verhältnismäßig, wenn alle anderen, nach den jeweiligen Umständen des konkreten Falles möglichen und angemessenen milderen Mittel erschöpft sind.

Dass das Zeichen des Stinkefingers gegenüber einem Vorgesetzten eine Beleidigung desselben darstellt, ist allgemein anerkannt .

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder seiner Vertreter oder Repräsentanten, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, einen erheblichen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis darstellen und eine außerordentliche fristlose Kündigung an sich rechtfertigen.

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Somit lag ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor, weil die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Beteiligten ist unwiderruflich zerstört.

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Insbesondere ist auch zu berücksichtigen, dass die Beteiligte gerade als Wohnbereichsleiterin selbst eine gewisse Vorgesetztenfunktion hat und deshalb eine Vorbildfunktion wahrzunehmen hätte und sich nicht zu Beleidigungen und ehrverletzenden Verhalten und Herabwürdigung ihrer Dienstvorgesetzten hinreißen lassen darf.

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Im Rahmen der Interessenabwägung war zu berücksichtigen, dass die Beteiligte ledig ist und keine Kinder hat. Ebenso war zu berücksichtigen, dass sie in Kürze erst 54 Jahre alt wird und auf Grund der Arbeitsmarktsituation im Pflegesektor keine Schwierigkeiten haben wird, wieder eine Stelle zu bekommen. Auch ihre lange Betriebszugehörigkeit (seit 1.6.1991) konnte im Rahmen der Interessenabwägung nicht dazu führen, dass die beabsichtigte Kündigung als unzulässig eingestuft wird.

(...)

VG Ansbach, Beschluss vom 07.08.2012, AZ AN 8 P 12.00441 (in Auszügen).

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