20.12.2021 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: LBS.
In vielen dieser Fälle drohen erhebliche zivilrechtliche Forderungen, wenn sich jemand verletzt hat. Der Infodienst Recht und Steuern der LBS hat einige Urteile deutscher Gerichte zu diesem Themenkreis gesammelt.
Es ist nur menschlich, wenn man als Fußgänger auf seinen Wegen durch die Stadt Abkürzungen nimmt, die sich einem gerade bieten. Allerdings sollte man damit nicht allzu leichtfertig umgehen. Wer nämlich auf Privatgelände ausweicht, wenn auch geduldet, um schneller voranzukommen, der tut sich nach einem Unfall schwer damit, Schadenersatz und Schmerzensgeld einzufordern. Das Oberlandesgericht Hamm (Aktenzeichen I-6 U 178/12) verweigerte einem Mann, der auf dem Weg über einen privaten Garagenvorplatz auf Glatteis ausgerutscht war, die geforderten 10.000 Euro Schmerzensgeld. Für den Eigentümer habe keine Streupflicht bestanden.
Wer Erdlöcher aushebt, der trägt auch die Verantwortung für deren Absicherung. Eine Eigentümergemeinschaft wollte die Pflanzinseln in einer Anlage mit mehreren Gebäuden neu gestalten. Dazu wurden drei Bäume ausgegraben, der Freiraum sollte bald danach neu bepflanzt werden. Es blieben aber Gruben mit einer Tiefe von 10 bis 15 Zentimetern Tiefe, in die eine Bewohnerin trat und sich prompt verletzte. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Aktenzeichen 7 U 128/18) sprach ihr nur 1.500 Euro statt der geforderten 5.000 Euro zu. Die Frau treffe ein erhebliches Mitverschulden, weil sie das Loch bei entsprechender Aufmerksamkeit hätte erkennen können.
Von Passanten darf man erwarten, dass sie Warn- und Verbotsschilder beachten. Wenn ein Radfahrer trotz erkennbarer Hinweise in eine Baustelle fährt, dann hat er keinen Anspruch auf Schadenersatz und der Verantwortliche für die Baustelle hat seine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. So entschied es das Oberlandesgericht Hamm (Aktenzeichen I-9 U 135/13) in einem entsprechenden Fall. Die Richter kamen zu der Überzeugung, dass die aufgestellten Schilder und Abwehrschranken einen ausreichenden Schutz dargestellt hätten. Dass sich jemand darüber hinwegsetze, damit müsse der Verantwortliche nicht rechnen.Auf einer Baustelle geht es nicht immer geordnet zu. Es liegen Baumaterial und Werkzeuge herum. So war es auch, als an der Grenze zweier Grundstücke eine Mauer errichtet wurde. Die Nachbarin wollte kurz mit ihrem Nachbarn, dem Auftraggeber, sprechen und begab sich zu diesem Zweck an diesen Gefahrenort. Prompt stürzte sie über einen Schaufelstiel, brach sich einen Oberarmknochen und forderte Schmerzensgeld, dessen Höhe sie ins Ermessen des Gerichts stellte. Doch ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm (Aktenzeichen 6 U 18/17) sprach der Nachbarin nichts zu. „Bereits mit beiläufigem Blick“ sei es erkennbar gewesen, dass hier eine „besonders vorsichtige Gehweise“ erforderlich sei. Dem habe die Betroffene, die die Baustelle immerhin freiwillig betrat, nicht entsprochen.
Eine besonders häufige Stolperfalle stellen Treppenstufen im Hauseingangsbereich dar. Deswegen steht der Eigentümer in einer besonderen Verpflichtung, das Unfallrisiko so weit wie möglich zu mindern. Eine etwa zehn Zentimeter hohe Treppenstufe stellt aber noch keine Gefahrenstelle dar, die beseitigt werden müsste. So urteilte das Oberlandesgericht Hamm (Aktenzeichen 7 U 76/19). Selbst in der Morgendämmerung sei der Stufenstein optisch noch genügend abgesetzt. Bei gebotener Sorgfalt habe man ihn erkennen können.
Wer mobile Verkehrsschilder aufstellt oder aufstellen lässt, die auf eine Baustelle hinweisen, der sollte auch für deren rechtzeitige Entfernung sorgen. Eine Baufirma, die im Auftrag einer Gemeinde arbeitete, hatte das nicht getan, so dass besagtes Schild noch Wochen nach den Arbeiten im Wege stand. Ein Radfahrer fuhr nachts bei Nieselregen und schlechter Sicht auf das umgefallene mobile Schild auf und verletzte sich erheblich. Das Oberlandesgericht Schleswig (Aktenzeichen 7 U 260/19) erkannte hier eine Amtspflichtverletzung, weil das Schild als potenzielle Gefahrenquelle nicht zeitnah entsorgt worden sei. Gleichzeitig treffe aber den Radfahrer ein nicht unerhebliches Mitverschulden, denn das schlechte Wetter hätte erhöhte Sorgfalt erfordert. Als Vergleichssumme schlugen die Oberlandesrichter eine Zahlung von 1.000 Euro an den Radfahrer vor.
Wenn eine Tiefgarage nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich ist, dann besteht die Verkehrssicherungspflicht des Vermieters auch nur in einem begrenzten Umfang. Eine PKW-Halterin war beim Fahren mit ihrem Auto aus der Garage unter das sich schließende Kipptor geraten, weil sie einem anderen Fahrzeug ausweichen wollte. Das Amtsgericht München (Aktenzeichen 454 C 28946/12) sprach der Autofahrerin keinen Schadenersatz zu, weil sie seit zwei Jahren in der Anlage wohne und mit der Funktionsweise des Tores vertraut gewesen sei.
Ein Klassiker der Verkehrssicherungspflicht ist das Räumen von Bürgersteigen bei Schnee und Eis. Vor allem geht es um die Frage, zu welchen Zeiten die Eigentümer von Wohngrundstücken aktiv werden müssen. Das Kammergericht Berlin (Aktenzeichen 21 U 16/18) entschied, dass in einer Gegend ohne erhöhten Publikumsverkehr auch in der Silvesternacht die Räumpflicht um 20 Uhr enden könne. Hier sei ein privates Grundstück betroffenen gewesen, das man nicht mit besonders frequentierten Orten vergleichen dürfe.
Bild: Skitterphoto (Pexels, Pexels Lizenz)
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