06.06.2019 — Rolf Becker. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Diese Frage hatte jetzt das AG Norderstedt dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt, der für die einheitliche Auslegung von Rechtsnormen zuständig ist, die auf EU-Richtlinien basieren. Rechtsanwalt Rolf Becker, Partner bei WIENKE & BECKER – KÖLN erläutert die Entscheidung.
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Der EuGH hat entschieden (Urteil v. 23. Mai 2019, Az. C-52/18), dass sperrige oder schwere Gegenstände vom Verbraucher nicht zurückgeschickt werden müssen, wenn sie sich als nicht vertragsgemäß erweisen. Es ging um ein fünf mal sechs Meter großes Party-Zelt. Der Käufer bestellte es per Telefon und ließ es sich an seinen Wohnort liefern. Als er aus seiner Sicht Mängel feststellte, teilte er das dem Verkäufer mit und forderte Beseitigung an seinem Wohnort. Der Verkäufer wies die Mängelrügen zurück. Im anschließenden Prozess berief sich der Verkäufer darauf, dass der Ort der Nacherfüllung sich an seinem Geschäftssitz befinde. Dies hätte zur Folge, dass der Käufer die Ware dorthin zur Nacherfüllung verbringen/versenden muss.
Grundsätzlich konnte sich der Verkäufer auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stützen (siehe BGH, 19. Juli 2017 - VIII ZR 278/16). Der geht bei fehlenden Vereinbarungen und in Fällen, in denen sich aus der Natur des Rechtsverhältnisses nichts ableiten lässt davon aus, dass der Ort der Nacherfüllung am Sitz des Verkäufers liegt. Allerdings existieren zum Versandhandelsverkauf hier noch keine ausdrücklichen Entscheidungen.
Das vorlegende Gericht war der Ansicht, man solle den Erfüllungsort für Mängelbeseitigungen und sonstige Nachbesserungen immer am Ort der belegenen Sache festlegen. Die Verbringung oder der Versand sperriger oder schwerer Güter bringe für den Verbraucher Unannehmlichkeiten mit sich. Wechselende Erfüllungsorte je nach Einzelfall führten zu Rechtsunsicherheiten. Tatsächlich sieht die EU-Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf den Aspekt der Unannehmlichkeit vor:
Art. 3 Abs. 3 Richtlinie 1999/44:
Die Nachbesserung oder die Ersatzlieferung muß innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen, wobei die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind.
Der EuGH meinte jetzt, dass der Verbraucher gewisse Unannehmlichkeiten hinnehmen muss. Die Belastungen dürfen allerdings nicht so groß werden, dass sie ihn von der Geltendmachung seiner Rechte abhalten. In diesen Fällen hat die Nacherfüllung am Sitz der belegenen Sache stattzufinden. Damit entschied er sich doch für eine Einzelfalllösung.
Der EuGH stellte folgende Kriterien auf: Bei Waren, die
kann eine Beförderung an den Geschäftssitz des Verkäufers als eine mit den Erfordernissen des Art. 3 Abs. 3 Unterabschnitt 3 der Richtlinie 1999/44 unvereinbare erhebliche Unannehmlichkeit darstellen.
Der Verkäufer muss auch grundsätzlich keine Transportkosten vorschießen. Anders kann es aussehen, wenn diese sehr hoch sind und der Käufer seine Rechte nur schwer durchsetzen kann. Dann kann die Aufbringung der Transportkosten wieder ein Hindernis darstellen, die Rechte geltend zu machen. Im deutschen Recht gilt seit 01.01.2018 der neue § 475 Abs. 6 BGB. Danach kann der Verbraucher vom Unternehmer für Aufwendungen, die ihm im Rahmen der Nacherfüllung entstehen und die eigentlich der Unternehmer zahlen muss, immer Vorschuss verlangen.
Der EuGH stellte zudem ausdrücklich fest, dass es zu den Pflichten des Verkäufers gehört, dem Verbraucher den Ort mitzuteilen, an dem er ihm die Ware zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands bereitstellen muss. Beruft er sich erst später im Prozess darauf, liegt also eine Pflichtverletzung vor, die dem Käufer ein Rücktrittsrecht gewähren kann.
Der EuGH hat sich zwar für Einzelfalllösungen entschieden. Dennoch sollten Verkäufer sich jetzt klar machen, dass es bei Mängeln an nicht postpaketversandfähiger Ware jetzt häufiger dazu kommen kann, dass diese abgeholt werden muss. Auch aufgebaute Waren (Gartenhäuser, Möbel, Spielgeräte etc.) müssen abgeholt werden. Man kann der Entscheidung auch entnehmen, dass der Verkäufer für die ggf. notwendige Demontage zu sorgen hat. Für die Nacherfüllung durch Ein- oder Ausbau wurde dies bereits entschieden und ist jetzt gesetzlich normiert. Übrigens beschränkt sich die hier entscheidende Regelung der Verbrauchsgüterrichtlinie nicht auf den Versendungskauf. Für Waren, die im stationären Einzelhandel erworben wurden, kann also auch im Einzelfall eine entsprechende Pflicht bestehen.