06.02.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Horváth.
Hinzu kommt ein Kampf um Flächen, Personal und Partner, der sich weiter verstärkt. Die von der Bundesregierung eingeleitete, beschleunigte Energiewende basiert wesentlich auf Erneuerbaren Energien. Die Ausbauziele sind enorm. Das funktioniert nur, wenn die Energiebranche mitspielt. Wie eine aktuelle Marktstudie der internationalen Managementberatung Horváth unter Energieversorgungsunternehmen (EVU) zeigt, wollen mehr als die Hälfte aller Befragten bis 2030 eine Eigenerzeugung von bis zu 75 Prozent aus erneuerbaren Energien gegenüber ihrem Vertriebsportfolio erzielen. Und: Die Transformation hat Folgen. Nicht nur, dass es internationaler wird und neue Wettbewerber auf den Markt drängen, auch der Kampf um knappe Ressourcen wie freie Flächen oder Personal verschärft sich. Gleichzeitig herrscht hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung von Geschäftsmodellen für Flexibilität noch Unklarheit – hier tappt die Branche noch im Dunkeln.
Deutlich mehr als die Hälfte der EVU (63 Prozent) befürwortet eine Erneuerung des Strommarktdesigns und mehr als 75 Prozent planen den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht nur regional, sondern auch überregional voranzutreiben. Das stellt gerade kleinere Versorger vor große Herausforderungen. Ein Lösungsansatz, den mehr als Dreiviertel der Befragten nennen, stellt der Aufbau von Kooperationen oder ganzen Produktions-Ökosystemen dar.
„Ressourcen wie Fachpersonal und freie Flächen sind knapp und umkämpft. Energieversorger müssen jetzt eine klare Strategie ausarbeiten und ihre Organisation darauf ausrichten, wie sie den Ausbau von erneuerbaren Energien konkret umsetzen wollen, um ihre Ziele zu erreichen. Neue Geschäftsmodelle, wie zum Beispiel Hybridprojekte aus PV- und Wind-Anlagen kombiniert mit Speichern sind perspektivisch zu entwickeln“, sagt Matthias Deeg, Partner und Experte für Energiewirtschaft bei Horváth.
Doch wo erwarten die Energieunternehmen die größten Margen? Die Studie offenbart: Die Mehrheit der befragten Topführungskräfte sieht die größten Renditepotenziale in Photovoltaik-Freiflächen und Wind Onshore-Anlagen, gefolgt von Offshore und Wasserkraft – weit abgeschlagen belegen Geothermie und Biomasse die letzten Ränge. „Die bisher geringe Verbreitung und das gerade am Anfang hohe nötige Risikokapital lassen Geothermie derzeit noch nicht als attraktiv erscheinen. Hier muss die Branche aufwachen, denn Erdwärme besitzt das Potenzial, sich als Erfolgsmodell zu entwickeln, was der Großteil der knapp 50 größeren geothermischen Anlagen beweist“, sagt Energieexperte Deeg.
Langfristige Stromlieferverträge zwischen einem Stromerzeuger und indutriellen Stromabnehmern – sogenannte Power Purchase Agreements (PPAs) – sind in Deutschland im Kommen. Sie bieten Vorteile wie Preissicherheit, Risikominderung oder nachweisbare Lieferung von Erneuerbaren Energien. Das weiß auch die Industrie: Sie muss ihre eigene Dekarbonisierung nicht nur im Auge behalten, sondern auch nachweisen. Wie die Horváth-Analyse zeigt, entwickeln sich PPAs künftig in Deutschland zum Standardprodukt. Mehr als 90 Prozent der Energieversorger wollen die PPAs künftig deutlich stärker nutzen, sowohl in der Beschaffung von Strom als auch in der Belieferung.
„Der Ausbau erneuerbarer Energien und der weitreichende Einsatz von Power Purchase Agreements erfordert von den Playern am Markt den Aufbau neuer Risikosteuerung, Beschaffungsmärkte und Kompetenzen, beispielsweise in der Strukturierung von PPAs“, unterstreicht Deeg.
Auftrieb haben auch die Themen Lastenmanagement und intelligente Stromnetze. Rund drei Viertel der Befragten betrachten „Flexibilität“ als Wachstumsfeld im Unternehmen und haben sich bereits mit verschiedenen Optionen auseinandergesetzt. Trotzdem sieht die Mehrheit der EVU in „Flexibilitäts-Geschäftsmodellen“ noch keine hohen Renditen. „Mit dem beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien steigt auch die Bedeutung von Lastenmanagement und intelligenter Netze. Dort sind künftig die Profite zu holen – je früher die Marktteilnehmer hier ihre Kompetenzen ausbauen desto besser“, sagt Deeg.
Dabei spielen Batteriespeicher ebenso eine Rolle wie steuerbare Lasten. Laut Fraunhofer ISE muss sich die benötigte Speicherkapazität in Deutschland von derzeit fünf Gigawattstunden (GWh) auf 100 im Jahr 2030 erhöhen. Das größte Margenpotenzial erwartet sich knapp die Hälfte der Versorger in der Lastverschiebung bei der Energie-Produktion, gefolgt von der industriellen Lastenverschiebung.
„Die Transformation des Energiemarktes ist in vollem Gange. Verantwortliche sollten sich jetzt fragen, wie sich das eigene Portfolio mit Speichern und steuerbaren Lasten optimieren lässt und eine Flexibilitätsstrategie aufsetzen. Wer hier Gas gibt, kann sich noch mit dem Aufbau von Erfahrungen und Referenzen am Markt positionieren“, erklärt Energieexperte Matthias Deeg von Horváth.
Für die Branchenbefragung „Strategieentwicklung von Energieversorgern“ wurde eine repräsentative Auswahl an Energieversorgungsunternehmen (EVU) in Deutschland und der Region DACH befragt. Die Stichprobe umfasst über 70 Vorstandsmitglieder und Verantwortliche aus den Bereichen Strategie und Unternehmensentwicklung. Hier gibt es die Studie zum Download.
Bild: Alena Kaval (Pexels, Pexels Lizenz)
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