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Kräftige Lohnzuwächse und mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit

01.03.2019  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Hans-Böckler-Stiftung.

Mit den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder hat die Tarifrunde 2019 Fahrt aufgenommen. Die Forderungen der Gewerkschaften liegen zumeist zwischen 5,5 und 6,0 Prozent.

„Damit bewegen sie sich auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr“, erklärt der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Prof. Dr. Thorsten Schulten, in der aktuellen Tarifbilanz. „Außerdem wird auch die Frage der Selbstbestimmung der Beschäftigten bei ihren Arbeitszeiten in Form individueller Wahlmöglichkeiten in mehreren Branchen wieder auf der Tagesordnung stehen.“ Das Tarifarchiv dokumentiert die Tarifrunde tagesaktuell im Web-angebot der Stiftung.

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Wie das Tarifarchiv des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung in seinem heute veröffentlichten tarifpolitischen Jahresbericht 2018 aufzeigt, sind die Tarifvergütungen im Jahr 2018 nominal im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt um 3,0 Prozent gestiegen. Gegenüber Steigerungsraten von jeweils 2,4 Prozent in den beiden Vorjahren hat die Lohnentwicklung damit deutlich an Dynamik gewonnen. Nach Abzug des Verbraucherpreisanstiegs von 1,9 Prozent ergibt sich für 2018 ein realer Zuwachs der Tarifvergütungen um 1,1 Prozent.

„Mit der Tarifrunde 2018 haben die Gewerkschaften nicht nur kräftige Lohnzuwächse durchgesetzt, sondern auch eine Renaissance der tariflichen Arbeitszeitpolitik eingeleitet“, sagt Schulten. In einer Reihe von Branchen, wie z.B. der Metall- und Elektroindustrie, der Deutschen Post AG oder des öffentlichen Nahverkehrs, wurde erstmalig die Möglichkeit für Beschäftigte geschaffen, auf einen Teil der vereinbarten Lohnerhöhung verzichten und stattdessen zusätzliche freie Tage wählen können. Bei der Deutschen Bahn AG wurde bereits zum zweiten Mal hintereinander ein Wahlmodell vereinbart, bei dem sich alle Beschäftigten individuell zwischen mehr Geld oder mehr freier Zeit entscheiden können. „Damit ist den Gewerkschaften ein wichtiger Schritt hin zu mehr Selbstbestimmung der Beschäftigten bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeiten gelungen“, sagt Schulten.

Das WSI-Tarifarchiv berücksichtigte bei der Berechnung der kalenderjährlichen Tariferhöhungen für das Jahr 2018 sowohl die Neuabschlüsse aus dem laufenden Jahr als auch Abschlüsse aus Vorjahren, die eine Laufzeit bis mindestens Ende 2018 haben. Insgesamt schlossen die DGB-Gewerkschaften in Deutschland im vergangenen Jahr Lohn- und Gehaltstarifverträge für über 11 Millionen Beschäftigte ab. Für weitere 8,6 Millionen Beschäftigte traten im Jahr 2018 Erhöhungen in Kraft, die bereits 2017 oder früher vereinbart wurden. Die Laufzeit der 2018 neu abgeschlossenen Verträge beträgt durchschnittlich 26,5 Monate. Damit setzt sich der seit Jahren anhaltende Trend zu immer längeren Laufzeiten fort. In der Tarifrunde 2019 verhandeln die DGB-Gewerkschaften für rund 7,3 Millionen Beschäftigte.

In der Tarifbilanz für 2018 zeigen sich zwischen den verschiedenen Branchen und Wirtschaftsbereichen deutliche Unterschiede. Eine der höchsten jahresbezogenen Tarifsteigerungen konnte mit nominal 5,2 Prozent das Bauhauptgewerbe verzeichnen. Die gefolgt von den Branchen Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft mit 4,5 Prozent, der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie mit 4,3 Prozent, der Metall- und Elektroindustrie mit 4,0 Prozent und der Systemgastronomie mit 3,9 Prozent. Ebenfalls oberhalb des Durchschnitts lagen die Tariferhöhungen mit jeweils 3,4 Prozent bei der Deutschen Bahn AG und im öffentlichen Dienst bei Bund und Gemeinden. 3,0 Prozent erreichte die chemische Industrie.

Es folgten mit 2,8 Prozent der Großhandel, mit jeweils 2,7 Prozent der Einzelhandel und die Deutsche Post AG und mit jeweils 2,5 Prozent die Deutsche Telekom AG, das Gebäudereinigerhandwerk, das Hotel- und Gaststättengewerbe, die Branchen des Nahrungs- und Genussmittelgewerbe sowie der öffentliche Dienst bei den Ländern. Die Tariflöhne im privaten Verkehrsgewerbe stiegen um 2,2 Prozent. Bei den Versicherungen erhöhten sich die Tarifvergütungen um 1,8 Prozent, in der Eisen- und Stahlindustrie um 1,7 Prozent, bei den Banken um 1,3 Prozent sowie in der Textilindustrie um 1,2 Prozent. In den Branchen mit unterdurchschnittlichen Tarifzuwächsen wurden die Erhöhungen zumeist bereits in den Vorjahren vereinbart, während 2018 keine Tarifabschlüsse getätigt wurden.

Insgesamt konnte nach Analyse des WSI-Tarifarchivs im Jahr 2018 der gesamtwirtschaftliche Verteilungsspielraum – gemessen als Summe aus Preis- und Produktivitätsentwicklung – durch die Tariferhöhungen übertroffen und damit eine Umverteilung zugunsten der Arbeitseinkommen durchgesetzt werden. „In der Tarifrunde 2018 hat sich damit der seit einigen Jahren zu beobachtende Trend fortgesetzt, dass der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen wieder steigt – nachdem sie zuvor über einen längeren Zeitraum gesunken waren,“ sagt der WSI-Tarifexperte Schulten. Dies reflektiere die verbesserte Lage am Arbeitsmarkt. Die dynamischere Lohnentwicklung stärke aber ihrerseits wiederum Konjunktur und Beschäftigungsentwicklung, weil sie der Binnennachfrage wichtige Impulse verleihe.

Weitere Informationen:

Aktuelle Informationen zu Forderungen, Verhandlungen und Abschlüssen in der Tarifrunde 2019

Thorsten Schulten und das WSI-Tarifarchiv: Tarifpolitischer Jahresbericht 2018, Kräftige Lohnzuwächse und mehr Selbstbestimmung bei der Arbeitszeit, Düsseldorf: WSI

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