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Künstliche Intelligenz und Haftung: Betreiber in der Pflicht

29.11.2024  — Rolf Becker.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Unser Fachautor, Rechtsanwalt Rolf Becker, Alfter, beleuchtet eine Entscheidung des Landgerichts Kiel vom 29.02.2024 (Az. 6 O 151/23), die die Haftung von Unternehmen für Fehler bei der Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) in den Fokus rückt.

Zuordnungsfehler der KI brachten Falschangaben

Die Klägerin, ein mittelständisches Unternehmen im Bereich Wintergärten und Terrassendächer, klagte gegen eine Wirtschaftsauskunftei, weil sie dort fälschlicherweise als „vermögenslos“ ausgewiesen wurde. Das Unternehmen forderte Unterlassung und Schadensersatz von der Betreiberin des Wirtschaftsdatenportals. Ein automatisierter Fehler der KI führte zur falschen Angabe. Die Plattform der Beklagten analysiert öffentliche Registerdaten mithilfe künstlicher Intelligenz (KI) und verknüpft diese zu grafischen Darstellungen. Bei der Verarbeitung einer Handelsregisterbekanntmachung kam es jedoch zu einem Zuordnungsfehler. Die Ursache war eine Verwechslung zwischen zwei Unternehmen, die durch die Ähnlichkeit ihrer Firmennamen begünstigt wurde. Obwohl die Beklagte den Fehler nach Hinweis sofort beseitigte, verweigerte sie die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Die Klägerin machte daraufhin den Anspruch gerichtlich geltend.

Entscheidung des Gerichts

Das LG Kiel sprach der Klägerin einen Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts (gemäß § 1004 BGB analog) zu. Die falsche Tatsachenbehauptung griff in den sozialen Geltungsanspruch des klagenden Unternehmens ein und gefährdete dessen Ansehen und Kreditwürdigkeit.

Kein Haftungsprivileg bei automatisierten Prozessen

Die Entscheidung des LG Kiel beleuchtet wichtige Aspekte der Haftungsfrage im Zusammenhang mit der Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) bei der Verarbeitung und Veröffentlichung von Daten. Auch bei der Nutzung künstlicher Intelligenz bleibt die Beklagte als Betreiberin des Portals verantwortlich, da sie sich bewusst für den Einsatz der KI in ihren Geschäftsprozessen entschieden und sich die durch die Veröffentlichung entstandenen Inhalte zu eigen gemacht hatte.

Der Hinweis in den Nutzungsbedingungen, dass Informationen fehlerbehaftet sein könnten und keine Gewähr für die Richtigkeit übernommen werde, schützte die Beklagte nicht. Das Gericht bejahte eine Haftung als Störerin, weil die Beklagte die Informationen aktiv verarbeitet und ohne zusätzliche Kontrolle veröffentlicht hatte. Dadurch war sie nicht nur ein neutraler Host-Provider, sondern unmittelbar verantwortlich für die falsche Behauptung.

Eine Abwägung ergab zudem, dass die Rechte der Klägerin – insbesondere der Schutz ihres Rufs und ihrer Kreditwürdigkeit – schwerer wiegen als die Interessen der Beklagten an einer automatisierten Datenverarbeitung. Da die streitgegenständliche Aussage eine unwahre Tatsachenbehauptung darstellte, genoss sie keinen Schutz durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG).

Zudem betonte das Gericht, dass die Wiederholungsgefahr nicht allein durch die Korrektur des Fehlers entfällt. Eine strafbewehrte Unterlassungserklärung wäre erforderlich gewesen, um künftige Verstöße wirksam auszuschließen.

Schadensersatz

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 527 Euro wurden zugesprochen. Höherer Schadensersatz käme in Betracht, wenn die Klägerin nachweislich wirtschaftliche Nachteile, etwa den Verlust von Geschäftspartnern, erlitten hätte.

Fazit

Dieses Urteil zeigt die weitreichenden Implikationen für Unternehmen auf, die auf KI-gestützte Prozesse setzen:

  • Kontrollpflichten: Betreiber solcher Systeme müssen Mechanismen zur Qualitätssicherung einführen, um Fehler möglichst auszuschließen. Dazu zählen etwa Plausibilitätsprüfungen oder manuelle Kontrollstufen bei sensiblen Daten. Selbst dann dürfte man kaum einer Haftung bei falschen Behauptungen entgehen können.
  • Grenzen von Haftungsausschlüssen: Allgemeine Haftungsausschlüsse in den Nutzungsbedingungen bieten keinen Schutz, wenn die Rechte Dritter verletzt werden.

Das Urteil macht deutlich, dass Automatisierung allein keine Entschuldigung für Sorgfaltspflichtverletzungen ist. Unternehmen müssen sicherstellen, dass die von KI generierten Inhalte rechtlich unbedenklich sind, da sie für die Konsequenzen haften. Der Grundsatz, dass man sich nicht hinter einer Automatisierung verstecken kann, lässt sich auf alle möglichen Konstellationen beim Einsatz von KI zur Erbringung von Leistungen übertragen.

Bild: Conny Schneider (Unsplash, Unsplash Lizenz)

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