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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Pflichten der Arbeitgeber (Teil 5)

08.08.2019  — Jasmin Dahler.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Die Studie „Gleiches Recht jedes Geschlecht“, die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Auftrag gegeben wurde, hat Erschreckendes festgestellt: Nur jede*r fünfte Beschäftigte weiß, dass Arbeitgeber*innen Beschäftigte vor Belästigung schützen müssen. Dabei ist diese Schutzpflicht einer der wichtigsten Schritte gegen sexuelle Belästigung.

Arbeitgeber*innen haben nach §12 AGG gegenüber den Beschäftigten eine Schutzpflicht und sind somit verpflichtet, sexuelle Belästigung zu verhindern. Dies beginnt bereits bei präventiven Maßnahmen wie Schulungen, Betriebsvereinbarungen und der wiederholten Erinnerung daran, dass sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verboten ist.

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Beschwerde

Kann sexuelle Belästigung durch diese Maßnahmen nicht verhindert werden, muss der künftige Schutz der Betroffenen gesichert werden. Daher sind Arbeitgeber*innen verpflichtet, eine Beschwerdestelle einzurichten. Diese Stelle oder Person sowie Ort und Zeiten, zu der sie erreichbar ist, müssen allen Beschäftigten bekannt sein. Ebenso sollte es möglich sein, bei sexueller Belästigung seine Beschwerde bei einer Person des eigenen Geschlechts vorzutragen.

Die Beschwerdestelle darf beim Betriebsrat oder bei dem oder der Gleichstellungs- oder Behindertenbeauftragten angesiedelt sein, sofern keine Interessenkonflikte bestehen. Die Beschwerdestelle muss jeder Beschwerde nachgehen und die Arbeitgeber*innen über jede Beschwerde in Kenntnis setzen.

Arbeitgeber*innen übernehmen in dieser Situation eine doppelte Schutzpflicht. Sie müssen betroffene Personen vor weiterer Belästigung schützen, dürfen aber keine unverhältnismäßigen Sanktionen gegen die Person, die vorgeblich belästigt, aussprechen. Kommt der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin einer der beiden Pflichten nicht nach, macht sie oder er sich schadensersatzpflichtig. Auf keinen Fall sollte der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin gar nicht reagieren!

Beispiel aus der Rechtsprechung:

Ein Vertriebsmanager fasste einer Kollegin an den Po, eine andere packte er von hinten. Der Arbeitgeber erteilte eine fristlose Kündigung, doch diese ist laut dem Berliner Arbeitsgericht (ArbG) unwirksam.

Das Gericht beurteilte seine Begründung damit, dass die Vorfälle bereits ein halbes Jahr zurücklagen und die Betroffenen die Handlung des Vertriebsmanagers somit augenscheinlich nicht als so schwerwiegend empfunden hätten, um es dem Arbeitgeber mitzuteilen. Die Richter wiesen das Argument des Arbeitgebers, dass die Arbeitnehmerinnen verängstigt waren, ab.

ArbG Berlin, 08.04.2015 - 10 Ca 18240/14

Das Beschwerdeverfahren sollte konkret geregelt und für alle Arbeitnehmer*innen transparent sein.

Bei einer Beschwerde müssen Gespräche mit allen beteiligten Personen geführt werden; die Antidiskriminierungsstelle des Bundes rät jedoch davon ab, dass eine Gegenüberstellung stattfindet.

Wird eine Beschwerde nach eingehender Prüfung abgelehnt, muss dies begründet geschehen. Eine Prüfung sollte nicht mehr als zwei Wochen in Anspruch nehmen und das Ergebnis dann sofort mitgeteilt werden. Jede Beschwerde sollte dokumentiert werden.

Gibt die beschuldigte Person die sexuelle Belästigung zu oder ist davon auszugehen, dass die beschuldigte Person bei der Verneinung lügt, muss der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin entsprechende Sanktionen ergreifen.

Sanktionen

Hat der oder die Beschuldigte ein unerwünschtes Kompliment geäußert oder einen unangemessenen, sexistischen Witz gemacht, sollte diese Person nur ermahnt werden. Die Ermahnung dient mehr als eine Erinnerung, dass sexuelle Belästigung nicht geduldet wird und berechtigt nicht zu einer Kündigung.

Beispiel aus der Rechtsprechung:

Ein Lagerarbeiter belästigt mehrere Auszubildende durch Anfassen, anzügliche Kommentare und intime Fragen. Die Betroffenen beschweren sich beim Betriebsrat und dem Lagerarbeiter wird fristlos gekündigt.

Der Lagerarbeiter klagt gegen die Kündigung und schlägt vor, weiterhin als Fahrer beschäftigt zu werden. Das Gericht bestätigt jedoch die Kündigung, da wiederholte sexuelle Belästigung an Auszubildenden vorliegt und die Auszubildenden durch eine Versetzung des Lagerarbeiters nicht geschützt wären.

Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen, Urteil v. 27.02.2012–AZ: 16 Sa 1357/11

Die nächsthöhere Stufe wäre eine Abmahnung. Diese ist angemessen, wenn der oder die Arbeitgeber*in Präventionsmaßnahmen oder andere Hinweise verschlafen hat. Ebenso kann bei verbaler oder nonverbaler sexueller Belästigung eine Abmahnung in Betracht gezogen werden, wenn die beschuldigte Person sich ernsthaft entschuldigt und davon auszugehen ist, dass solch ein Verhalten nicht wieder vorkommt. Kommt es ein weiteres Mal zur sexuellen Belästigung, berechtigt die vorangegangene Abmahnung zur Kündigung.

Erscheint eine Abmahnung zu milde und handelt es sich um ein langjähriges Arbeitsverhältnis, kann eine Versetzung des Beschuldigten in Betracht gezogen werden. Wichtig ist hierbei, dass diese Maßnahme keine Beförderung ist, sondern eine Versetzung auf gleicher Ebene. Ebenso sollte nicht die belästigte Person versetzt werden. Es soll weder die belästigte Person bestraft noch der Beschuldigte belohnt werden.

Die schwerste Sanktion ist die Kündigung des Beschuldigten. Liegen schwere Fälle oder wiederholte Fälle der sexuellen Belästigung vor, ist eine Kündigung in Betracht zu ziehen.

Checkliste: Was tun Sie in Ihrem Unternehmen gegen sexuelle Belästigung?

Mitarbeiter*innen werden mündlich oder schriftlich darüber informiert, was unter sexuelle Belästigung zu verstehen ist.
Mitarbeiter*innen werden von der Unternehmensleitung darüber informiert, dass sexuelle Belästigung im Unternehmen nicht gedudelt wird und gesetzlich verboten ist.
Informationen an die Mitarbeiter*innen werden regelmäßig wiederholt.
Neue Mitarbeiter*innen erhalten die Informationen von Punkt 1 und Punkt 2 bei Beginn ihrer Arbeit.
Auszubildende, Praktikant*innen, temporäre Mitarbeiter*innen und Aushilfskräfte werden ebenfalls kurz nach Arbeitsantritt über sexuelle Belästigung informiert.
Es gibt interne oder externe Personen bzw. Stellen, an die sich belästigte Personen wenden können, um Unterstützung zu erhalten.
Die Information, wo sich Mitarbeiter*innen Hilfe holen können, ist für jede*n jederzeit zugänglich.
Es sind Sanktionen vorgesehen für den Fall, dass ein Tatbestand von sexueller Belästigung vorliegt. Den Mitarbeiter*innen sind diese bekannt.
Es wird dafür gesorgt, dass im Unternehmen kein pornografisches Material gezeigt, aufgehängt oder herumgereicht wird.
Mitarbeiter*innen werden darauf angesprochen, wenn sie Bemerkungen oder Witze über sexuelle Merkmale, sexuelles Verhalten oder die sexuelle Orientierung von jemanden oder einer Geschlechtergruppe machen.
Mitarbeiter*innen werden darauf aufmerksam gemacht, dass anzügliche oder zweideutige Bemerkungen im Betrieb nicht erwünscht sind.
Arbeitgeber*innen bilden sich regelmäßig zu dem Thema fort.

Quellen und Hintergründe:

Bild: Nathan Cowley (Pexels, Pexels Lizenz)

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