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Strategien zur Umsetzung von Nachhaltigkeit im Unternehmen

24.10.2022  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Deloitte GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Allgemein gehalten haben Unternehme im Mittelstand im Vergleich zu Konzernen oft andere Prioritäten. Nachhaltigkeit ist ein für fast alle Unternehmen relevantes Thema – aber die Umsetzung von Initiativen muss zur Größe des Unternehmens passen.

Ohne geht es nicht: Unternehmen praktisch aller Branchen benötigen heutzutage ein Nachhaltigkeitskonzept. Nachhaltigkeit hat sich längst vom Nischenthema zur strategischen Priorität entwickelt. Großunternehmen und Betriebe aus dem Mittelstand stehen allerdings vor jeweils unterschiedlichen Herausforderungen. Eine Strategie zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit geeignetem Ambitionslevel sorgt dabei für eine optimale Aufstellung: Das Unternehmen erwirbt damit im übertragenen Sinn eine gesellschaftliche „Lizenz“ für seine geplanten geschäftlichen Aktivitäten.

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Nachhaltigkeit wird Unternehmen von einer Vielzahl von Stakeholdern abverlangt – von Verbrauchern mit gewandelten Präferenzen über Politik und Regulatoren bis hin zu Investoren und Finanzmärkten. Das Thema weist vielfältige Dimensionen auf – Umwelt, Soziales, Unternehmensführung (die sogenannten ESG-Kriterien, ein Akronym bestsehend aus den englischen Begriffen Environmental, Social und Governance für diese Bereiche) – und fordert denn auch entsprechend große Anstrengungen von den Firmen. Bei Umsetzung einer Strategie zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsinitiativen handelt es sich um einen tiefgreifenden Wandel, der die gesamte Organisation umfasst. Darin ähnelt Nachhaltigkeit anderen Transformations-Trends wie der Digitalisierung oder der Innovation, die ebenfalls nur mit einem ganzheitlichen, cross-funktionalen Ansatz gelingen.

Ebenso wie sie muss auch die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen in sämtliche Funktionen und Bereiche getragen werden, von der Strategie bis zur Finanzierung, vom Energieeinkauf bis zur Kommunikation. Dabei gilt es aber zu differenzieren: Welche Herausforderungen als erste angegangen werden, dafür ist neben der Reife des Themas in der jeweiligen Organisation vor allem deren Größe ausschlaggebend. Für den Mittelstand gelten andere Voraussetzungen als für große Konzerne.

Koordination als zentrale Herausforderung für Konzerne

Ein entscheidender Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen ist das Vorhandensein von entsprechender Expertise. Konzerne haben in diesem Bereich deutlich weniger Schwierigkeiten als Mittelständler. Große Unternehmen verfügen meist über Fachteams, die auf Nachhaltigkeitsthemen spezialisiert sind, etwa in Bereichen wie Kommunikation, Einkauf, Berichterstattung oder Energie.

In Firmen dieser Größenordnung geht es meist viel eher darum, die vielzähligen schon vorhandenen Aktivitäten quer durch die Bereiche zu koordinieren. Zum einen muss sichergestellt werden, dass die grobe strategische Richtung von allen Abteilungen eingehalten wird, zum anderen müssen Überschneidungen oder blinde Flecken in der Bearbeitung der Nachhaltigkeitsthemen ausgeschlossen werden. Tatsächlich kommt es gerade in deutschen Unternehmen immer wieder vor, dass in der Praxis unterschiedliche Funktionen hier unbeabsichtigt gegeneinander oder zumindest parallel zueinander arbeiten. Eine typische organisatorische Maßnahme um dies zu verhindern liegt in der Einrichtung der zentralen Rolle eines Chief Sustainability Officers (CSO). Sicherlich kann darin oft ein sinnvoller Schritt gesehen werden, der aber langfristig nicht genügen wird, da grundsätzlich eine weitergehende Verankerung in der Organisation gefragt ist, und nicht das Schaffen einer zusätzlichen Stabsstelle ohne operative Umsetzungskraft.

Als erster Schritt für die Planung der Umsetzungsstrategie bietet sich eine Erfassung der kurz- und langfristigen Nachhaltigkeitsrisiken an, sowie ihre monetäre Quantifizierung und Bewertung. Auch das Thema Reporting hat im Nachhaltigkeitskontext hohe Bedeutung. Hierbei ist es bemerkenswert, dass sich aktuell lediglich weniger als 10 Prozent der DAX-Unternehmen für die ambitioniertere „Reasonable Assurance“ im Rahmen der Prüfung der nicht-finanziellen Berichterstattung entscheiden. Ebenso will der Zeitplan gründlich durchdacht sein. Es kommt dabei nicht auf ein möglichst hohes Tempo an, entscheidend sind vielmehr der richtige Zeitpunkt und ein tragfähiges Geschäftsmodell – ganz ähnlich wie auch bei Technologietransformationen. Wie die E-Mobilität oder allgemein die Umstellung auf Erneuerbaren Strom statt Nutzung fossiler Energieträger zeigt, sind nur in einer Abstimmung auf den übergeordneten Wandel der Infrastruktur Erfolge zu erzielen. Häufig spielen sich nachhaltige Innovationen auf neuen Märkten ab, bei denen die Regulatorik noch im Entstehen begriffen ist und vielfältige Einflussnahme von außen vorliegt. Dementsprechend ist oft auch die Unsicherheit groß, welche Technologie sich wann durchsetzen wird. Einerseits darf die Initiative nicht zu spät angegangen werden, andererseits sind kostspielige Investitionsruinen unbedingt zu vermeiden.

Innovative Kooperationen und Finanzierungen

Für große Konzerne liegt ein attraktiver Weg nach vorn in der Übernahme von Technologieführerschaft. Die hohen notwendigen Investitionen und die damit verbundenen Risiken können durch Partnerschaften mit anderen Unternehmen auf mehrere Schultern verteilt werden. Interessant sind insbesondere technologische „Leuchtturmprojekte“ mit hoher gesellschaftlicher Strahlkraft, etwa im Bereich Energie. Die Endlichkeit und die Klimaeffekte fossiler Kraft-, Heiz- und Chemierohstoffe erfordern die Nutzung erneuerbarer Energien für alle Anwendungssegmente und damit ein komplett neues Energiesystem.

Die frühe Beteiligung an den dafür notwendigen neuen Ökosystemen hat einen hohen strategischen Wert. Unternehmen kommen damit auch den anspruchsvollen politischen Erwartungen entgegen, die an führende Konzerne gestellt werden. Ein prominentes Beispiel für eine zukunftsweisende cross-sektorale Partnerschaft ist das Projekt NortH2. Das 2020 gegründete Konsortium zielt auf die Erzeugung und Distribution von grünem Wasserstoff für Nordwesteuropa. Beteiligt sind Konzerne aus den Bereichen Energiewirtschaft, Netzbetrieb und Logistik: Shell, Gasunie, Equinor, RWE und Groningen Seaports. Diese planen, ein Netzwerk von Offshore-Windparks, Elektrolyseuren, Speichern und Leitungen zu errichten; das Zentrum liegt in den Niederlanden. Bis 2030 soll eine Produktionsleistung von 4 Gigawatt (GW) geschaffen werden, bis 2040 sind 10 GW avisiert. Die Machbarkeitsstudie soll noch 2021 abgeschlossen sein. Für die EU stellt Wasserstoff eine wichtige Brückentechnologie auf dem Weg zur Erreichung der Klimaziele dar. Beabsichtigt ist von der EU eine Erzeugung von 40 GW bis 2030, NortH2 leistet hierzu also einen erheblichen Beitrag. Im Ergebnis soll NortH2 um 2040 den Ausstoß von CO2 um 8 bis 10 Millionen Tonnen im Jahr verringern.

Um die signifikanten Investitionen bei nachhaltigen Projekten zu stemmen, kann auf Public Funding Optionen zurückgegriffen werden. 2020 wurde die EU-Taxonomie zur Definition von nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten verabschiedet, die im Rahmen des „Europäischen Green Deals“ die Realwirtschaft mit den Finanzmärkten verbinden soll. Das ermöglicht die Erschaffung von „grünen“ bzw. EU-Bonds, um möglichst schnell „grauen“ Umsatz, Investitionen und Kosten in „grüne“ Aktivitäten zu transformieren. Dabei ist ab diesem Jahr eine erweiterte nicht-finanzielle Berichterstattung verpflichtend, die Nachhaltigkeits-Informationen zu Finanzierungen bezüglich des Umweltziels „Klimaschutz“ bereitstellt. Somit werden solche „grünen“ Finanzierungen von Investitionen dann auch für alle Stakeholder deutlich sicht- und bewertbar.

Mittelständler müssen strategische Prioritäten setzen

Selbstverständlich sind grüne Finanzierungsoptionen auch für den Mittelstand interessant. Anders als großen Konzernen fehlt dort jedoch bisweilen das nötige Fachwissen, weshalb sich z.B. eine Hinzuziehung von externen Experten und Beratern anbietet. Das gilt bei Unternehmen aus dem Mittelstand oft auch für andere typische Handlungsfelder beim Aufsetzen einer Sustainability Strategie. Allgemein sehen sich kleine und mittlere Firmen vor der fordernden Aufgabe, aus einem kaum überschaubaren „Menü“ von möglichen Aktivitäten auszuwählen, ohne sich dabei zu verzetteln. Für sie ist deshalb dringend eine Priorisierung der Optionen zu empfehlen.

Beispielsweise sind die Vorgaben des CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes u.a. nur in Abhängigkeit von bestimmten Umsatzgrößen, Mitarbeiterzahlen und Bilanzsummen verpflichtend. Für die praktische Umsetzung bei der individuellen Strategiefindung eignet sich dabei ein Vorgehen in mehreren Schritten. Zunächst sollten mit einer Materialitätsanalyse die für das jeweilige Unternehmen wichtigen Nachhaltigkeitsthemen abgeleitet werden. Das beinhaltet eine Umfeldanalyse, eine interne Analyse sowie eine Berücksichtigung der Erwartungen der verschiedenen Stakeholder. Im zweiten Schritt sollte der Einfluss identifiziert werden, den das Unternehmen auf Gesellschaft und Umwelt hat – und umgekehrt auch deren Einfluss auf das Unternehmen. Drittens ist natürlich auch für mittelständische Firmen eine Quantifizierung der finanziellen Folgen der Nachhaltigkeitsthemen und ihres jeweiligen Zeitpunkts notwendig. Im vierten Schritt werden schließlich die individuellen Nachhaltigkeitsziele und zugehörige Maßnahmen definiert und priorisiert.

Die gesellschaftliche „Lizenz“ für das Geschäftsmodell

Ungeachtet der Größe eines Unternehmens stellt sich beim Thema „Strategie zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen“ die grundsätzliche Frage nach dem Grad der eigenen Ambition. Jede Organisation sollte vorab entscheiden, wie stark das Engagement sein soll – und mit welcher Begründung gerade diese Stufe gewählt wird. Nur so ist ein stimmiger Ansatz möglich, dessen Umsetzung dem Unternehmen dann einen wertvollen, langfristigen strategischen Vorteil verschafft: die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz des eigenen Geschäftsmodells. Aus Sicht der Experten von Deloitte stehen dabei verschiedene typische Anspruchslevel zur Verfügung: 1. License to operate, 2. License to grow. 3. License to lead.

Der Horizont sollte dabei auf jeden Fall über die kurzfristige Gewinnoptimierung hinausgehen. Die License to operate, d.h. die umfassende Konformität mit gegenwärtigen und zukünftigen rechtlichen Bestimmungen, ist daher als Minimum anzusehen. Auf der nächsten Stufe (License to grow) wird zusätzlich zur rechtlichen Ebene bewusst Wert auf Einhaltung gesellschaftlicher Normen gelegt. Vorausschauende, proaktive Managementansätze in den Dimensionen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung helfen, die Reputation zu stärken sowie operative und regulatorische Risiken vorbeugend zu verringern. Wichtig dabei ist, dass alle drei Ambitionsniveaus gut sind, und nicht die License to lead besser als die License to grow oder License to operate ist. Wenn darüber hinaus mit innovativen Praktiken und Produkten sowie in Kollaboration mit Stakeholdern von Kunden bis Regulatoren eine aktive Führungsrolle in Sachen Nachhaltigkeit eingenommen wird (License to lead), kann das Unternehmen seine Stimme in marktgestaltender Weise in den Nachhaltigkeitsdiskurs mit einbringen, hohe Differenzierung auf alten und neuen Märkten erlangen sowie dauerhaften „Goodwill“ bei den Stakeholdern sichern.

Wenn Organisationen für sich gezielt höhere Nachhaltigkeitsziele definieren, können sie damit wertvolle Handlungsspielräume besetzen, um das Thema umfassend in ihre DNA zu integrieren. Ein sogenanntes „Green Washing“ muss dabei aber unbedingt vermieden werden. Die Entscheidung für einen bestimmten Level ist wertneutral und sollte mit den eigenen Rahmenbedingungen harmonieren. „Viel“ ist beim Thema Nachhaltigkeit nicht notwendigerweise besser, das Ambitionsniveau muss glaubwürdig bleiben. Denn sonst stünde das Vertrauen der Stakeholder auf dem Spiel – ein hohes Gut nicht zuletzt im Hinblick auf Nachhaltigkeit selbst, für die Transparenz und Kohärenz wesentliche Kernforderungen darstellen.

Bild: David Bartus (Pexels, Pexels Lizenz)

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