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Surfen bei der Arbeit – wann dürfen Arbeitgeber kündigen?

17.11.2016  — Online-Redaktion Verlag Dashöfer.  Quelle: Taylor Wessing Deutschland.

In einer aktuellen Entscheidung befasste sich das LAG Hamm mit einer verhaltensbedingten Kündigung wegen privaten Surfens im Internet während der Arbeitszeit. Dabei stolperte der Arbeitgeber über ein Beweisverwertungsverbot, das sich insbesondere aus der Nichteinhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen ergab.

I. Einleitung

Email, Facebook oder die Buchung der Urlaubsreise? Privates Surfen während der Arbeit ist alltäglich geworden. Obwohl das private Surfen während der Arbeitszeit grundsätzlich einen Verstoß gegen die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung darstellt, liegt in den meisten Fällen eine Erlaubnis durch den Arbeitgeber vor, die auch auf einer schlichten Duldung beruhen kann. Ohne ausdrückliche Definition des erlaubten Umfangs des privaten Surfens, bezieht sich diese Erlaubnis auf ein zeitlich und inhaltlich angemessenes Maß (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04). Will der Arbeitgeber geltend machen, dass diese Grenzen überschritten sind, muss er insbesondere die Vorgaben des Datenschutzrechts beachten.

II. Sachverhalt

Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber die private Nutzung des Internets zwar verboten, später jedoch freien Zugang zu einem WLAN gewährt, um Netzwerke „wie Spotify, YouTube, etc.“ zu nutzen und das Hauptnetzwerk so zu entlasten. Der Arbeitgeber informierte, dass zur Überwachung der WLAN-Nutzung ein sog. „Keylogger“ installiert würde, der „die Benutzung der Systeme (…) [mitloggt] und dauerhaft speichert“, das heißt, dass sämtliche Tastatureingaben am PC protokolliert und regelmäßig Screenshots (Bildschirmfotos) erstellt werden. Wer damit nicht einverstanden sei, solle dies dem Arbeitgeber innerhalb von einer Woche mitteilen.

Durch die Nutzung des „Keyloggers“ erfuhr der Arbeitgeber, dass der spätere Kläger während der Arbeitszeit für eine Drittfirma tätig war und für diese Emails verschickte sowie bei der Arbeit ein Computerspiel programmiert hatte. Im Rahmen der schriftlichen Anhörung erklärte der spätere Kläger, bei der Drittfirma handele es sich um die Firma seines Vaters, für die er maximal 10 Minuten täglich Emails verschicke. Dies führe er weitgehend in seiner Freizeit aus. Das Computerspiel hätte er größtenteils zuhause bzw. in den Pausenzeiten programmiert. Die Arbeit für den Arbeitgeber hätte darunter nicht gelitten.

Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis verhaltensbedingt außerordentlich, hilfsweise ordentlich.

III. Entscheidung

Das Landesarbeitsgericht Hamm sah in der Verwendung des „Keyloggers“ eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. Es ging deshalb von einem Beweisverwertungsverbot für sämtliche Tatsachen aus, die bei der Anwendung des „Keyloggers“ entdeckt wurden.

Insbesondere sei § 32 Absatz 1 Sätze 1 und 2 BDSG nicht eingehalten worden. Die Norm erlaubt die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten nur dann, wenn dies zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses bzw. dessen Beendigung notwendig ist oder tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht einer Straftat begründen. Die Installation des „Keyloggers“ sei jedoch weder durch die Durchführung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt, noch hätten Anhaltspunkte für eine Straftat vorgelegen. Ein milderes Mittel wäre die nachträgliche Auswertung des Internetverlaufs gewesen.

Auch gegen § 4a Absatz 1 Satz 2 habe der Arbeitgeber hier verstoßen: Nach dieser Vorschrift muss der Betroffene schriftlich in die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung seiner personenbezogenen Daten einwilligen. Die vom Arbeitgeber gewählte Widerspruchslösung, bei der die Arbeitnehmer ausdrücklich hätten wider­sprechen müssen, reicht nicht aus. Schließlich hätte sich die Mitteilung über die Installation des „Keyloggers“ nur auf das WLAN bezogen – nicht klar gewesen sei, dass sämtliche Aktivitäten am Computer überwacht wurden.

Für die Begründung der Kündigung konnten aufgrund des Beweisverwertungsverbots nur die Tatsachen herangezogen werden, die der Kläger in seiner Anhörung selbst eingeräumt hatte. Diese reichten nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts Hamm nicht aus, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Die private Nutzung sei dem Kläger in angemessenem Maße erlaubt gewesen, da der Arbeitgeber das private Surfen jedenfalls geduldet habe. Zwar läge ein Fehlverhalten des Klägers vor. Bei ca. 10 Minuten pro Tag privatem Surfen pro Tag hätte jedoch zunächst abgemahnt werden müssen.

IV. Praxistipp

Die private Nutzung des firmeneigenen Internets sollte stets klar geregelt sein und diese Regelung sollte auch in der Praxis eingehalten werden. Das schließt mit ein, auch bei kleineren Verstößen auf die entgegenstehende Regelung hinzuweisen und gegebenenfalls abzumahnen.

Bei Überwachungsmaßnahmen ist besonders auf die Vorschriften des Datenschutzrechts zu achten, da ein Verstoß zu einem Beweisverwertungsverbot führen kann. Neben dem BDSG muss nun auch die Datenschutz­grundverordnung beachtet werden. Diese hat das Datenschutzrecht noch einmal verschärft. In vielen Fällen ist deshalb eine Anpassung der bestehenden Regelungen erforderlich. Auch ist eine Novelle des Arbeitnehmer­datenschutzrechts geplant. Arbeitgeber sollten sich deshalb frühzeitig informieren, um Verstöße gegen das Datenschutzrecht zu vermeiden.

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Juni 2016 – 16 Sa 1711/15


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