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Von wegen Zauberspiegel …

10.04.2018  — Philipp Selig.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Wenn Schneewittchens böse Stiefmutter von diesem Fall vor dem Amtsgericht München gelesen hätte, so hätte sie wohl augenblicklich damit aufgehört, ihre Missetaten anlässlich der Aussagen eines alten Spiegels zu begehen und sich stattdessen einen neuen Vermieter gesucht.

So manche Gerichtsverfahren beinhalten Elemente, die man eher im Reich der Fiktion ansiedeln würde. Der Fall, den das Amtsgericht München in seinem Urteil vom 19.10.2006 (- 473 C 18682/06 -) abschloss, basierte zum Beispiel auf einer Konstruktion, die man eher in einem Agentenfilm oder einem Psychothriller vermutet – aber auch eines der bekanntesten Märchen der Brüder Grimm scheint plötzlich in einer Nebenhandlung die Geschichte einer arglistig getäuschten Mieterin zu erzählen.

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Im Oktober 2005 wurde eine Drei-Zimmer-Wohnung von drei Mietern als Wohngemeinschaft bezogen. Bad und Küche wurden gemeinschaftlich genutzt. Der Mietzins von 213 € im Monat wurde von November 2005 bis Januar 2006 gezahlt. Dann allerdings gab der Badezimmerspiegel Anlass, die Polizei zu rufen.

Nein, der Spiegel beantwortete keine Fragen dazu, wer die Schönsten im Land ist, stattdessen verfärbte er sich, zog deshalb genauere Blicke eines der Mieter auf sich und offenbarte daraufhin sein Geheimnis: Er war durchsichtig.

Die auf diese erschreckende Erkenntnis hin alarmierte Polizei entdeckte einen durch den Spiegel verdeckten Mauerdurchbruch, hinter dem sich ein kleiner Raum befand. Dass in diesem Hefte und Videos mit pornografischem Inhalt sowie ein Kalender, der den laufenden Monat zeigte, gefunden wurden, stellte für die Mieter eine weitere höchst unangenehme Überraschung dar.

Verständlicherweise kündigte zunächst einer der Mieter fristlos und verlangte auch den gezahlten Mietzins zurück. Die fristlose Kündigung wollte die daraufhin begklagte Vermieterin ebenso wenig gelten lassen, wie die Rückforderung des Mietzinses. Schließlich sei nur das Bad im Wohnwert beeinträchtigt gewesen, was ihrer Meinung nach keine 100%ige Minderung rechtfertigte.

Das Amtsgericht München widersprach allerdings und gab dem Kläger recht. Durch das Anbringen des venezianischen Spiegels im Bad seien Intimsphäre und Persönlichkeitsrechte des Klägers verletzt und das Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört worden, weshalb eine Abmahnung nicht notwendig gewesen sei. Auch die Tatsache, dass die Beklagte bei Vertragsschluss arglistig verschwiegen habe, dass sich ein venezianischer Spiegel im Bad befinde, sei bereits ein Grund für eine außerordentliche Kündigung. Die massive Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Mieters sei zu dem ausreichend für eine 100%ige Mietminderung und damit die vollständige Rückzahlung des Mietzinses. Auch die Mitbewohner des Klägers reichten später Klagen ein.

Ob auch Schneewittchens Stiefmutter irgendwann herausfand, dass es vielleicht gar kein Zauberspiegel, sondern ein übermäßig neugieriger Vermieter war, der sie mit seinen Urteilen über ihr Äußeres zur hinterlistigen Assassinin machte?

Dieser Artikel stellt weder eine Rechtsauskunft dar noch kann die Gewährleistung übernommen werden, dass der Beitrag in jedem Detail der derzeit gültigen Rechtsprechung entspricht. Er dient lediglich der Information und erhebt keinen Anspruch auf Korrektheit im rechtlichen Sinne. Eine Rechtsauskunft darf nur durch eine juristisch ausgebildete Person erfolgen. Die Redaktion bemüht sich, vor allem die aktuelle Rechtsprechung zu berücksichtigen. Im Einzelfall kann es aber vorkommen, dass rechtliche Fragen von den Gerichten noch nicht abschließend geklärt sind oder unterschiedliche Rechtsauffassungen zu einem Thema bestehen.
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