21.08.2024 — Online-Redaktion Verlag Dashöfer. Quelle: Hochschule München.
Prof. Dr. Matthias Schlipf von der HM spielt Szenarien durch wie die Integration von ökologischen Kosten exemplarisch bei der Schraubenproduktion und -vermarktung zu Maßnahmen für eine rentable und klimafreundliche Herstellung führen könnte.
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Die Penny-Kampagne macht es vor: Joghurt, Fleisch und Gemüse wurden zeitweise zu ihren wahren Kosten verkauft. Diese Transparenz zeigte den Kunden teilweise drastisch die unterschiedlich hohen, bisher nicht im Preis berücksichtigten, sozialen und ökologischen Folgekosten. „Einen viel größeren Hebel für eine wirtschaftliche und zugleich klimafreundlichere Produktion jedoch stellen Industriegüter dar, vor allem diejenigen aus der Metallindustrie. Das haben wir am Beispiel von Schrauben in drei Szenarien durchgespielt“, sagt Prof. Dr. Matthias Schlipf, Professor an der Fakultät für Betriebswirtschaft der HM. Seine Ausgangsfrage: Wieviel CO2-Äquivalente werden bei der Erstellung von einem Kilogramm Schrauben wirklich emittiert?
Ermittelt haben Schlipf und sein Team die ökologischen Kosten für die Erstellung von Schrauben in CO2-Äquivalenten (= CO2e) im Verlauf ihrer vollen Wertschöpfungskette bis zum Verkaufsstandort anhand von Life-Cycle-Assessment-Ökobilanzen. Dazu gehören die Werte für die Stahlherstellung sowie die empirischen Daten zur Schraubenfertigung aus, die ein Praxispartner des Projektes zur Verfügung stellte, sowie die entsprechenden Logistikdaten.
Diese multiplizierten sie mit drei unterschiedlichen CO2-Kostensätzen für ein Kilo Schrauben: Zunächst ging das Team von nach Daten des EU-ETS für den Industrie- und Energiesektor von 43 €/t CO2e aus, im zweiten Fall von 195 €/t CO2e nach Angaben des Umweltbundesamtes, welches die externen gegenwartspräferierten Kosten für das Emittieren von Treibhausgasen miteinrechnet, sowie im dritten Fall von 680 €/t CO2e, welches die wahren Klimakosten bei vollständiger Einhaltung der Generationengerechtigkeit enthalten.
Neben der CO2-Besteuerung fließen in die drei Szenarien des Teams auch marktpolitische Faktoren ein, die für eine wirtschaftliche und klimafreundlichere Produktion ausschlaggebend sein könnten. Mögliche Faktoren dafür sind Produktionsstandort, Technologie, Energiemix und Transportkette jeweils für unterschiedliche Wertschöpfungsketten beispielsweise außerhalb und innerhalb der Europäischen Union (EU).
Angenommen wurde in Szenario eins, eine Produktion in einem Land mit laxen Umweltgesetzen, einer konventionellen Produktion mit regionaler Elektrizität sowie die Einfuhr der Schrauben in die EU. Zweites Szenario ist eine Produktion in einem hochregulierten Umfeld wie in der EU oder in Deutschland, ebenfalls mit konventioneller Produktion und lokalem Energiemix, aber kurzen Transportwegen. Schließlich das dritte Szenario, eine regionale Produktion in der EU mit Recyclingmaterial und alternativer Technologie sowie grünem Strom und regionalen Transportwegen. Hintergrund für die drei in den Szenarien angenommenen klima- und marktpolitischen Regulierungen sind zwei Thesen aus der Fachliteratur: die „Pollution Haven Hypothesis“ sowie die „Porter Hypothesis“.
Die Auswertung der drei Szenarien ergibt folgendes Bild: Der Produktionsstandort und die Logistik haben nur einen geringen Einfluss auf die Dekarbonisierung der Schraubenherstellung. Denn die Analyse der Wertschöpfungskette zeigt, dass 80 bis 85 % der CO2-Kosten, und damit auch der wahren Kosten, von der Art des Produktionsprozesses der Stahlproduktion beispielsweise via Hochofen herrühren. Die Verwendung von Recyclingstahl ist deshalb aktuell der entscheidendste Faktor für eine klimafreundlichere Schraubenerstellung, da dieses Verfahren die wahren Kosten um 75 % senken könnte.
Wegen der derzeit noch niedrigen CO2-Steuern, welche die heutigen Marktpreise von Schrauben als „wahre Kosten“ nur um ein % verteuern würden, ist diese Form der Besteuerung derzeit noch kein ausreichender Hebel, um Investitionsanreize in eine klimafreundlichere Produktion zu schaffen. Das macht das Ausweichen in Länder mit laxer Umweltgesetzgebung heute noch wirtschaftlich. „Unser Ergebnis ist, dass erst das Anheben der CO2-Steuer sowie die strikte Einführung von grenzüberschreitender CO2-Besteuerung in Form von Cross Border Adjustment Mechanisms (CBAM) oder „Klima-Clubs”, vor allem aber die Verwendung von Recyclingstahl und des entsprechenden Herstellungsverfahrens eine klimafreundlichere Erstellung von Stahlprodukten wirtschaftlich und attraktiv machen“, sagt Schlipf.
Bild: Felix Mittermeier (Pexels, Pexels Lizenz)
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