28.08.2024 — Von Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH
Das bedeutet in der lohnsteuerlichen Praxis, dass die Lohnversteuerung beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses, sondern im Zeitpunkt der Fälligkeit durchzuführen ist. Die Fälligkeit richtet sich dabei nach den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer.
Ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer, also ein Geschäftsführer, der zu mehr als 50% an seiner Gesellschaft beteiligt ist und daher maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen kann, nimmt im Steuer- und Sozialversicherungsrecht eine Sonderstellung ein, weil er aufgrund seiner Beteiligung an der Gesellschaft sowohl als Arbeitnehmer als auch als Unternehmer anzusehen ist. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung tritt der Zufluss mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. Der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer hat es aufgrund seiner Sonderstellung in der Hand, Zahlungen an sich selbst zu veranlassen. Zahlungen an den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer stellen für die Gesellschaft grundsätzlich Betriebsausgaben dar, die den Gewinn und damit die Bemessungsgrundlagen für Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer mindern. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von Zahlungen an den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer als Betriebsausgaben sind klare, im Voraus getroffene Vereinbarungen, die einem Fremdvergleich standhalten. Anderenfalls sind diese Zahlungen nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht als Betriebsausgaben, sondern als verdeckte Gewinnausschüttungen bzw. verdeckte Einlagen anzusehen.
Hintergrund dieser strengen Anforderungen ist, dass die Bezüge des beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers nicht an die Ertragslage des Unternehmens geknüpft sein dürfen und einem Fremdvergleich standhalten müssen. Diese strengen Anforderungen werden in der betrieblichen Praxis häufig übersehen bzw. unterschätzt.
Der Bundesfinanzhof hat sich jüngst mit der streitigen Rechtsfrage auseinandersetzen müssen, ob im Anstellungsvertrag vereinbarte Tantiemen, die tatsächlich nicht ausgezahlt wurden, der Lohnversteuerung zu unterwerfen sind.
Nach gefestigter BFH-Rechtsprechung kann bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ein Zufluss von Einnahmen auch ohne Zahlung oder Gutschrift vorliegen, denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist. Von dieser Zufluss-Fiktion werden grundsätzlich alle Vergütungen erfasst, die die Gesellschaft ihren beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die das Einkommen der Gesellschaft gemindert haben.
Im hier streitigen Sachverhalt hatte ein beherrschender Gesellschafter-Geschäftsführer laut Anstellungsvertrag Anspruch auf Tantiemezahlungen in Höhe von 20% des Jahresgewinns. Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung wurde festgestellt, dass die vereinbarten Tantiemen im Prüfungszeitraum tatsächlich nicht an den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ausgezahlt und nicht der Lohnversteuerung unterworfen wurden. Ein wirksamer Verzicht des Gesellschafter-Geschäftsführers auf die Tantiemen war nicht vereinbart worden.
Das Finanzamt führte daher mit Verweis auf die Zufluss-Fiktion eine entsprechende Nachversteuerung durch. Die Tantiemen wären jeweils einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung fällig gewesen und hätten damit aufgrund der Zufluss-Fiktion zu diesem Zeitpunkt der Lohnversteuerung unterworfen werden müssen.
Im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung wurde geltend gemacht, dass nicht ausgezahlte Tantiemen einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zufließen, wenn bei der Gesellschaft keine entsprechenden Verbindlichkeiten passiviert werden und sich deshalb keine Minderung des Einkommens der Gesellschaft ergibt. Tatsächlich wurden in den zugrundeliegenden steuerlichen Jahresabschlüssen keine entsprechenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft gegen den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer passiviert.
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