Online-Weiterbildung
Präsenz-Weiterbildung
Produkte
Themen
Dashöfer

Auffangpositionen in der E-Bilanz - Freud oder Leid? (II)

13.09.2011  — Tobias Polka, Arne Jansen.  Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.

Im zweiten Teil der Artikelserie zum Thema "Auffangpositionen" und deren Rolle in der E-Bilanz erläutern unsere Autoren Arne Jansen und Tobias Polka Ihnen die Auslegungsmöglichkeiten des Begriffs der Buchhaltung und die daraus folgenden Konsequenzen.

III. Verschiedene Interpretationsmöglichkeiten

In Tz. 19 des überarbeiteten Entwurfs des BMF-Schreibens vom 1. Juli 2011 zu § 5b EStG heißt es:

„Um Eingriffe in das Buchungsverhalten zu vermeiden, aber dennoch einen möglichst hohen Grad an Standardisierung zu erreichen, sind im Datenschema der Taxonomie Auffangpositionen eingefügt (erkennbar durch die Formulierungen im beschreibenden Text „nicht zuordbar“ in der Positionsbezeichnung). Ein Steuerpflichtiger, der eine durch Mussfelder vorgegebene Differenzierung für einen bestimmten Sachverhalt nicht aus der Buchhaltung ableiten kann , kann zur Sicherstellung der rechnerischen Richtigkeit für die Übermittlung diese Auffangpositionen nutzen. Das Mussfeld ist in einem solchen Fall mit dem NIL-Wert zu übermitteln. Wenn eine in der Taxonomie vorgegebene Differenzierung durch Mussfelder aber in den Buchungskonten abgebildet wird, besteht kein Wahlrecht zwischen der Nutzung der Auffangposition und der als „Mussfeld“ oder „Mussfeld, Kontennachweis erwünscht“ gekennzeichneten Position“.

Auf diese Auffangpositionen zieht sich die Finanzverwaltung immer wieder zurück, wenn sie davon spricht, dass sie nicht in das Buchungsverhalten der Steuerpflichtigen eingreifen will. Dass sie dies dennoch tut, haben die ersten Erfahrungen mit dem Projekt E-Bilanz gezeigt. Aber was genau meint die Finanzverwaltung damit, wenn sie in ihrem BMF-Schreiben davon spricht, dass die Auffangpositionen immer dann zu nutzen sind, wenn sich die geforderte Differenzierung der Sachverhalte nicht aus der Buchhaltung ableiten lässt?

Diese Formulierung lässt durchaus unterschiedliche Interpretationen zu, wie sich in Gesprächen mit Vertretern der Finanzverwaltung, Softwareanbietern und Unternehmen zeigt. Dabei geht es darum, wie der Begriff der Buchhaltung zu definieren bzw. wie weit der Begriff auszulegen ist. Der technische Leitfaden [Technischer Leitfaden zur Einreichung nach § 5b EStG, Stand: 22.03.2011.] zur Verwendung der Taxonomie Steuer hilft bei der Interpretation nicht weiter, da er lediglich die Aussage des BMF-Schreibens wiederholt. Auch die im überarbeiteten Entwurf des BMF-Schreibens vom 1. Juli 2011 neu eingefügte Aussage der Finanzverwaltung, dass bei Vorliegen der Werte in Buchungskonten kein Wahlrecht zwischen der Nutzung des einschlägigen Datenfeldes oder der Nutzung der Auffangpositionen besteht, beschreibt nur die Folgen bei Vorhandensein der Werte, definiert aber nicht, woraus die Werte für die Mussfelder abgeleitet werden müssen. [Schumann/Arnold, DStZ 2011, 226, 234.]

1. Enge Auslegung des Begriffs der Buchhaltung

Die Sichtweise der engen Auslegung wird im wesentlichen durch den Zweck der Auffangpositionen bestimmt. Maßgebliches Ziel soll nach Aussagen des BMF in aller erster Linie die Vermeidung von Eingriffen in das Buchungsverhalten der Unternehmen sein. [vgl. auch Klein, Wißborn: Die E-Bilanz aus Sicht der Finanzverwaltung, BBK 2010 S. 5.] Demzufolge sind die Auffangpositionen immer dann zu nutzen, wenn Eingriffe in das Buchungsverhalten zu vermeiden sind. Konkret bedeutet dies, dass man die Auffangpositionen immer dann nutzen kann, sofern für den zu beurteilenden Sachverhalt kein eigenes Konto im benutzten Kontenrahmen des Hauptbuchs eingerichtet ist. Denn immer dann existiert kein Prozess, sei er automatisiert oder manuell, um die notwendigen Informationen aufzubereiten und in der Finanzbuchhaltung taxonomiekonform abbilden zu können. Die Arbeitsgruppe Taxonomie Steuer kommt, zumindest bei der Aufgliederung der Umsatzerlöse, auch zu dem Schluss, dass diese in der Finanzbuchhaltung auf Kontenebene nicht für alle Unternehmen möglich sei. [Rust/Hülshoff/Kolbe, BB H 2011, 748] In solchen Fällen wurde von der Arbeitsgruppe eine Gestaltung gewählt, die soweit eine Differenzierung für die Unternehmen maschinell nicht möglich ist, die Benutzung der Auffangpositionen erlaubt. [Ebenda] Der Zusatz "maschinell" ist hierbei nach unserer Meinung nicht als Einschränkung zu verstehen, da in den meisten Fällen in den heutigen Rechungswesen maschinelle Erfassungs-, Verarbeitungs- und Archivierungssysteme genutzt werden. Somit trifft dies auf die große Mehrheit aller Unternehmen zu. Gleichzeitig schließt die geforderte maschinelle Herleitung unseres Erachtens auch die Möglichkeit einer manuellen Herleitung mit ein, denn wenn in modernen ERP-Systemen eine maschinelle Herleitung nicht zum Ziel führt, kann ein manueller Versuch auch nicht von Erfolg gekrönt sein.

Ob man die benötigten Informationen trotzdem aus Auswertungen im Finanzbuchhaltungssystem ermitteln kann, z. B. durch die Zuordnung von Automatikschlüsseln, spielt bei dieser Lesart keine Rolle. Dies würde bedeuten, dass Unternehmen eine solche Auffangposition nutzen können, wenn die geforderten Inhalte der Mussfelder in der Taxonomie Steuer bisher nicht auf separaten Konten des Hauptbuchs gebucht werden. Dafür spricht aus unserer Sicht auch die beim Punkt Auffangpositionen neu eingefügte Formulierung im überarbeiteten BMF-Schreiben, dass kein Wahlrecht zwischen den Mussfeldern und den Auffangpositionen besteht, wenn beim Unternehmen eine in der Taxonomie vorgegebene Differenzierung durch Mussfelder bisher in den Buchungskonten abgebildet wird. Im Umkehrschluss könnte die Finanzverwaltung damit meinen, dass immer dann Auffangpositionen genutzt werden dürfen, wenn die Sachverhalte bisher nicht in Kontenform abgebildet werden. Da die Finanzverwaltung aber weder den Begriff Buchhaltung noch den Begriff Buchungskonten definiert, besteht für die Unternehmen hohe Unsicherheit hinsichtlich des Umgangs mit den Auffangpositionen.

Wird die Ansicht einer engen Auslegung bei der Umsetzung der E-Bilanz zugrunde gelegt, kann unter Umständen eine sehr komprimierte E-Bilanz übermittelt werden. Deren Aussagegehalt wäre aus Sicht der Finanzverwaltung nur sehr begrenzt. Auf der anderen Seite wäre jedoch die Einführung der E-Bilanz auf Ebene der Unternehmen deutlich vereinfacht. Dies entspricht dem genannten Ziel der Auffangpositionen, möglichst keine Eingriffe in die etablierten rechnungslegungsbezogenen Prozessstrukturen in den Unternehmen vorzunehmen. Die Finanzverwaltung tauscht aus Sicht der Autoren an dieser Stelle bewusst Aussagegehalt und Auswertbarkeit gegen eine Erhöhung der Akzeptanz bei den betroffenen Unternehmen.

2. Weite Auslegung des Begriffs der Buchhaltung

Eine andere Interpretation des Satzes, dass ein Steuerpflichtiger Sachverhalte „nicht aus der Buchhaltung ableiten kann“ ist aus der Legal-Definition des Begriffs Buchhaltung möglich. Der Begriff Buchhaltung ist dabei als Synonym zum Begriff Buchführung zu begreifen. Die Definition kann aus § 238 HGB abgeleitet werden. In Satz 1 heißt es: "Jeder Kaufmann ist verpflichtet, Bücher zu führen und in diesen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich zu machen.". Satz 3 konkretisiert die Form der Aufzeichnung: "Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen." Danach ist der Begriff Buchhaltung als das Aufzeichnen aller Geschäftsvorfälle in einer chronologischen und lückenlosen Form zu definieren, das den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung genügt.

Dieser Verpflichtung kommt der Kaufmann zum einen durch die Führung eines Grundbuchs zum anderen durch die Führung eines Haupt- und der erforderlichen Nebenbücher nach. Im Grundbuch, auch Buchungsjournal genannt, werden alle Geschäftsvorfälle chronologisch mit einem Buchungssatz sowie den sonstigen notwendigen Informationen erfasst. Damit wird der gesetzlichen Pflicht des § 238 (1) S.3 HGB entsprochen. Das Hauptbuch hingegen zeigt die Buchungssätze in Kontenform, das einer systematischen Darstellung des Buchungsjournals entspricht. Die Nebenbücher stellen dem Hauptbuch aggregierte Informationen bei, z.B. den Saldo der Forderungen aus dem Debitorennebenbuch. Die Buchhaltung umfasst demnach nicht nur das Hauptbuch und alle seine Bestandteile, sondern auch die Nebenbücher und das Grundbuch, auf dem es basiert.

Die steuerliche Buchführungspflicht knüpft mit § 140 AO und § 141 AO sowie durch den Grund-satz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz gem. § 5 EStG an die allgemeinen Buchführungsgrundsätze nach § 238 HGB an. [vgl. Kussmaul/Weiler, Die neuen gesetzlichen Regelungen zur "E-Bilanz" - § 5b EStG und § 60 EStDV, BBK Nr. 15 vom 06.08.2010 S.696] Es existieren u.E. an dieser Stelle keine erweiternden oder einschränkenden steuerlichen Vorschriften hinsichtlich der Führung der Handelsbücher. Somit sind auch aus steuerrechtlicher Sicht unter dem Begriff Buchhaltung sämtliche Aufzeichnungen des Kaufmanns, die er im Rahmen seiner Buchführungspflicht nach § 238 HGB anfertigt, zu verstehen. Konkret bedeutet dies, dass auch aus steuerrechtlicher Sicht nicht nur Informationen über Geschäftsvorfälle im Hauptbuch sondern auch alle Informationen in Nebenbüchern sowie dem Grundbuch zum Umfang der Buchhaltung zählen.

Diese Auslegung würde für alle Unternehmen eine erhebliche Einschränkung des Nutzungsumfangs der Auffangpositionen und damit verbunden einen deutlichen Mehraufwand bei der Übertragung der E-Bilanz bedeuten. Denn es käme nicht darauf an, ob die benötigten Informationen über Geschäftsvorfälle lediglich auf einem Konto des Hauptbuchs separat vorhanden sind. Vielmehr sind alle Muss-Felder der Taxonomie Steuer zu befüllen, die sich aus dem Grundbuch, dem Hauptbuch und den Nebenbüchern ableiten lassen, unabhängig davon, ob dies ma-schinell oder manuell erfolgen kann. Die Nutzung einer Auffangposition, sofern der betreffende Sachverhalt nicht auf einem Konto des Hauptbuchs verzeichnet ist, bleibt den Unternehmen dadurch verwehrt. Dies würde jedoch aus unserer Sicht dem Konzept der Auffangposition in einem eklatanten Umfang widersprechen, sodass diese Auslegung nicht sachgerecht wäre. Um jedoch Rechtssicherheit zu erlangen, sollte die Bedeutung des Begriffs Buchhaltung und der Zweck der Auffangpositionen im endgültigen BMF-Schreiben klargestellt werden.

Lesen Sie im nächsten Teil: Beispiele zur Auswirkung der Auslegungsfrage und Entscheidungshilfen für die Unternehmen
Lesen Sie hier noch einmal die Einführung


Über die Autoren

Arne Jansen ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei der Warth & Klein Grant Thornton AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf. Herr Jansen ist Manager und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der steuerlichen Beratung mittelständischer Unternehmen. Neben Fragestellungen des internationalen Steuerrechts und der Gestaltungsberatung verfügt Herr Jansen auch über einschlägige Erfahrungen im Steuerbilanzrecht. Als Mitglied der internen Expertengruppe "E-Bilanz" betreut er diverse Umstellungsprojekte. Darüber hinaus ist er als Referent für interne und externe Veranstaltungen sowie als Autor tätig.

Tobias Polka ist Diplom-Kaufmann und Steuerberater bei der Warth & Klein Grant Thornton AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Düsseldorf. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Prüfungsleiter betreut er schwerpunktmäßig nationale und internationale mittelständische Familienunternehmen aus den verschiedensten Branchen. Er befasst sich dabei insbesondere mit dem Einsatz von elektronischen Auswertungsverfahren und der Prüfung interner Kontrollsysteme. Als Mitglied der internen Expertengruppe "E-Bilanz" betreut er diverse Umstellungsprojekte. Darüber hinaus ist er als Referent für interne und externe Veranstaltungen sowie als Autor tätig.

Warth & Klein Grant Thornton ist eine der größten partnerschaftlich geführten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Deutschland mit über 750 Mitarbeitern an elf Standorten. Sie betreut einen repräsentativen Querschnitt der deutschen Wirtschaft mit Unternehmen und Institutionen aus nahezu allen Branchen sowie private Vermögensinhaber. Die Services umfassen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Corporate Finance & Advisory Services sowie Private Finance. Bei grenzüberschreitenden Aufgabenstellungen arbeitet sie seit mehr als zehn Jahren mit „Grant Thornton International“ zusammen, einer weltweit tätigen Dachorganisation unabhängiger Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.


Verlag Dashöfer GmbH
nach oben