07.10.2015 — Volker Hartmann. Quelle: Verlag Dashöfer GmbH.
Im hier streitigen Sachverhalt sollte ein Arbeitnehmer, ein Vorstandsmitglied einer Bank, nach einer erfolgten Fusion eine Vorstandsposition in der fusionierten Bank erhalten. Aufgrund vermeintlicher Pflichtverletzungen in der Vergangenheit und wegen vermeintlich mangelnder fachlicher Eignung ordnete die zuständige Aufsichtsbehörde, das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, jetzt Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) an, den Arbeitnehmer als Vorstandsmitglied abzuberufen.
Die Behörde berief sich hierbei auf Hinweise und Empfehlungen eines vorausgegangenen Prüfungsberichts sowie auf ihre bereits zuvor geäußerten Einwendungen gegen die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung des Arbeitnehmers. Weil die Bank das Arbeitsverhältnis aus diesen Gründen beendete, konnte der Arbeitnehmer seine Tätigkeit als Bankvorstand nicht mehr ausüben.
Das vom Arbeitnehmer angerufene Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtswidrig war. Daher verklagte der Arbeitnehmer das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen auf Schadensersatz. Das Oberlandesgericht verurteilte die BaFin als Rechtsnachfolgerin des Bundesaufsichtsamtes dazu, dem Arbeitnehmer den ihm entstandenen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm durch den rechtswidrigen Abberufungsbescheid des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen entstanden war und künftig entstehen würde.
Der Arbeitnehmer machte Schadensersatz in Höhe von 2.355.367,30 EUR geltend. Im Rahmen eines Vergleichs erhielt der Arbeitnehmer einen Betrag in Höhe von 980.000 Euro zuzüglich Zinsen zugesprochen.
Dieser Betrag setzte sich wie folgt zusammen:
60.789,89 Euro Schadensersatz für das im Wege des Notverkaufs veräußerte Eigenheim, eine Ausgleichszahlung für entgangene Gehaltsansprüche in Höhe von 600.000,00 Euro sowie eine Ausgleichszahlung für entgangene Rentenansprüche in Höhe von 319.210,11 Euro. Zinsen in Höhe von 149.323,68 Euro, insgesamt 1.129.323,68 Euro.
Im Rahmen einer Prüfung vertrat das Finanzamt des Arbeitnehmers die Auffassung, dass es sich um eine Entschädigungszahlung handelt, die der Lohnversteuerung zu unterwerfen sei.
Der Arbeitnehmer hingegen vertrat die Auffassung, dass es sich bei der Entschädigungszahlung der BaFin nicht um lohnsteuerpflichtigen Arbeitslohn, sondern um nicht steuerbaren Schadensersatz handle. Die BaFin als Rechtsnachfolgerin der früheren Aufsichtsbehörde des ehemaligen Arbeitgebers sei ihm gegenüber schadensersatzpflichtig gewesen. Der Schadensausgleich führe im Rahmen eines zivilrechtlichen echten Schadensersatzanspruchs nicht zu einem Lohnzufluss. Die Schadensersatzzahlung sei nicht für eine Beschäftigung im Sinne des § 19 Absatz 1 Nr. 1 EStG gezahlt worden. Sie sei keine Gegenleistung des Arbeitgebers, die für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gewährt wurde; entsprechend liegt nach Ansicht des Arbeitnehmers keine Zahlung vor, die ihm als Frucht seiner Arbeitsleistung gewährt worden ist. Nach Auffassung des Arbeitnehmers sei vielmehr ein in seinem Privatvermögen entstandener Schaden ausgeglichen worden.
Das Finanzgericht Münster stellte mit Urteil vom 30.06.15 klar, dass ein Vorteil, der einem Arbeitnehmer nicht unmittelbar von seinem Arbeitgeber, sondern von einem Dritten zugewendet wird, nur dann als Arbeitslohn anzusehen ist, wenn sich die Zuwendung für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und in Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Diese Voraussetzungen liegen im hier streitigen Sachverhalt jedoch nicht vor.
Streitig war, wie § 24 Nr. 1a EStG auszulegen sei. Nach Maßgabe von § 24 Nr. 1a EStG sind Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind, als steuerpflichtige Einkünfte anzusehen. Nach Ansicht des Finanzgerichts spielt es hierbei keine Rolle, ob bereits ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde oder nicht.
In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob im Zeitpunkt eines schadenstiftenden Ereignisses ein Vertrag bereits abgeschlossen war und infolge der Schädigung nicht fortgesetzt werden kann, oder ob der Vertrag noch nicht abgeschlossen war und es infolge der Schädigung auch nicht mehr zum Vertragsabschluss kommt. In beiden Situationen – Abbruch eines bestehenden Vertrags oder Nichtabschluss eines neuen Vertrags – liegen „entgehende“ Einnahmen vor, die nach Auffassung des Finanzgerichts nach denselben Grundsätzen besteuert werden müssten.
Daher handelt es sich bei den Zahlungen der BaFin, die dafür geleistet wurden, dass kein neuer Vertrag abgeschlossen wird, um Entschädigungen für entgehende Einnahmen im Sinne des § 24 Nr. 1a EStG. Diese können im Rahmen der Fünftelregelung ermäßigt besteuert werden. Das Finanzgericht Münster stellt ausdrücklich klar, dass es sich nicht um nicht steuerbaren Schadensersatz handelt.
Der Autor:
Volker Hartmann ist Diplom-Finanzwirt, Lohnsteueraußenprüfer und Betriebsprüfer im aktiven Dienst der Hamburger Finanzverwaltung. Volker Hartmann hat langjährige Prüfungserfahrungen, insbesondere bei Kapitalgesellschaften aller Branchen und Größen. Er ist seit vielen Jahren Referent und Autor beim Verlag Dashöfer. Seine Seminare zeichnen sich durch eine besondere Praxisnähe aus.
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